Der Kampf um die Betreuungsplätze

In zwei Monaten beginnen die sechswöchigen Sommerferien und neben aller Vorfreude stellt sich für berufstätige Eltern die Frage: Wer betreut die Kinder? Der Kanton hält Angebote bereit, die allerdings selbst organisationsfreudige Eltern vor Herausforderungen stellen.

Kinder spielen
Viele Eltern sind auf der Suche nach Betreuungsangeboten während der Sommerferien. (Quelle: Pixabay)

Die Vorfreude auf die langen Sommerferien ist bei den meisten Kindern gross. Ab dem 29. Juni heisst es: sechs Wochen ohne Unterricht, Hausaufgaben und Tests. Für die Kleinen Erholung, für viele Eltern die stressigste Zeit im Jahr. Denn der Traum von entspannten Sommerferien ist für berufstätige Eltern bei einem Blick in den Kalender schnell ausgeträumt. Selbst wenn sie sich erlauben können, im Sommer drei Wochen Ferien zu nehmen, gilt es, die drei weiteren schulfreien Wochen so zu organisieren, dass die Kinder nicht nur betreut werden, sondern im besten Fall auch noch erfüllende Ferien verbringen. 

Für Kinder, die Kindergarten und Primarschule im Kanton Basel-Stadt besuchen, gibt es während der Schulferien verschiedene betreute Angebote. Das System ist recht ausgeklügelt und auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehen: So gibt es drei verschiedene Möglichkeiten, aus denen die Eltern wählen können: Tagesferien, Sportlager und Ferienbetreuung an Schulen. Je nach Angebot können Kinder wochenweise oder tageweise angemeldet werden.

Die Anmeldefrist beginnt

Die Tagesferien werden von verschiedenen Anbieter*innen an rund 20 Standorten in Basel während der gesamten Ferien von 8-18 Uhr angeboten. Eine Übersicht finden interessierte Eltern auf der Website des Kantons, auf der alle Organisationen wie zum Beispiel die Robi-Spiel-Aktionen oder der Kindertreffpunkt zum Burzelbaum aufgeführt sind. Die Anmeldung findet direkt bei den Veranstalter”innen statt und der Andrang scheint gross: Bereits jetzt sind einige Angebote für den Sommer ausgebucht. Und auch für die Herbstferien gibt es schon zahlreiche Buchungen. 

Anders läuft es bei der Ferienbetreuung an Schulen. ​​Für dieses Angebot kann man sich von heute an bis zum 30. Mai anmelden. Grundsätzlich werden die Kinder an drei verschiedenen Standorten im Kanton betreut (Bläsi, Bruderholz, Isaak Iselin). Von dort aus werden unterschiedliche Aktivitäten wie Besuche im Zolli, in Museen oder in der Badi unternommen. Als drittes Angebot verweist der Kanton auf die Sportlager für Kinder ab 5 Jahre, eine Übersicht über die diversen Sportangebote ist auf der Website verlinkt.

Das klingt nicht weniger kompliziert, als es ist. Der SP-Grossrätin Barbara Heer ist die familienfreundliche Betreuung der Kinder während der Ferien ein Anliegen. Sie sagt: «Auf der Website vom Kanton bekommen Eltern dieses Jahr erstmals eine Übersicht über das Angebot an Tagesferien. Das ist hilfreich, es gibt aber kein zentrales Buchungssystem. Das würde vieles vereinfachen. Aktuell braucht es einen grossen Einsatz der Eltern bzw. meist der Mütter, die Betreuung ihrer Kinder während der Ferien zu organisieren.» 

Auch SP-Grossrätin Melanie Nussbaumer kritisiert das komplizierte Verfahren, das Eltern durchlaufen müssen, um eine geeignete Kinderbetreuung zu organisieren. Sie hat bereits letztes Jahr eine schriftliche Anfrage betreffend Ferienbetreuung an Schulen eingereicht, in der sie unter anderem kritisiert, dass das Ferienbetreuungssystem in Basel kompliziert sei, organisatorisches Geschick erforderte und nicht für alle Kinder zugänglich sei. 

