Moria brennt – was tut Basel?
Basel-Stadt zeigt sich schon früher bereit, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen. Der Bund reagiert nicht auf das Angebot. Eine Standesinitiative versucht, Druck zu machen.
Es war eine kleine, aber lautstarke Gruppe, die sich gestern Mittwochabend spontan auf dem Marktplatz versammelt hat. Die Basler*innen demonstrierten für die Aufnahme der Geflüchteten aus dem Lager in Moria. «Sagt es laut, sagt es deutlich, Geflüchtete sind hier willkommen», skandierten sie. Videos davon kursierten in den sozialen Netzwerken. Dort kursierten seit Dienstagnacht auch die Videos und Fotos, die das Ausmass des Infernos auf der Griechischen Insel Lesbos zeigen. Ein Katastrophe mit Ansage. Asylorganisationen, Flüchtlingshelfer, NGO’s machen seit Monaten auf die humanitäre Notlage aufmerksam. Das Lager war mit über 12’000 Menschen komplett überfüllt, konzipiert war es für 3000. Zuletzt hatten die Spannungen nochmals zugenommen, nachdem sich Bewohner*innen mit dem Corona-Virus infiziert hatten und die griechischen Behörden Moria unter Quarantäne stellten, wie etwa das «SRF» berichtete.
Dass sich die Mahnwache für Moria am vor dem Basler Rathaus versammelte, war kein Zufall. Die Leute forderten ein Handeln der lokalen Politik.
Aber was kann Basel von hier aus schon machen?
Einiges offenbar. Zumindest, wenn es nach BastA!-Politikerin Tonja Zürcher geht, die sich im grossen Rat immer wieder für asylpolitische Anliegen stark macht. Sie sagt zwar: «Basler Behörden können nicht so einfach nach Griechenland telefonieren und sagen, wir nehmen Geflüchtete auf». Denn: «Die Koordination läuft über den Bund und das Bundesamt für Migration.» Aber Basel-Stadt habe mehrfach signalisiert, dass der Kanton bereit sei, mehr Geflüchtete aufzunehmen.
Rudolf Illes, Amtsleiter des Basler Departements für Wirtschaft, Soziales und Umwelt, sagt auf Anfrage, man könnte theoretisch eine gewisse Anzahl Personen innert weniger Wochen und ohne strukturelle Umstellungen problemlos aufnehmen. «Die Lage im Asylbereich ist ansonsten ruhig, wir haben generell wenig Zuweisungen.» Aber: «Der Bundesrat ist bislang leider nicht auf dieses Angebot eingetreten», sagt Illes.
Dabei wären auch andere Kantone bereit, zu helfen. Im Juni haben sich die acht grössten Schweizer Städte öffentlich bereit erklärt, mehr Geflüchtete aufzunehmen. Doch der Bund reagierte zurückhaltend. In einem Bericht der Republik spielt der Mediensprecher des Staatssekretariats für Migration den Ball an die Kantone zurück und sagt:
«Die Voraussetzungen für die Aufnahme zusätzlicher Personen sind derzeit nicht gegeben, und eine solche Aufnahme könnte nur in Absprache mit den Kantonen erfolgen.»
Linke Basler Politiker haben offenbar genug von diesem Pingpong. Bereits im April haben die Grossräte Oliver Bolliger (Grünes Bündnis) und Bela Baumgartner (SP) im Basler Parlament einen Antrag auf eine Standesinitiative betreffend «Aufnahme von Menschen aus Griechenland und Auslastung der Asylzentren» eingereicht.
Sie wollen, «dass Menschen auf den griechischen Inseln in der Schweiz Schutz geboten wird, damit ihnen hier ein ordentliches Asylverfahren gewährleistet werden kann. Das Bundesparlament soll den Bundesrat zudem beauftragen, die Kapazitäten der Bundesasylzentren, sowie der kantonalen Asylzentren vollständig auszulasten. Der Bundesrat soll zusätzlich andere Staaten in Europa auffordern, es ihm gleichzutun.»
