«Wichtig ist: Arsch zuerst»

Erstmals dürfen auch Erwachsene beim Arschbomben-Contest im Gartenbad Reinach mitmachen. Dank der deutschen Kunstturnfamilie Rüsch wird der Event zu einer Akrobatik-Vorführung. Bajour hat sie nach Tipps für Arschbomben-Anfänger*innen gefragt.

Arschbomben-Contest Reinach
Beim Arschbomben-Contest in Reinach ist die beste Fontäne gesucht. (Bild: David Rutschmann)

Wenn Schwimmbäder Königreiche wären, dann wäre der Sprungturm ihr Stein aus dem das Schwert Excalibur gezogen werden muss: Hier werden die König*innen des Beckenrandes bestimmt – und auch wieder entthront. Hier können sich Aussenseiter*innen Respekt verdienen und übermütige Möchtegern-Alphas den ihren verlieren.

Man kann das kindisch finden. Kann sich stören, wenn die Rowdys das eigene gemütliche Bahnenziehen mit ihren fontänenreichen Sprungeskapaden unterbrechen. «Bis sich einer wehmacht», kann man dann angesäuert sagen. Und Monarchien kann man sowieso für ausgediente Konstrukte einer hyperpatriarchalen Vergangenheit halten.

Oder man macht halt einen offiziellen Arschbomben-Contest. So wie  das Gartenbad Reinach seit Jahren. Das Jugendhaus Palais Noir hat das sowieso stattfindende Kräftemessen der örtlichen Schwimmbad-Gänger*innen institutionalisiert und belohnt die besten Arschbomben mit Preisen.

Arschbomben-Contest Reinach Trophäe
Für den 1. Platz kriegt man zusätzlich zu dieser schicken Trophäe einen Jahreseintritt ins Gartenbad Reinach. (Bild: David Rutschmann)

Über die Jahre gab es immer wieder Forderungen, den Wettbewerb auch für Erwachsene zu öffnen. Die diesjährige Ausgabe kommt dem erstmals nach. «Endlich» heisst es sogar in der Medienmitteilung der Gemeinde Reinach. 

Und man möchte sich anschliessen: Endlich! Man darf eine gewisse Ernsthaftigkeit erwarten, vielleicht sogar Verbissenheit. Das ist kein Grümpeli mehr, das ist Champions League. Werden die Bewertungen angefochten? Braucht es gar einen VAR? Doping-Tests?

Um kurz vor 19 Uhr am Sprungbecken des Gartenbads Reinach trifft man dann auf neun Teilnehmer*innen, die sich der Challenge stellen. Die Kategorie wurde kurzfristig zu «16+» umgemünzt, weil der Andrang der Erwachsenen dann doch nicht so gross war wie erwartet. 

Doch ernst genommen wird das ganze dennoch von allen Beteiligten. Bewertet werden die Darbietungen nach Sprung, Flug, Landung sowie Gesamteindruck auf einer Skala von 1 bis 6, dafür gibt es je ein Jurymitglied. Die Springer*innen werden zweimal antreten: Einmal mit einer Arschbombe – also mit dem Ziel, eine möglichst krasse Fontäne zu kreieren – und dann Freestyle. Wer in beiden Sprüngen die meisten Punkte macht, gewinnt.

Auf der Suche nach der perfekten Bombe

Und schon geht es los. Kategorie 1: Arschbomben. Nach und nach sieht man die Körper ins Wasser fliegen, fallen, stürzen. Manche springen rückwärts vom 5er, andere probieren es vom 3er, um sich noch vom Sprungbrett abfedern zu können. Manche nehmen Anlauf und springen dann, andere nehmen sich ihre Zeit und machen den Sprung von der Kante ins Wasser aus dem Stand.

«Was, nur ‘ne 4?», beschwert sich Jugendhausleiter Sami Scharowski beim Beckenausstieg. «Es wird nicht mit der Jury diskutiert», ermahnt die Moderatorin. Aber tatsächlich ist die Jury verhältnismässig streng, was die dargebotenen Arschbomben anbelangt. Die bombastische Fontäne bleibt aus und konsequenterweise gibt es auch kein «6 across the boards».

Glanzleistungen gibt es dann dafür direkt darauf in der Freestyle-Kategorie. Samira schlägt ein Rad, bevor sie rückwärts ins Wasser springt. Lorin macht einen Salto in der Luft und taucht mit einem cleanen Köpfer ein. Die Moderatorin kommt gar nicht hinterher damit, die Sprünge korrekt zu beschreiben. Auf den «Schraube-Dreh-Doppel-Doppel» folgt «Ich weiss auch nicht, wie das heisst». 

