Das Immunsystem ist aus der Übung

Zu viel Maske wäre schlecht fürs Immunsystem, hiess es bei der Diskussion zur «Frage des Tages». Die stellvertretende Kantonsärztin und ein Infektionsimmunologe bestätigen, dass wir unsere körpereigene Abwehr wieder stärken müssen. Doch: Die Maske kann sinnvoll bleiben.

Maske Corona FFP2
To mask or not to mask? Das ist hier die Frage. (Bild: Pixabay/cromaconceptovisual)

Es ist kalt geworden. Wir freuen uns, wenn wir aus der eisigen Kälte ins warme Drämmli steigen können. Doch aus allen Ecken ertönt ein Husten oder ein Schniefen. Wir erinnern uns: Da war ja was. Und fragen uns: Müssen wir jetzt wieder eine Maske tragen im öV? Um uns vor nerviger Erkältung (oder dem dritten Mal Covid) zu schützen? Oder um Rücksicht auf Risikogruppen zu nehmen?

Das wollten wir als «Frage des Tages» wissen. Schnell haben wir gemerkt: Das Thema Masketragen bewegt noch immer und die Meinungen gehen stark auseinander. Weniger als die Hälfte der Abstimmenden wünschte sich die Maskenpflicht zurück, 30 Prozent plädierten auf Eigenverantwortung und rund 20 Prozent wollten von Corona gar nichts mehr wissen.

2022-12-02 Teaser Break-1
Frage des Tages

Lies hier die Diskussion nach zum Thema: «Müssen wir im Drämmli wieder Maske tragen?»

Zu den Antworten

Sehr oft wurde von Kommentator*innen erwähnt, dass das ständige Masketragen ja auch nicht förderlich für ein gesundes Immunsystem sein könne.

Screenshot Frage des Tages Immunsystem
Ein gutes Immunsystem muss mit Viren in Kontakt kommen, hiess es von vielen Kommentator*innen.
«Das Immunsystem braucht seine ‹kleinen› Challenges, um fit und auf dem neusten Stand zu bleiben. Ich bin kein Arzt oder Mediziner, aber ich stelle es mir schon ein wenig wie ein ‹Anti-Virus-Programm› auf dem Computer vor, das Updates braucht, um die neusten und aktuellen Bedrohungen zu erkennen und zu beseitigen.»
Kommentar von Leser Stefan zur «Frage des Tages»

Wir wollten das überprüfen. Also haben wir bei der stellvertretenden Kantonsärztin Eva Würfel nachgefragt, ob das stimmen kann: Schadet es unserem Immunsystem, wenn wir andauernd Maske tragen?

Sie erklärt zunächst, wie unser menschliches Immunsystem funktioniert. Wir werden mit einer immunologischen «Grundausstattung» geboren, dem sogenannten angeborenen Immunsystem. Daneben gibt es die erworbene oder adaptive Immunantwort, die beim Baby noch nicht gut entwickelt ist, sondern sich im Leben stetig weiterentwickelt.

«Jede Infektion und jede Impfung, die der Körper durchmacht, sind ein Training für die adaptive Immunantwort», erklärt die Ärztin. Grundsätzlich ist es also richtig, dass unser Immunsystem Übung benötigt, um Bakterien und Viren gut abwehren zu können. Die Immunantwort wird stetig besser, «vergisst» aber auch teilweise wieder, wenn die letzte Impfung oder Infektion länger zurückliegt. Das ist je nach Krankheit ganz unterschiedlich.

Eva Würfel Stellvertretende Kantonsärztin Basel-Stadt
«Die Covid-Schutzmassnahmen – und zwar alle, auch Händewaschen, Abstandhalten, nicht nur das Masketragen – haben dazu geführt, dass viele Menschen in den letzten zwei Jahren nicht mit so vielen verschiedenen Krankheitserregern in Kontakt gekommen sind. Dadurch ist tatsächlich teils ‹die Übung etwas verloren gegangen›.»

– Eva Würfel, stellvertretende Kantonsärztin Basel-Stadt

Das betrifft laut Würfel vor allem «banale, wiederkehrende Erkältungsviren», denn diese hinterlassen keine längeres Immungedächtnis im Körper. Die Beobachtung von Leserin Tosca, dass Kinder momentan häufiger und stärker krank werden, sei in diesem Zusammenhang richtig: Infektionskrankheiten wie RSV treten aktuell stärker beziehungsweise früher im Jahr als sonst üblich auf. Das Kinderspital Basel war jüngst zur Hälfte mit RSV-Patient*innen gefüllt.

Soll man nun also keine Maske tragen, um sein Immunsystem «auf Trab» zu halten?

Eine generell Empfehlung gegen das Masketragen könne man daraus nicht ableiten, warnt die stellvertretende Kantonsärztin. Gerade Personen mit erhöhtem Risiko für schwerwiegende Verläufe bei einer Covid-Infektion seien auch weiterhin gut beraten, sich in diesem Winter mit Maske zu schützen.

Dem pflichtet auch Christoph Berger bei, Infektionsimmunologe am Universitätsspital Basel: Die Maske sei während einer Pandemie ein hocheffizienter Schutz, um Ansteckungen und folglich schwere Krankheitsfälle zu verhindern. Aber: Befinden wir uns überhaupt noch mitten in einer Pandemie? Der Chef der Ständigen Impfkommission in Deutschland, Thomas Mertens, spricht bereits von einer Endemie, Deutschlands Topvirologe Christian Drosten sieht das «Ende der Pandemie» am Horizont. Das BAG geht davon aus, dass Corona derzeit auf dem Weg in die «endemische Phase» sei.

Christoph Berger, Unispital Basel
«Ausserhalb einer Pandemie kann die fehlende Auseinandersetzung mit respiratorischen Viren dazu führen, dass unser Immunsystem nicht mehr gut trainiert ist. Bei einer Ansteckung kann eine Infektion dann stärkere Symptome machen.»

– Christoph Berger, Infektionsimmunologe Unispital Basel

Gerade bei der Ausreifung eines Immunsystems bei Kindern und Jugendliche sei die Auseinandersetzung mit der Umwelt wichtig. «Bei Kindern macht andauerndes Maskentragen nur Sinn, wenn man eine massive Ausbreitung eines Virus' verhindern will, das Kind strak immungeschwächt ist oder wenn es ein Virus ist, das Kinder schwer krank macht», so Berger.

Fakt ist: Das BAG schreibt aktuell kein Tragen von Schutzmasken vor. Wer möchte, kann aber weiterhin eine Maske tragen. Der Ball liegt mal wieder im Feld «Eigenverantwortung».

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Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitk. Way too many Anglizismen.

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