Feierabend

Bild Jule

Im Spiegel vor mir sehe ich ein kleines Häufchen Elend. Gedankenverloren sitze ich auf dem Boden und starre in mein leeres Gesicht. Wenn ich mich in Gedanken reinsteigere, die so laut zu sein scheinen, dass ich sonst kaum noch etwas höre. Wenn ich für einen Moment nichts denken will, nur aus meinem Zimmer raus muss, in dem ich mich gefangen mit mir selbst fühle, dann schnappe ich mir meine Kopfhörer, eine Sonnenbrille und meine Kamera, eile hastig die 5 Stockwerke unseres Hauses hinab und schwinge mich auf mein Rad.

Schüler*innentexte

Was gibt es im Winter Schöneres, als sich auf wärmende Sonnenstrahlen aus dem Sommer zu besinnen und an seine eigene Jugend zu denken?! Sieben Schüler*innen des Gymnasiums am Münsterplatz, alle um die 18 Jahre alt, haben im Sommer kurze, kreative Texte zum Thema «Verweilen in Basel» geschrieben. 

Dafür haben sie öffentlich zugängliche Plätze in Basel aus Ihren Augen und anhand Ihrer Sinne, Gedanken und Erinnerungen beschrieben. Sie verpacken die Plätze kreativ in Sprache und nehmen die Leser*innen mit in ihre Leben, ihre Sorgen und Wünsche. 

Das Ergebnis ist ein Blick in die Gefühlswelt und die Realität vieler Jugendliche. Gern veröffentlichen wir bei Bajour die Texte.

zu allen Texten

Es ist später Nachmittag oder früher Abend, die Sonne scheint, man verspürt den Feierabend. In der Ferne höre ich Gelächter und Musik. Es hängt ein wohlschmeckender Geruch von Essen in der Luft. Auch mein Kopf braucht Feierabend und so strample ich über die Brücke, durch die kleinen Strassen, bis ich am Rand der Langen Erlen angekommen bin. Ich setze mir die Kopfhörer auf die Ohren, schalte Musik an und fahre eine Weile durch den Wald.

«Beautiful things are here with us all of the time. Like the leaves in the breeze, or maybe the clouds in the sky. The smell of the flowers bloomin'. To think we're only human is enough to put all our problems aside.»

Auf meinem Weg begegne ich anderen Leuten. Menschen nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause, Kinder, Familien, Menschen mit Hunden. Ich komme vorbei an Leuten, die auf der Wiese liegen und Gruppen, die ein Feuer entzünden, um zu grillieren. Ich lass meinen Lenker los, und strecke meine Hände aus. Spüre den Wind in meinen Haaren, spüre meine Beine in die Pedale treten, spüre die Sonne auf meiner Haut, die durch das Blätterdach der Bäume glitzert und rieche die Luft. Jetzt ist Feierabend, in denke an nichts, es ist das dumpfe Fahren, das dumpfe Sein.

Ich fahre an einem Bach vorbei. Bremse, steige ab und packe meine Kamera aus. Durch meine Linse sehe ich das Wasser plätschern, sehe Sonnenblumen in der Wiese stehen, sehe Kühe grasen. Und so fahre ich, mein Umfeld bewundernd durch den Wald. Mein Blick wandert in der Gegend umher. Ab und zu wenn etwas meine Aufmerksamkeit erregt, bleibe ich stehen, um ein Foto zu schiessen.

Nach einiger Zeit komme ich an meinem Stammplatz vorbei. Ich stelle mein Fahrrad ab und setze mich auf die Bank. Vor mir ein Feld mit Gräsern hinter mir ein kleiner Teich auf dem sich der Himmel, die vereinzelten Wolken und die Sonne spiegeln, manchmal hört man einen Frosch quaken. Und so sitze ich im Schneidersitz auf der Bank und schaue mir die Fotos an, die ich auf meinem Weg geschossen habe. Ich geniesse die Stille, geniesse das Gefühl fernab von allem zu sein. Manchmal streicht ein Windstoss an mir vorbei. Wenn es anfängt zu dämmern, begebe ich mich auf die Rückfahrt. Auf dem Weg zurück kommt wieder alles näher. Aber das ist in Ordnung.

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