Neue Heimat für die Jugendkultur

Durch die Schliessung des Sommercasinos entsteht ein Loch in der Basler Jugendkultur. JGB-Grossrat Laurin Hoppler will vom Regierungsrat wissen, wie diese gestopft wird. Der Heimat-Club bietet sich selbst als Lückenfüller an.

Sommercasino
Das Sommercasino muss nach 62 Jahren schliessen. (Quelle: Basel Tourismus)

Seit letzter Woche steht fest: Das Sommercasino (Soca) muss im September schliessen. Die Nachricht kam wenig überraschend – die strukturellen finanziellen Probleme des Trägervereins Junge Kultur Basel (JKB) haben sich schon länger abgezeichnet – und doch versetzte sie einen schmerzhaften Schlag ins Basler Kulturherz. So manche*r Basler*in verbindet nostalgische Erinnerungen und prägende Erlebnisse mit dem Soca. 

Mit dem Verlust des Kulturzentrums tut sich in der Basler Jugendkulturszene eine Lücke auf. Das erkennt auch der Verein JKB. In der Medienmitteilung zur Schliessung des Sommercasinos schreibt er: «Aus Sicht des Vereins muss zusammen mit den interessierten Kreisen geprüft werden, wo und in welcher Form Jugendkultur aktuell und bedarfsgerecht gefördert werden kann.» 

Ähnlich sieht dies Laurin Hoppler, Grossrat des jungen grünen Bündnisses (JGB) und Mitglied des Komitees Kulturstadt Jetzt. Für ihn war das Soca – wie für unzählige Basler*innen – der erste Club und der erste richtige Ausgang. «Es war toll, dass man auch in jungem Alter schon an einen Ort gehen konnte, um Musik zu hören und Partys zu feiern», erinnert er sich. 

«Es geht um die Wertschätzung gegenüber den jungen Menschen.»

Laurin Hoppler, JGB-Grossrat

Nun nimmt er die Regierung und Verwaltung in die Pflicht. Für Hoppler wirft das Soca-Aus die Frage auf, wieso die Staatsbeiträge an den Verein, welcher massgebend durch den Kanton finanziert wird, allzu knapp bemessen wurden. In einer Interpellation fordert er Antworten vom Regierungsrat. Konkret will er unter anderem wissen, welche Bedeutung der Regierungsrat dem jugendkulturellen Schaffen beimisst, welche Lehren er aus der Einstellung des Sommercasinos zieht und wie er das Wegfallen des Kulturzentrums für die Jugendlichen zu kompensieren gedenkt. 

Am Mittwoch wurde die Interpellation im Grossen Rat behandelt. Dort begründete Hoppler: «Es geht um die Wertschätzung gegenüber den jungen Menschen.» Der Regierungsrat wird die Interpellation schriftlich beantworten.

Laurin Hoppler
Für Laurin Hoppler war das Soca der erste Club. (Quelle: Daniel Faulhaber)

Der JGB-Grossrat zeigt sich gegenüber Bajour enttäuscht, dass er keine mündliche Antwort erhielt: «Eine Interpellation ist genau dafür da, schnell grundsätzliche Antworten zu aktuellen Themen zu bekommen.» Wenn es nach ihm geht, müsste die Lücke, die das Soca hinterlässt, so schnell wie möglich geschlossen werden. «Der Kanton steht in der Verantwortung, diesen Prozess aufzugleisen und zu fördern. Sozusagen den Rahmen zu bilden und auch die Finanzierung eines Jugendkulturzentrums zur Verfügung zu stellen.»

Wie das Jugendkulturzentrum der Zukunft aussehen könnte, kann Hoppler nicht sagen. «Vielleicht bin ich tatsächlich schon zu alt, um diese Frage zu beantworten», findet der 23-Jährige. Deshalb will er die Jugendlichen in die Ausgestaltung eines neuen Jugendkulturzentrums miteinbeziehen. Denn: «Sie wissen das am besten.» 

«Ich glaube nicht, dass das heutige Angebot die Lücke, welche durch die Schliessung des Soca entsteht, füllen kann.»