Melanie Nussbaumer
Melanie Nussbaumer kritisiert das komplizierte Ferienbetreuungssystem. (Quelle: Grosser Rat Basel-Stadt)

Ist sie mit der Antwort des Regierungsrats zufrieden? Nicht wirklich, wie sie Bajour sagt: «Die Antwort des Regierungsrats hat mich nicht beruhigt. Es hiess, das Angebot sei ausreichend, weil die Nachfrage bisher gar nicht so gross sei. Aus Sicht der Regierung ist daher alles gut. Meine These ist aber: Die Nachfrage ist so tief, weil das Angebot schlecht ist. Ich hatte mir eine Evaluation erhofft, um die Bedürfnisse der Eltern zu eruieren.»

Kein einheitliches Online-Buchungssystem

Und was sagen die Eltern? Sie müssen eigeninitiativ agieren, da ihnen offenbar nicht automatisch seitens der Schulen mitgeteilt wird, ab wann man die Kinder wo anmelden kann. 

Sarah* hat einen achtjährigen Sohn, den sie bereits jetzt für eine Woche in den Herbstferien für das Programm der Tagesferien angemeldet hat. Auch sie findet das System unübersichtlich und vor allem umständlich: «Die einzelnen Anbieter werden auf der Seite vom Kanton zwar angezeigt, man muss dann aber bei jedem selbst schauen, wie die Konditionen sind. Das Prozedere ist mühsam. Erst wenn ich das Anmeldeprozedere durchlaufen habe, erfahre ich, ob mein Sohn den Platz tatsächlich bekommt.»

Ein einheitliches Online-Buchungssystem wäre aus Sarahs Sicht hilfreich und effizienter. Ausserdem habe sie nur per Zufall erfahren, dass man sich jetzt schon für den Herbst anmelden könne. «Mitgeteilt wurde mir das als Mutter nicht. Ich finde, es gibt noch viel Luft nach oben. Ganz abgesehen davon, dass sich auch nicht jeder so ein Ferienprogramm leisten kann.» 

Barbara Heer
Barbara Heer hat offene Fragen zur Ferienbetreuung. (Quelle: Grosser Rat Basel-Stadt)

Ins selbe Horn stösst Barbara Heer, die sagt: «Mir stellen sich Fragen zum Buchungssystem. Wenn ich auf der Website des Kantons schaue, ist das Angebot bei den Robi-Spiel-Aktionen zum Beispiel noch verfügbar. Auf der Seite des Anbieters aber kann ich mein Kind nur noch auf eine Warteliste setzen lassen. Mich würde interessieren, wie zeitnah die Systeme zwischen den Organisationen und dem Kanton synchronisiert werden». 

Die Synchronisierung erfolge grundsätzlich zeitnah und in Ausnahmefällen innerhalb von ein bis zwei Arbeitstagen, sagt Gaudenz Wacker, Leiter Kommunikation im Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt. Am Anmeldeverfahren der einzelnen Angebote soll sich nichts ändern, er sagt: «Die Anmeldung für die Ferienbetreuung an Schulen läuft online direkt über das Tagesstruktur-Portal des Erziehungsdepartements. Auch für die Tagesferien laufen die Anmeldungen online. Tagesferien werden von externen Anbietern organisiert, die über eigene Systeme zur Anmeldung verfügen. Auch die Rechnungsstellung erfolgt direkt über die Anbieter. Deshalb ist zum jetzigen Zeitpunkt eine Änderung des Online-Anmeldesystems nicht geplant.» 

Für viele Eltern verwirrend ist, dass die Anmeldetermine und -fristen nicht einheitlich sind. Anmeldungen für Tagesferien werden in der Regel am ersten Tag nach den Schulferien für die übernächsten Schulferien aufgeschaltet. Plätze werden in der Reihenfolge der Anmeldungen vergeben – wer zuerst kommt, malt zuerst. 

Kinder fuettern Hasen im Reka Ferien-Dorf in Urnaesch am Freitag 4. Juli 2014.
Viele Angebote der Tagesferien sind schnell ausgebucht. (Quelle: © KEYSTONE / CHRISTIAN BEUTLER)

Diese genannten Punkte machen die Organisation für die interessierten Eltern nicht einfach. Auch nicht für Silvana, die auf die Ferienbetreuung angewiesen ist. Sie hat in der Gärngschee-Gruppe auf Facebook geschrieben: «Mir graut es davor, da die Angebote zu wenig und auch innerhalb von 2-3h ausgebucht sind.»

«Eltern möchten die Betreuung für ihr Kind organisieren und stehen dann vor diesen organisatorischen Hürden.» 

