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Zukunftsmusik

Träum ruhig weiter

Klimakatastrophe, Krieg, gewaltige, soziaIe Umwälzungen – in einer Zeit, in der sich Krisen aneinanderreihen fragten wir die Jugend, ob es sich noch zu träumen lohnt.

03/17/23, 04:00 AM

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Mit viel Zuversicht blickt die Basler Jugend in die Zukunft.

Mit viel Zuversicht blickt die Basler Jugend in die Zukunft.

Die Jugendjahre sind aufregend. Voller Entdeckungen, grossen Entscheidungen und erster Male. Soll ich ans Gymi gehen oder passt eine Berufslehre besser zu mir? Das erste Mal mit Freund*innen in den Ausgang, die erste Beziehung und der erste Kuss. All diese prägenden Meilensteine erleben die jungen Menschen neben den Erwartungen und Anforderungen an sie, sich in einer unserer Gesellschaft regelkonform einzufügen. Ein Teil des Ganzen zu werden.

Doch wie fühlt es sich an, in einer Welt, die für viele immer chaotischer, unsicherer und unvorhersehbarer wird, seinen Platz zu finden. Von was träumen die jungen Menschen und was macht ihnen Sorgen? Ein kleines Stimmungsbild über die Basler Jugend.   

Lena nimmt mit dem Ball am Fuss ihren Traum in die Hand.

Lena nimmt mit dem Ball am Fuss ihren Traum in die Hand. (Foto: Florian Scheller)

Lena Bubendorf

Die Zukunft in einem Wort: Fussball

Alter: 17 Jahre

Beschäftigung: U19-FCB- und Nationalmannschafts-Spielerin und Schülerin am Gymnasium Bäumlihof

«Ich begann durch meine Schwester vor zehn Jahren mit dem Fussballspielen – mit sieben Jahren beim FC Allschwil. Seither vergeht kaum ein Moment, an dem ich nicht an das runde Leder denke. Ich liebe Fussball und kämpfe, trainiere und arbeite jeden Tag dafür, dass dieser Sport auch in Zukunft ein grosser Teil meines Lebens bleiben wird. Mein Ziel ist es, so lange wie möglich auf einem Topniveau spielen zu können. Dafür setze ich mir Eckpunkte, an denen ich mich orientiere und die ich erreichen will. So möchte ich als Nächstes gerne im FCB-Fanionteam Fuss fassen.

Später ist dann ein Transfer ins Ausland nach Deutschland oder England ein grosser Traum von mir. Doch im Fussball bringt ein durchgeplantes Leben nichts, denn mit einer Verletzung beispielsweise kann sich auf einen Schlag alles ändern. Das lernte ich mit der Zeit.

Mit dem Älterwerden steigt auch der Druck, die Sorgen, es aus verschiedenen Gründen nicht zu schaffen. Bin ich gut genug und bleibe ich von Verletzungen verschont? Bei der Nationalmannschaft ist dies besonders spürbar, da aus einer grösseren Auswahl an Spielerinnen nur wenige die Chance erhalten, im Trikot der Schweiz aufzulaufen. Im Mentaltraining und durch die Unterstützung meiner Trainerinnen lernte ich, mit diesem Leistungsdruck umzugehen. Meiner Meinung nach, entscheiden sich mehr als 50 Prozent eines Spiels, beziehungsweise der Performance, im Kopf. Nur wenn ich mutig, mit Selbstvertrauen, konzentriert und fokussiert trainiere und spiele, verdiene ich mir die Einsatzzeit.

Auch wenn meine Mitspielerinnen in gewisser Hinsicht meine Konkurrentinnen sind, halten wir eng zusammen. Wir verfolgen alle dieselben Ziele und verstehen die Probleme und Sorgen der anderen sehr gut. So habe ich im Fussball die besten Freundschaften geschlossen. Sie und meine Familie würde ich auch am meisten vermissen, sollte mein langgehegter Traum vom Wechsel ins Ausland – in eine noch grössere Liga – wahr werden.

Für die Popularität des Frauenfussballs in der Schweiz wäre es grossartig, wenn wir als Austragungsort der EM 2025 gewählt würden – als Wertschätzung von der Politik und als Inspiration für alle Mädchen. Im Vergleich mit den Männern geht es nicht darum, gleich viel zu verdienen, sondern die gleichen Voraussetzungen, insbesondere bezüglich Infrastrukturen und Betreuung, für noch mehr Mädchen und Frauen zu schaffen. Auch wenn sich in den letzten Jahren viel zum Besseren entwickelt hat, gibt es noch Luft nach oben.

