Bundesrat setzt auf neue AKW. Gut so?

Der Bundesrat will den Bau neuer Atomkraftwerke wieder möglich machen. Im Mai 2011, zwei Monate nach dem Supergau in Fukushima, sprach er sich für einen längerfristigen Atomausstieg aus. 2017 sagte das Stimmvolk Ja zum revidierten Energiegesetz – der Ausstieg war beschlossen. Nun aber die Wende: Am Mittwoch hat er die Volksinitiative «Jederzeit Strom für alle (Blackout stoppen)» abgelehnt. Er will aber noch in diesem Jahr einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative erarbeiten. Das Umwelt- und Energiedepartement werde bis Ende 2024 eine Anpassung im Kernenergiegesetz vorlegen, heisst es. Der Bundesrat schreibt, er strebe nach Technologieoffenheit – und er spreche sich daher gegen ein Neubauverbot für Kernkraftwerke aus.

1664 Stimmen
Franziska Zambach
Franziska Zambach
Moderation
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Harald Friedl
28. August 2024 um 19:46

Reine Verzögerungstaktik

Mir ist nicht klar, welche Ziele der Bundesrat mit diesem Entscheid wirklich verfolgt. Denn der Neubau von AKW ist illusorisch: 1. Mir ist kein Investor bekannt, der ein neues Atomkraftwerk finanzieren will. Sie rentieren schlichtweg nicht. 2. Die Bevölkerung hat mehrfach beschlossen, dass die Schweiz auf erneuerbare Energien setzen soll. 3. Uran ist endlich und stammt zu grossen Teilen aus Russland. Ziel wäre es eigentlich, sich im Energiebereich von der Abhängigkeit vom Ausland zu lösen. 4. Ein Endlager für den Atommüll ist noch immer nicht Sicht und wird noch Jahrzehnte auf sich warten lassen. 5. Für das Netto-Null-Ziel des Bundes kommen neue Atomkraftwerke viel zu spät. 6. Wird das Parlament den indirekten Gegenvorschlag unterstützen, ist das Referendum so sicher wie das Amen in der Kirche. Ergo: Das ganze Vorhaben bringt nichts als Verzug bei der dringend notwendigen Energiewende.

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Daniel Albietz
Grossrat (Die Mitte), Advokat

Ein Plädoyer gegen Technologiefeindlichkeit

Nun muss ich den Einheitsbrei dieser Diskussion doch noch etwas aufmischen. Wahrscheinlich ist der technologische Fortschritt in der Atomkraft an den Verfasserinnen und Verfassern der bisherigen sehr einseitigen Beiträge vorbeigegangen. Atomenergie der neuesten Generation bietet eine wegweisende Lösung für den Klimaschutz UND die Versorgungssicherheit. Atomreaktoren der neuesten Generation produzieren nicht nur CO₂-freie Energie, sondern sind auch in der Lage, den Müll früherer Atomkraftwerke effizient zu verwerten: Sie nutzen abgebrannte Brennstäbe und Plutonium, das ansonsten eingelagert werden müsste. Daneben sind Thorium-basierte Flüssigsalzreaktoren ebenfalls in Entwicklung. Atomkraft ist eine stabile, kontinuierliche Energieversorgung und deckt damit die Grundlast, wenn keine Sonne scheint und Windräder nicht drehen. Moderne Atomkraft wäre klimafreundliche Energie und damit ein unverzichtbarer Baustein für eine nachhaltige und sichere Energiezukunft.

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Lisa Mathys
Grossrätin und Präsidentin SP BS

Zukunft oder Vergangenheit

Dieser Entscheid ist ein erschreckender Beweis dafür, dass wir (resp. die bürgerliche Mehrheit des Bundesrats) offenbar nicht bereit sind, die Vergangenheit zurück zu lassen und die Zukunft anzugehen. Erneuerbare Energie ist die Lösung für kommende Generationen. AKW hinterlassen ungelöste Abfallprobleme, sind unzuverlässig, unversicherbar und verschlingen Milliarden. Wie kann der Bundesrat das ernsthaft in Betracht ziehen? Die gute Nachricht: Kein Unternehmen wird je ein AKW bauen wollen.

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Felix Güthe
Technologieentwickler

Neue AKWs sind unrealistisch

Wo sollten die denn stehen? Die Bauzeit für so ein Projekt macht dies irrelevant für die nächsten Jahrzehnte . Der Vorstoss ist daher populistisch und gegen den Ausbau der erneuerbaren Energien gerichtet . Ausserdem ignoriert er den Willen des Volkes. Aber wenn wir heute auch internationale Gerichte nicht respektieren wundert mich das nicht. Da scheint jemand völlig den Kompass verloren zu haben .