Am Ende gibt es sogar noch eine Punktgleichheit auf dem 2. Platz, weshalb Levi und Lorin nochmal einen Sprung machen müssen. Elfmeterschiessen! Das sind ja Verhältnisse wie bei der Frauen-EM. Entsprechend heftig angefeuert werden die Springer auch vom Publikum.

Den ersten Platz sichert sich aber Mathis mit dieser Akrobatik:

Ich will vom Meister lernen und passe ihn am Kiosk ab, wo alle Teilnehmer*innen ein Glace vom Palais Noir spendiert erhalten. Er entpuppt sich wie fast die Hälfte der Teilnehmer*innen als Teil einer Kunstturnfamilie aus dem deutschen Inzlingen (neben Riehen): Coach und Vater Samuel Rüsch arbeitet in Reinach und wurde so aufmerksam auf den Wettbewerb. Also hat er sein Team – seine drei Söhne Mathis, Elias und Levi sowie ihr Turnkollege Finjas Glatzel – mitgebracht.

Und man merkt schnell: Diese Familie meint es ernst mit den Arschbomben. Vater Samuel hat von klein auf mit seinen Kindern springen geübt. «Einer ist vorausgesprungen und die anderen mussten es nachmachen. Mittlerweile kann ich nicht mehr nachmachen, wie sie springen», sagt er und lacht.

Finjas Glatzel, Elias, Levi, Mathis und Samuel Rüsch Arschbomben-Contest Reinach
Die Schwarze-Badehosen-Boys: Finjas Glatzel und Elias, Levi, Mathis sowie Samuel Rüsch. (Bild: David Rutschmann)

Hier sind vier Tipps von den Rüschs für Arschbomben-Anfänger*innen:

  1. Körper abhärten im Neoprenanzug Das klingt schmerzhaft, aber die Körperspannung ist ein entscheidender Faktor fürs Springen. Hinter den krassen Sprüngen stecken viele Lernsprünge, bei denen Beine und Bauch auf der Wasseroberfläche aufschlagen. Wenn man sich abhärtet, dann tut man sich bei den Sprüngen nicht mehr weh, die daneben gehen und wo man nicht perfekt aufkommt. «Nach ein paar Sprüngen kühlt eigentlich der Körper runter, das kann dann stärker weh tun», sagt Samuel Rüsch. Sein Profitipp, wenn’s doch weh tut: Neoprenanzug tragen und damit den Körper besser temperiert – damit tut fast nichts mehr weh.
  2. Nicht vom 5er verführen lassen Man würde denken, dass der 5er für akrobatische Sprünge am besten geeignet ist für krasse Sprünge: Man ist am weitesten oben, also hat man am meisten Zeit in der Luft für Drehungen, Schrauben, Salti. Doch oftmals hat der 5er kein Sprungbrett und ist einfach nur ein Sprungturm, so auch in Reinach. Und beim Sprungbrett kommt man eben durch die trampolinige Abfederung höher und hat mehr Zeit in der Luft für Rotationen. Elias erklärt: «Am meisten Übung braucht das Finden vom richtigen Rhythmus: Man darf erst abspringen, wenn das Brett wieder hochfedert.»
  3. Wasseroberfläche auflockern Wenn man auf dem Sprungturm steht und nach unten blickt, kann man die Wasseroberfläche nicht erkennen, man sieht nur den blauen Beckenboden. Die Wasseroberfläche muss man aber abschätzen können, wenn man einen guten Sprung machen will. Die Rüschs kauerten beim Contest bei jedem Sprung am Beckenrand und machten mit den Händen kleine Wellen – so brachten sie die Wasseroberfläche in Bewegung, damit man sie vom Sprungturm aus sehen und sicher springen kann.
  4. Arsch zuerst Eine Arschbombe soll eine möglichst explosive Fontäne kreieren. Wie macht man die Schaulustigen am Beckenrand also am meisten nass? Elias verweist auf einen Tagesschau-Beitrag, der sich diesem Phänomen widmet: «Wichtig ist: Arsch zuerst.» Der Hintern muss zuerst im Wasser aufkommen, damit man mit dem Körper möglichst viel Wasser verdrängen kann. «Das würde ich nicht sagen», widerspricht ihm sein Vater Samuel. Einig sind sie sich, dass die Fontäne höher wird, wenn man beim Eintauchen unter Wasser ein Vakuum kreiert und noch mehr Wasser verdrängt.

Kompliziert? Äusserst! Es ist eine richtige Wissenschaft, wie der Tagesschau-Beitrag zeigt. Und die perfekte Technik ist auch verdammt schwierig. Für Anfänger*innen eignet sich dann auch der «Anker», wie Hugo ihn vorführt. Der ist eigentlich immer effektiv:

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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