Längerfristig beschäftigt mich, wie viele andere auch, der Klimawandel als grosses Thema. Noch haben wir die Möglichkeit, etwas zu ändern, damit es unsere sowie die nachfolgenden Generationen besser haben werden. Sollten diesem Bewusstsein aber nicht schnell Taten folgen, dann wird sich die Situation rasant verschlechtern. Dazu kann jeder, schon nur mit kleinen bewussten Handlungen, beitragen, damit auch die nächsten Generationen noch etwas von unserer Welt haben werden.»

Lukas fand auf Umwegen Zufriedenheit und Glück.

Lukas fand auf Umwegen Zufriedenheit und Glück. (Foto: Florian Scheller)

Lukas Kern

Die Zukunft in einem Wort: Herausfordernd 

Alter: 23 Jahre

Beschäftigung: Lernender im Detailhandel

«Ich mag die Vielseitigkeit meiner Arbeit im Detailhandel, den ständigen Lernprozess und die Möglichkeit, sich zu bewegen. Ein Job im Büro am Computer und Tisch wäre nichts für mich, da bin ich mir sicher. Aber vor allem schätze ich den Kundenkontakt sehr, auch wenn dieser teilweise herausfordernd ist. Doch mit dem oftmals direkten Feedback kann ich mich stetig weiter verbessern. Ein Gespräch mit der Stammkundschaft mag ich, auch wenn der Zeitpunkt manchmal unpassend ist, z.B. wenn neue Ware angeliefert wird und ein Kunde unermüdlich über die Enkel schwärmt – was aber grundsätzlich sehr schön ist. 

Mein Ziel ist es, viele Weiterbildungen zu machen, damit ich schnell eine Führungsposition übernehmen kann. Nicht nur aus eigennützigen Gründen, sondern damit ich meinen Mitmenschen etwas für die Zukunft mitgeben kann. Vor allem die Jüngeren will ich unterstützen und von meinen eigenen Erfahrungen profitieren lassen. Ich weiss, wie schwierig es sein kann, jung zu sein, vielleicht arbeitslos, mit dem Rücken zur Wand, um Hilfe zu bitten. Ich hatte Glück: Man gab mir die Hand und kümmerte sich um mich. Dafür bin ich noch heute sehr dankbar. Diese Wertschätzung möchte ich zurückgeben. 

Über die Zukunft mache ich mir oftmals grosse Sorgen. Krieg, Inflation und Klimawandel. Das ist sehr beängstigend, vor allem in den ruhigen Momenten, wenn man in der allgegenwärtigen Alltagshektik den Gedanken freien Lauf lässt. Gerade letzten Sommer merkte ich, welchen körperlichen Belastungen wir ausgesetzt sind, wenn das Thermostat draussen auf über 30 Grad klettert. Manche Mitarbeitende erreichten ihr Limit und es wird wahrscheinlich noch heisser in den kommenden Jahren. Diese Ungewissheiten sind nicht einfach zu ertragen. Doch in anderen Momenten freue ich mich sehr auf die Zukunft. Ja, ich bin auch gespannt und zuversichtlich, wie sich die Dinge entwickeln werden. Wenn ich auch in den kommenden Jahren so glücklich und voller Tatendrang bin wie jetzt, dann wünsche ich mir nichts mehr.»

Alissia liebt Französisch in der Schule und Reiten in ihrer Freizeit.

Alissia liebt Französisch in der Schule und Reiten in ihrer Freizeit. (Foto: Florian Scheller)

Alissia Cantoro

Die Zukunft in einem Wort: Unerwartet

Alter: 11 Jahre

Beschäftigung: Schülerin in der Primarschule Sevogel

«Schule macht mir Spass, vor allem die Sprachen sind voll mein Ding. Am liebsten mag ich Französisch, das klingt so schön und rund. Neben der Schule geh ich einmal in der Woche reiten. Das mache ich hauptsächlich wegen der Pferde. Ihre unterschiedlichen Charaktere und Eigenschaften faszinieren mich. Beim Reiten habe ich auch einen meiner grössten Erfolge gehabt. Als ich vor ein paar Jahren einen riesen Schreckmoment auf einem Pferd hatte, stieg ich sofort wieder auf, denn ich wollte keine Angst bekommen.

Auch auf meinen Durchhaltewillen in der Schule bin ich stolz. Ich musste sehr viel lernen. Das war schwierig, doch ich blieb dran. Vor allem Mathe ist überhaupt nicht meine Stärke. Da hat sich auch viel Druck aufgebaut, so rechnete ich vor dem Einschlafen immer meine Noten aus, um zu wissen, ob ich durchkomme oder nicht. Der ganze Druck fiel dann aber jeden Freitag von mir, als ich eine Stunde reiten ging.