Ueli Keller
29. August 2024 um 07:20

Was wäre wenn?

Was wäre, wenn wir sagen würden, dass immer noch mehr Strom zu brauchen weder möglich noch sinnvoll ist. Was wäre, wenn wir uns aus bisherigen Denk-, Gefühls- und Handlungsmustern befreien können, die uns gemeinsam nicht weiterbringen? Der Schlüssel liegt im Verstehen von vermeintlich unvereinbaren Positionen und Meinungen sowie im gemeinsamen Treffen von Entscheidungen, die allen Aspekten bestmöglich gerecht werden. Was wäre, wenn wir dies als Lösungsweg für die zu bewältigenden Probleme begreifen, die es gibt, weil es nicht immer noch mehr geben kann?

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Patrick Vögelin
Vorstand BastA

Wo bleibt der Konservatismus?

Ich frage mich ob er auch ein Kosten-Nutzen-Rechnung gemacht hat, denn wenn er das gemacht hätte, dann müsste er logischerweise sagen: Das bringt nichts bis die AKW stehen und im Betrieb sind wird es 2050 und müssen wir ja sowieso Klimaneutral sein und AKWs sind es eben nicht.

Domenica
29. August 2024 um 08:17

Unpopuläre Alternative

Es gibt ja noch die unpopuläre und ungern genannte Alternative zu neuen AKWs: weniger Strom verbrauchen und weniger Wachstum generieren. Wär das nicht schön, uns gegen das permanente Wirtschaftsdiktat des wachsenden Verbrauchs zu stemmen und uns mit weniger zufriedenzugeben? Es ist ja sogar wissenschaftlich erwiesen, dass nicht der Konsum die Menschen glücklicher macht, sondern ganz andere Werte, die mit sozialer Anerkennung und befriedigender Betätigung zu tun haben...

Stephan Luethi
Früher: Lehrer

Neue Generation? Sicherer? Sicher nicht!

Atomkraft ist und bleibt mit Höchstrisiko behaftet. Die AKW der “neuen Generation“ werden sicherer, der Atommüll strahle nur noch einige hundert Jahre. Ich will nicht in diesen Beschwichtigungsmodus eintreten, „sicherer“ ist eben nicht die Steigerung von „sicher“. Sondern bestenfalls spekulativ auf dem Weg zu sicher. Angesichts der Dimension eines GAU bin ich nicht bereit, mich auf das Risikospiel einzulassen. Ganz wichtig ist es jetzt, entschieden auf die erneuerbaren Energieträger zu setzen. Die nötigen Mittel einsetzen, beim vermeintlichen Konflikt zwischen Energiebeschaffung versus Landschaftschutz abzurüsten. Die Frage lautet nämlich: wollt ihr beim Landschaftsbild Veränderungen in Kauf nehmen oder wollt ihr Gefahr laufen, bei einem allfälligen GAU eines AKW die Landschaft und die Lebewesen radikal zerstört zu sehen?

Peter Buess
29. August 2024 um 06:10

Bundesrat Rösti liebt AKWs

Vor einem Monat war der Titel eines Zeitungsartikels: Umstrittene Pläne von Albert Rösti: Haus­besitzern droht Teil­abschaltung ihrer Solar­anlage. Mit überwältigender Logik kommt der immer fröhliche Bundesrat Albert Rösti mit der frohen Botschaft, dass wir neue Atomkraftwerke brauchen. Oh, das ist ja wirklich lustig. Herr Rösti, meinen Sie, das Volk ist so dumm und nimmt Ihnen diese Mogelpackung ab?

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Patrick Bossard
dipl. Elektro-Installateur

Um was geht's?

Das ist doch die Frage! Vom Ausland sind wir so oder so immer irgendwie abhängig. Geht es nicht eher darum, die Schweizer (!?) Stromkonzerne oder wen auch immer zu unterstützen!? Weil einige von diesen die Energiewende verpasst haben oder nicht so wie üblich profitieren beim Ausbau der Erneuerbaren? Ich weiss es nicht. Und ich habe den Eindruck, da geht es nicht primär um eine nachhaltige Zukunft (wie im Stromgesetz beschlossen), sondern einmal mehr um andere (politische/eigene) Interessen!

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