Laurin Hoppler, JGB-Grossrat

Wie ein solcher partizipativer Prozess aussehen soll? Aus Sicht von Laurin Hoppler umfasst er die direkte Einbindung von Jugendlichen zum Beispiel mit Umfragen zu den Bedürfnissen, Workshops und Diskussionen. «Zudem müssen die richtigen Jugendorganisationen miteinbezogen werden.» Die Expertise dafür liege bei den Sozialarbeitenden und den Expert*innen für solche soziokulturellen Prozesse.

Als möglicher Lückenfüller wird in Instagram-Kommentarspalten derzeit der Club Heimat ins Spiel gebracht. Unter einem Post von Kulturstadt Jetzt zu Hopplers Interpellation erwähnen ihn zahlreiche Instagram-Accounts. Auch die Heimat-Betreiber*innen selbst kommentieren unter dem Beitrag: «Es gibt Betriebe (wie die Heimat), die sehr stark die Aufgabe des Sommercasino wahrnehmen. Evtl. wäre da Support angesagt?» 

Auf Nachfrage* erläutert Geschäftsführer Olivier Mueller: «Nach der Schliessung des Barock-Clubs im Frühjahr 2024 und der nun bevorstehenden Schliessung des Socas bleibt in Basel als Jugendkulturhaus lediglich die Heimat.» Sie sähen sich jedoch keinesfalls als Nachfolger dieser Betriebe, ergänzt Mueller. «Die Heimat bietet insbesondere Jugendlichen, die im Soca keinen Platz gefunden hätten, eine Heimat.» Damit meint er sowohl Besucher*innen als auch junge Veranstalter*innen.

Heimat Basel Kommentar Instagram
Die Heimat bringt sich in einem Instagram-Kommentar selbst als Lückenfüller ins Spiel. (Quelle: Screenshot/Instagram)

Die Heimat konnte sich in der Basler Kulturszene etablieren, indem der Club nicht mit Grössen wie dem Nordstern oder dem Elysia zu konkurrieren versuchte, sondern sein eigenes Ding durchzog. Die Heimat setzt – ähnlich wie das Sommercasino – auf ein Programm, welches durch Events ab 16 Jahren auch die minderjährigen Clubbesucher*innen abholt. Ausserdem ist der Club ein wichtiger Bestandteil der Basler LGBTQIA+-Community. Jeden Samstag wird eine Party veranstaltet, die sich explizit an queere Menschen richtet. Doch auch die Heimat haderte in der jüngeren Vergangenheit mit den Finanzen und musste ihre Zahlungsfähigkeit vor Gericht beweisen.

Olivier Mueller bedauert, dass sein Club nicht auf dem Radar für Förderungen ist und dass bisher Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeit der Heimat von den zuständigen Stellen – beispielsweise der Abteilung Gleichstellung & Diversität oder der Abteilung Kultur – ausblieben. «Unsere große Hoffnung liegt nun auf den Früchten der Kulturstadt-Jetzt-Initiative beziehungsweise der Trinkgeld-Initiative, nämlich der Club-Förderung. Hier geht es für die Heimat erstmals um Programmförderung von maximal 40’000 Franken und Infrastruktur-Förderung für den Einbau einer Schallschleuse, auf die wir hoffen und angewiesen sind. Diese wären erste Förderbeiträge und in keiner Weise vergleichbar mit den Summen, die das Soca jährlich erhalten hat.»

Laurin Hoppler ist aber im Allgemeinen nicht der Ansicht, «dass das heutige Angebot die Lücke, welche durch die Schliessung des Soca entsteht, füllen kann». Ob der Kanton dies auch so sieht, zeigt sich erst, wenn die Interpellation vom Regierungsrat beantwortet wird. Zum Schluss seiner Begründung in der Sitzung am Mittwoch meinte Hoppler: «Ich bin gespannt auf die Antworten der Regierung zur Interpellation, aber noch viel mehr auf ihre Handlungen.»

Heimat
Der Club Heimat an der Erlenstrasse. (Quelle: Helena Krauser)

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* In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass der Club Heimat die Anfragen der Redaktion nicht beantwortet hat. In der Zwischenzeit hat der Club die Fragen beantwortet.

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