Darum ist mein Ziel auch, Hippotherapeutin (Heilpädagogische Therapie mit Pferden) zu werden. Wenn ich schon heute diesen Beruf ausüben könnte, wäre ich glücklich. Die Hotelfachschule ist meine zweite Option. 

Sorgen macht mir, dass es immer mehr Menschen auf der Welt gibt. Irgendwann hat es doch keinen Platz mehr. Und was machen wir dann? Doch insgesamt bin ich auf die Zukunft gespannt, denn man weiss nie, was kommt. Eines Tages im Restaurant von Robotern bedient zu werden, klingt ziemlich cool. Das möchte ich schon erleben. Und wenn ich wie meine Eltern leben kann, dann bin ich schon sehr zufrieden und glücklich. Man will sich gar nicht mehr wünschen.»

Ellen träumt von einer eigenen Familie

Ellen träumt von einer eigenen Familie (Foto: Florian Scheller)

Ellen Reichen

Die Zukunft in einem Wort: Überraschend

Alter: 14 Jahre

Beschäftigung: Schülerin in der Sekundarschule Spiegelfeld

«Die Welt wird immer chaotischer. Der Krieg in der Ukraine und der Klimawandel. Also vor allem Dinge, die nicht direkt mit mir zu tun haben. Das macht mir Sorgen, wenn ich in die Zukunft blicke. Als wir in der Schule über den Krieg sprachen und viele in meiner Klasse Angst hatten, dass sich dieser bis in die Schweiz ausweitet, sagte jemand, dass keine Haustiere im Bunker erlaubt sind. Falls das stimmt, finde ich das erschreckend. Denn meine Katze Rocky müsste auf jeden Fall mit. Ich habe aber das Gefühl, dass die Menschen aufmerksamer werden, was in der Welt passiert. Doch was alles passieren wird, ist schwer zu sagen. So viel kann sich ändern.

Neben der Schule gehe ich mehrmals in der Woche tanzen, so befreie ich meinen Kopf. Vor allem der Leistungsdruck in der Schule macht mir zu schaffen. Wenn es mir zu viel wird, sage ich mir, dass ich alles geben werde und wenn das nicht reicht, dann kann man auch nichts mehr machen.

Ich habe auch das Glück, dass ich zuhause keinen Leistungsdruck habe. Dafür bin ich sehr dankbar. Beim Tanzen lernte ich auch Durchhaltewillen. Es macht mich stolz, dass ich gelernt habe, dranzubleiben und nicht aufzugeben.

Ich glaube nicht, dass ich es in Zukunft schlechter haben werde als meine Eltern. Es wäre aber schlimm, keine Familie und Kinder zu haben oder einen Job, den ich nicht gerne mache. Ich bin aber zuversichtlich und freue mich auf die Zukunft, auf meine eigene Familie und mehr Selbständigkeit. Auch auf die Möglichkeit mitzugestalten, nicht politisch, sondern ganz direkt mit und für anderen Menschen.»

Kinderbüro Basel

Alissia und Ellen wurden uns durch das Kinderbüro Basel vermittelt. Beide schreiben für die Basler Kinderzeitung BebbiKids Berichte und sprachen sich im November 2022 im Grossen Rat für mehr Kinderrechte aus.

Celina findet viel Akzeptanz und Verständnis in den Sozialen Netzwerken.

Celina findet viel Akzeptanz und Verständnis in den Sozialen Netzwerken. (Foto: Florian Scheller)

Celina Reinau

Die Zukunft in einem Wort: Morgen

Alter: 18 Jahre

Beschäftigung: Schülerin im Gymnasium Bäumlihof 

«Gibt mir die Welt die Möglichkeit, meine Träume zu verwirklichen? Das frage ich mich, wenn ich an die Zukunft denke. Denn wenn das politische System nicht mehr so ist wie jetzt, dann bringen auch die schönsten Träume nichts mehr. Und genau bei diesem Thema sehe ich auch den grössten Handlungsbedarf in der Politik. Das Bildungssystem.

Das Ziel sollte sein, eine Gesellschaft zu formen, die gesund, gebildet und stabil ist, damit sie den extremen Einflüssen von aussen standhalten kann. Wie kann es sein, dass wir nur während zwei Jahre unserer gesamten Schulzeit politische und wirtschaftliche Themen behandeln? Wir lernen auch nicht, wie wir zu uns selbst schauen, Psychologie. Ganz abgesehen davon, dass wir uns nie frei entfalten können, einfach mal kreativ sein, ohne Regeln und einem Spielfeld. Frei. 

