COVID-19-positiv: Da hilft nur noch Galgenhumor

Katrin wird positiv aufs Coronavirus getestet. Von den Ärzt*innen fühlt sie sich alleine gelassen. Wie meistert sie die Situation? Ein Kurzportrait aus der Isolation.

In dieser Reihe portraitieren wir Basler*innen, die sich in Quarantäne oder Isolation begeben mussten aufgrund von Kontakt mit positiv Getesteten oder positiver Diagnose auf Corona. Alle Angaben basieren auf Telefoninterviews. Alle Namen sind anonymisiert. Alle Personen haben sich über die von Bajour gegründete Facebook-Gruppe «Gärn Gschee Basel hilft» freiwillig gemeldet, um Einblicke in ihren aussergewöhnlichen Alltag zu geben.

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Katrins abgesperrte Stube. (Bild: Katrin)

Katrin* (Name geändert), 61 Jahre alt, will in ihr Wohnzimmer, aber kommt nicht durch. «QUARANTÄNE» steht in Grossbuchstaben auf einem Zettel im Türrahmen, befestigt an einem Absperrband. Daneben ein gezeichneter Totenkopf. Sie muss laut loslachen. Ihr Ehemann und Sohn nehmen sie immer mal wieder auf den Arm, speziell seit sie COVID-19-positiv getestet ist. Von allen dreien war sie die vorsichtigste im Haushalt. Zu anderen Menschen hatte sie sorgsam Distanz gehalten. Warum musste ausgerechnet sie in – wie sie es formuliert – «Iso»?

Es begann an einem Montagabend im Oktober. Katrin litt an stärkeren Gliederschmerzen. Ungewöhnlich. Ihr Sohn empfahl ihr direkt, sich testen zu lassen. Woraufhin sie am Folgetag zum Unispital in Basel ging. Am Mittwoch rief sie an und erfuhr das Resultat: positiv. «Es hat mich getroffen wie der Schlag!», fährt es aus ihr heraus. Sie sei hundertprozentig sicher gewesen, dass der Test negativ ausfallen würde. 

Sie rief den Ehemann an und brachte ihn auf den neuesten Stand, sodass der sich sofort testen liesse: negativ. Genauso der Sohn. Das heisst: Katrin kommt in Isolation in ihre eigene Etage im gemeinsamen Reihenhaus in Binningen. Die beiden Männer bleiben ebenfalls daheim, teilen den Rest des Hauses unter sich auf und unterstützen Katrin.

Und bringen sie zum lachen. Manchmal, wenn sie die Treppe hoch in ihr Zimmer geht, rezitiert ihr Sohn unten das «Vater Unser» als Segensspruch für die ach so kranke Dame. Beide können darüber lachen. Sie seien halt eine Sprücheklopfer-Familie, sagt Katrin. Galgenhumor, um mit der Diagnose klarzukommen. Trotzdem hat sie diese Zeit in Isolation äusserst nachdenklich gestimmt.

«Du fühlst dich vergiftet. Du denkst, dass du jetzt eine von den Bösen bist.»

Katrin hat die Berichterstattung über die Ausbreitung des Virus’ stets aufmerksam mitverfolgt, sowohl im Fernsehen als auch in der Presse. Doch was sie im Kontakt mit dem kantonsärztlichen Dienst merkte: Die Art, wie über Corona berichtet wird, unterscheidet sich stark vom Auftreten der Ärzt*innen. «Das geht nicht auf: Einerseits hast du die Horrormeldungen in den Medien und andererseits hast du Ärzte, die beschwichtigen. Da fragt man sich: Worum geht's eigentlich? Die Unsicherheit in einem steigt.» Von der kantonsärztlichen Betreuung sei sie ganz klar enttäuscht. Sie wünscht sich ein effektiveres und  sorgfältigeres Contact Tracing – und einen besseren Informationsfluss. Kein Wunder: Der floss bei ihr nicht gerade geschmeidig.

Ewig warten auf Info? Nicht mit uns!

Katrin hatte am Donnerstag den Positiv-Bescheid schriftlich per Mail vom Contact-Tracing-Team des Kantons Baselland bekommen. Inklusive Hinweis, sie würde zwecks weiteren Vorgehens rasch telefonisch kontaktiert und sie solle für zehn Tage isoliert bleiben. Brav wartete sie bis am Montag auf einen Anruf, bis es ihr zu blöd wurde. Das Warten hatte etwas Zermürbendes, sie wollte wissen, was sie jetzt noch tun konnte.

«Wenn du immer denkst, dass du kontaktiert wirst … und dann kommt nichts.»

Also schrieb Katrin am Montagmorgen ein Mail an die Contact-Tracing-Stelle. Einige Stunden später klingelte ihr Telefon und sie wurde regelrecht angefahren: «Was wollen Sie überhaupt? Wissen Sie, wie viele Zahlen wir haben?» – «Ja, Entschuldigung, ich bin eine dieser Zahlen!» Daraufhin beschwichtigte sie die Verantwortliche, dass schon alles in Ordnung sei.

Zu den Vorwürfen äussert sich auf Nachfrage* Rolf Wirz vom Kanton Baselland. «Das sollte natürlich nicht sein, dass man angefahren wird von unseren Leuten», sagt Wirz. Es gebe jedoch eine grosse Menge von Fällen, allein in Baselland befänden sich 1353 Personen in Isolation. Dazu kämen noch diejenigen in Quarantäne. «Da gibt es tatsächlich Stau und längere Wartezeiten. Die Nerven unserer zwanzig Mitarbeitenden, die sich um Isolierte kümmern, auch während Randzeiten, werden daher stark beansprucht.»

Auch von ihrem Hausarzt ist Katrin enttäuscht. Mehrmals wurde sie am Telefon nur knapp vertröstet, dass alles in Ordnung sei und sie einen späteren Termin abmachen solle. Erst der kantonsärtzliche Dienst Basel-Stadt wies sie schliesslich auf die Covid-Care-App beider Basel hin. Die sie dann auch sofort installierte. Ihr ist wichtig, etwas zur Verbesserung der Situation beitragen zu können.

Weitere ärztliche Betreuung seitens Baselland hat Katrin seit ihrer Diagnose nicht in Anspruch genommen. Sie leidet immer noch an einem leichten Husten und bleibt deshalb daheim – obwohl die Zehn-Tage-Frist bereits abgelaufen ist. Eigenständig kommt sie insgesamt gut zurecht, sie hat einen milden Verlauf hinter sich und braucht keine weitere Betreuung mehr. Auch nicht emotional. «Ich bin ein ziemliches Stehaufmännchen. Ich kann was Gutes aus einer verschissenen Situation machen. Das ist eines meiner Talente», sagt sie selbstbewusst. Die Zeit in Isolation sei schnell vorübergegangen. Nun blickt sie nach vorn – beziehungsweise auf den rot strahlenden Ahornbaum im Garten: «Der erfreut mein Herz – ob in Iso oder nicht!»

* Die Stellungnahme von Rolf Wirz haben wir am 5. November 2020 ergänzt.

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Der Ahornbaum in Katrins Garten. (Bild: Katrin)

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