Melanie Nussbaumer

Was auffällt: Während einige Angebote der Tagesferien tatsächlich gut gebucht werden und teils schon ausgebucht sind, gibt es bei der Ferienbetreuung an Schulen in der Regel noch zahlreiche freie Plätze. Kein Wunder, findet Melanie Nussbaumer, das liege am «unattraktiv, umständlich und nicht verständlichen» Anmeldesystem. «Ich muss erst das Anmeldeformular öffnen, um überhaupt sehen zu können, welche Schulhaus während der Ferien in welcher Woche offen ist.» Es sei bedauerlich: «Eltern möchten die Betreuung für ihr Kind organisieren und stehen dann vor diesen organisatorischen Hürden.» 

Aus den genannten oder aus finanziellen Gründen organisieren sich viele privat. Denn die Eltern beteiligen sich je nach Einkommen an den Kosten für die Tagesstrukturen. Nadja schreibt auf Gärngschee, ihre Kinder seien «eine Woche bei meiner Schwester, zwei Wochen kommt meine Mutter, eine Woche bei den Schwiegereltern, eine Woche kommt ein Babysitter». Diese Organisation sei auch für sie jedes Jahr wieder eine Herausforderung. 

Kein Angebot für Sekundarschüler*innen

Und was machen Kinder, die aus dem Volksschulalter herausgewachsen sind? Für Sekundarschüler*innen gibt es bisher kein Angebot seitens des Kantons. Barbara Heer hat daher einen Vorstoss lanciert, in dem sie dieses Thema aufwirft. Sie schreibt, es sei «für berufstätige Eltern eine Herausforderung, für ihre Kinder resp. gemeinsam mit ihnen auf der Sekundarstufe ein für ihre Altersstufe pädagogisch sinnvolles und bezahlbares Ferienprogramm zu organisieren.» Sie sagt: «Aktuell fehlt es an einem Tagesferienangebot für Kinder der Sekundarschule. Das finde ich problematisch, da man 12-jährige Kinder ja auch nicht unbedingt eine ganze Woche alleine zu Hause lassen möchte. Ich bin gespannt auf die Antwort des Regierungsrats.» 

Ferienbetreuung an den Tagesstrukturen?

Zusammen mit anderen Grossrät*innen hat Barbara Heer eine weitere Motion betreffend «Ferienbetreuung in den Tagesstrukturen einführen» eingereicht, die noch in Bearbeitung ist. Bemängelt wird, dass die Tagesstrukturen während der Schulferien geschlossen sind. Dies habe zur Folge, dass Kinder Tagesferien häufig an unbekannten Orten verbringen, an denen sie niemanden von den Betreuungspersonen oder den Kindern kennen. «Insbesondere für Kinder im Kindergartenalter, die mehrere Wochen in den Tagesferien verbringen, kann dies eine Überforderung sein.» Herausfordernd sei es zudem auch für die Eltern, ihre Kinder an die Tagesferien-Standorte zu begleiten. «Dies verschlechtert die Vereinbarkeit Beruf und Familie während den Schulferien deutlich: Es ist schlicht nicht möglich, zwei Kinder an zwei verschiedene Standorte in der Stadt zu bringen, sie abzuholen, und dazwischen ein übliches Tagespensum zu arbeiten», ist zu lesen. Aus Sicht der Unterzeichnenden braucht es deshalb die Einführung von Ferienbetreuung an den Tagesstrukturen. 

Neben den Angeboten seitens des Kantons gibt es auch private Anbieter*innen, die Ferienbetreuung anbieten. Oftmals allerdings zu einem höheren Preis oder zu Zeiten, die für berufstätige Eltern unrealistisch sind. Beliebt ist der Familienpass während der Sommer- und Herbstferien, der aber keine regelmässige tageweise Betreuung der Kinder, sondern vor allem vielseitige Erlebnisse und Attraktionen in und um Basel anbietet. 

Die Eltern stehen nun vor einem unübersichtlichen Berg an verschiedenen Angeboten und müssen um die Betreuungsplätze für die Sommerferien kämpfen. Im Vorteil sind jene Eltern, die sich im Dschungel der Informationen und Buchungsoptionen am besten zurechtfinden. Ausdauer, Organisationstalent und gute Nerven sind also bereits im Vorfeld der für die Eltern ohnehin herausfordernden sechswöchigen Sommerferien gefragt.

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