Als Ausgleich male ich neben der Schule abstrakte Kunst in meinem Atelier. Dort kann ich mich ausdrücken und mit meinen Händen arbeiten. Ich singe auch im Chor in der Schule. Bald ist Aufführung. Italienische Lieder. Und beim Jugendmagazin Quint bin ich Vizepräsidentin und Chefredakteurin. Aber das ist wieder mehr theoretische Arbeit. 

Aktuell ist mein Ziel, nächsten Sommer die Matura zu schaffen. Danach? Sehr gerne reisen, ein oder zwei Zwischenjahre. Das ist immer eine Frage des Geldes. Studieren ist grad kein Thema. Lieber arbeiten. Vielleicht aufs Land ziehen, auf einen Bauernhof, unabhängig vom Staat. In einer Kommune, dann ist egal, was das System macht. Ich denke oft daran, wie sich die Welt verändern wird. So wie in den letzten 100 Jahren geht es aber nicht weiter, gehemmt durch die verschiedenen Krisen (Klima und Krieg). Doch ich bin lieber zuversichtlich und sehe auch sehr viel Potenzial, dass es uns besser geht. Aber wer weiss schon, was alles passiert. 

Anders als in der Schule mit ständigem Leistungsdruck, bekomme ich auf Social Media sehr viel Akzeptanz und Rückhalt. Ich habe den ‹guten Algorithmus erwischt›. Dort höre ich, dass es gut ist, so wie ich es mache,. Ich darf stolz sein.

Insgesamt möchte ich mich in Zukunft besser kennenlernen, mich besser verstehen. Warum bin ich jetzt glücklich, warum enttäuscht? Wichtig ist mir, dass ich nicht nur theoretisch lerne oder arbeite. Ich will nicht theoretisch leben. Sondern das spüren, mit Händen anfassen, was mir das Leben bietet.»

Ob Endrit in Zukunft politisch aktiver wird, weiss er noch nicht. Vorstellen kann er es sich.

Ob Endrit in Zukunft politisch aktiver wird, weiss er noch nicht. Vorstellen kann er es sich. (Foto: Endrit Sadiku)

Endrit Sadiku

Die Zukunft in einem Wort: Zuversicht 

Alter: 27 Jahre

Beschäftigung: Masterstudent mit Schwerpunkt Soziale Innovation (FHNW)

«Ich bin ein optimistischer Mensch und sehe für die Zukunft das Glas als halb voll. Diese Eigenschaft hilft mir bei meiner Arbeit im Jugendzentrum Kleinhüningen bei der Jugendarbeit Basel (JuAr). Durch diese Tätigkeit kann ich mir vorstellen, später aktiver in der Politik zu wirken und jungen Menschen ein Gehör zu verschaffen. Hauptthemen sind für mich ein starker sozialer Zusammenhalt und die Weiterentwicklung des ÖV. 

Ich bin glücklich, dass Basel meine Heimat ist und ich hier leben darf. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg lernt man die hiesige Sicherheit, Freiheit und Stabilität besonders schätzen. So kann ich mein Master-Studium abschliessen und mich darauf fokussieren, was ich in meinem Leben erreichen möchte. Diese Fragen können sich Millionen von Menschen nicht stellen.

Sorgen für die Zukunft bereitet mir auch die Jahrhundertkrise Klimawandel. Ich glaube, es setzt ein schleichender Gewöhnungsprozess ein, was bei uns Menschen ein natürlicher Schutzmechanismus ist. Man lernt damit zu Leben. Das bedeutet aber auf keinen Fall, tatenlos die Entwicklungen und Ereignisse hinzunehmen. Es braucht Lösungen, die für alle Menschen sozialverträglich sind. 

Wir in der Schweiz sollten uns auch dringend über den wachsenden Leistungsdruck Gedanken machen. Ich stelle vor allem bei Jugendlichen fest, dass sie ihren Alltag und die Belastungen als sehr schwierig empfinden, Ängste und Konflikte verlagern sich in den digitalen Raum. Dort fehlen uns aktuell Mittel, um sie adäquat zu begleiten.

Ich blicke trotzdem mit Freude in die Zukunft. Die Herausforderungen dürfen uns nicht die Freude am Gestalten nehmen. Vieles von dem, was heute unbezwingbar erscheinen mag, kann mit der Zeit zu einem überwindbaren Stolperstein schrumpfen.»

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