81 Prozent der 2022 angezeigten Gewaltdelikte in Basel wurden von Männern begangen. Deshalb fordert der GLP-Grossrat Johannes Sieber in einer schriftlichen Anfrage an die Basler Regierung eine geschlechtsspezifische Gewaltprävention – das unterstützt auch das Basler Männerbüro in einem Artikel der BaZ.
Braucht es bessere geschlechtsspezifische Gewaltprävention?
Allgemeine Gewaltprävention
Es braucht eine allgemeine Gewaltprävention, welche dynamisch auf spezifische statistische Gegebenheiten reagieren kann.
Ja, es braucht!
Die steigenden Zahlen fordern Massnahmen seitens Kanton. Nicht nur verüben Menschen mit männlichem Geschlechtseintrag laut Gewaltstatistik 80% der Gewaltdelikte, sie sind auch von 60% der Gewaltdelikte als Opfer betroffen. Wenn das für Männer kein Grund ist, sich mit dem Thema zu befassen…? Gewaltdelikte haben mehrere Dimensionen. Geschlechtsspezifische Prävention kann ein Baustein sein.
Lieber an Faktoren ansetzen
Die Einflussfaktoren von Gewaltverhalten sind bei Jungen und Mädchen weitestgehend identisch: Hierzu zählen u.a. eine schlechte familiäre Situation, der Kontakt zu kriminellen Freund:innen, Alkohol-/Drogenkonsum und Persönlichkeitseigenschaften wie mangelnde Empathie oder eine positive Einstellung zu Gewalt.
Dies spricht dafür, dass es keine geschlechtsspezifische Gewaltprävention braucht, bei Jungen wie Mädchen also an diesen Faktoren anzusetzen ist. Es braucht aber sicher eine Geschlechtersensibilität in der Präventionspraxis. Am Beispiel: Wenn man Übungen zur Vermittlung von Empathie durchführt, kann es durchaus sinnvoll sein, dies anhand verschiedener Szenarien zu tun. Der Alltag, die Lebenswelt von Jungen und Mädchen unterscheidet sich teilweise; daran muss Präventionsarbeit anknüpfen.
Männer leiden genauso unter dem engen Korsett des Patriarchats
Männer, Männerbilder und Männlichkeiten müssen in der Gleichstellungsarbeit unbedingt stärker in den Blick genommen werden. Wie schaffen wir es, dass auch Männer sich als zuständig sehen für das Thema sexualisierte Gewalt? Ich begrüsse es sehr, dass jetzt das Männerbüro in Basel mit Geldern vom Kanton finanziert wird. Es gibt bereits viele bewährte Lernprogramme gegen Gewalt, die sich an Männer richten und viel Wirkung zeigen. Diese Arbeit muss unbedingt fortgesetzt und gestärkt werden.
An Männlichkeitsvorstellungen anknüpfen
Die Forschung zeigt, dass Gewalt von Männern stark mit Männlichkeitsvorstellungen zusammen hängen. Ein Mann muss auch heute noch "stark" sein und darf keine Schwäche zeigen. Oft steht am Anfang einer Gewalttat ein Ohnmachtsgefühl. Ein nicht-gewalttätiger Umgang damit zu finden, muss gelernt sein, deshalb braucht es unbedingt mehr Gewaltprävention. Zudem müssen wir aufhören, männliche Gewalt als etwas Natürliches zu beschreiben. Damit entlassen wir die Täter aus ihrer Verantwortung, was nicht zulässig ist.
Gewalt als Frage der Zuvielisation?
Gewalt sehe ich als wesentliche Komponente einer autoritär-hierarchisch-militärischen und industriell-technokratischen Zivilisation: Wo herrschen können wichtig ist. Für Herrschaft braucht es Kommunikation und Wissen, Charisma und Engagement sowie Macht und Gewalt. Letztere kann sich sowohl brutal, als auch strukturell manifestieren.
Ja, es braucht unbedingt eine geschlechtsspezifische Gewaltprävention, weil auch Gewalt geschlechtsspezifische Gründe und Erscheinungsformen hat. So geht es z.B. bei häuslicher Gewalt in heterosexuellen Beziehungen häufig darum, dass Männer Privilegien, Macht und Kontrolle über Frauen behalten wollen – d. h. patriarchale Überzeugungen und Ideale bestimmen gewaltsame Praktiken. Statistisch betrachtet geht Gewalt am häufigsten von Männern aus - sei dies gegenüber Frauen, Angehörigen sexueller oder geschlechtlicher Minderheiten oder auch gegenüber anderen Männern. Von Massnahmen, die an diesem Punkt ansetzen, würden letztlich alle profitieren.