- Standesinitiative: Jeder Kanton kann mit einer Standesinitiative vorschlagen, dass eine Kommission einen Entwurf für einen Erlass der Bundesversammlung ausarbeitet. Die Standesinitiative muss begründet werden, und die Begründung muss insbesondere die Zielsetzungen des Erlasses enthalten.
«Was in Griechenland passiert, ist eine humanitäre Katastrophe», sagt Bolliger am Telefon, «aber leider diskutieren wir seit April über alles mögliche im Grossen Rat. An Europas Aussengrenzen sterben Menschen.»
Der Vorstoss wartet immer noch auf den hinteren Rängen der Traktdantenliste auf eine Behandlung. Der Dringlichkeitsantrag wurde vom Grossen Rat im Frühjahr mehrheitlich abgelehnt. Bolliger will jetzt abklären, ob der Antrag in der Grossratssitzung vom kommenden Mittwoch nicht doch nochmals vorgezogen werden könnte.
Was sagen die Bürgerlichen dazu?
Michael Koechlin von der LDP wird einem allfälligen Antrag nicht zustimmen. Zwar hat auch er Mitgefühl mit den Geflüchteten:
«Es ist eine absolute Katastrophe was in Griechenland und in Moria passiert, die Flüchtlingspolitik der EU greift seit Jahren nicht.» Doch die Standesinitiative sei das falsche Instrument. Koechlin sieht einen anderen Weg: «Die Basler Linke hat doch auch Bundespolitiker in Bern. Lieber sollen sie dort Druck ausüben als mittels Kantonsparlament, das in dieser Frage nicht legitimiert ist.» Es gebe andere Wege, Soforthilfe zu leisten, sagt Koechlin. Materielle oder finanzielle Soforthilfe in Moria zum Beispiel. «Das würde ich begrüssen.»
Sibel Arslan, BastA!-Nationalrätin (Grünes Bündnis) hat am Donnerstagnachmittag auf Twitter «ihren Kanton» Basel-Stadt dazu aufgefordert, Flüchtlinge aufzunehmen. Parallel dazu stellte sie im Nationalrat die Anfrage, ob der Bundesrat bereit sei aus dem Flüchtlingscamp Moria ein neues Kontingent von Flüchtlingen aufzunehmen «zumindest im Umfang der Aufnahme-Zusicherung der Schweizer Städte».
Und sonst?
BastA-Grossrätin Tonja Zürcher sieht zusätzlich die Regierung in der Verantwortung: «Die Regierung könnte einen öffentlichen Brief an den Bund schreiben und sie zum Handeln auffordern.» In Bern ist das bereits passiert. Franziska Teuscher, Mitglied der Berner Regierung sagte gegenüber «SRF»: «Im Moment brennt es in Lesbos. Und wenn ein Haus brennt, muss man die Leute evakuieren, schauen, wo man sie unterbringen kann. Schauen was sie zu essen kriegen.»
Auch Zürich reagiert und fordert in einer offiziellen Mitteilung des Sozialdepartements «umgehend eine nationale Konferenz zur Direktaufnahme Geflüchteter». Die Zürcher Kirchensynode veröffentlichte einen dringenden Appell zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria. Man suche nach geeigneten Unterkünften in kirchlichen Gebäuden.
Auf Twitter hat die Satirikerin Patti Basler eine Umfrage lanciert, das rege diskutiert wird und zu zahlreichen ähnlichen Posts in den Sozialen Medien geführt hat:
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- Kontext: Die Republik berichtet, wie Zürich, Bern und Basel wollen die EU-Grenzstaaten entlasten wollen. Doch das Staatssekretariat für Migration blockt ab. «Schweizer Städte wollen mehr Bootsflüchtlinge aufnehmen – und dürfen nicht».
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Die WoZ kommentiert das zurückhaltende Handeln auf Bundesebene: «Brandstifter in Brüssel und Bern.»