Auf ein Selfie mit Esthi

Während sich die FDP mit persönlichen Empfindlichkeiten selbst ins Bein schiesst, macht die GLP einen auf Harmonie. Ein Zwischenruf im Wahlkampf.

Serge
Die GLP-Kandidierenden der Grossratswahlen – im Bild Präsident Serge Meyer – haben heute auf den sozialen Medien ihre Postkarten mit Regierungsratskandidatin Esther Keller gepostet.

Welch Kabarett die FDP hier aufführt: Ihre Regierungsratskandidatin Eva Biland zieht sich überraschend vom Grossratswahlkampf zurück und konzentriert sich auf das Rennen um den Sitz in der Exekutive; sie wolle anderen Kandidierenden den Platz nicht wegschnappen, schreibt die bz. Die Zeichen stehen auf Knatsch. 

Am gleichen Tag macht die GLP, die zum Wahlauftakt vergangene Woche viel Kreativität in Aussicht gestellt hat, mit einer Selfie-Aktion nicht nur einen auf cool und lässig, sondern auch auf Harmonie. Am Dienstagmorgen haben die Grossratskandidierenden allesamt ihre Profilbilder auf den sozialen Medien ausgewechselt und ihre Postkarten gepostet, auf welchen sie strahlend mit ihrer Regierungsratskandidatin Esther Keller zu sehen sind. Sie selbst ist ihrem Profilbild treu geblieben

Während die FDP also individuelle Befindlichkeiten in den Vordergrund rückt, macht die GLP einen auf «We are family». Und zelebriert ihren, «hybriden Wahlkampf», wie die Partei ihn framed, also die Verwebung der Parlaments- und der Exekutivwahlen. 

Traditionell versus kreativ

Die anderen Parteien (ausser die LDP) werden ihren Wahlkampf erst noch lancieren. Während die Grünen-Präsidentin Raffaela Hanauer zu Bajour sagt, Wahlkampf solle auch kreativ sein, findet LDP-Parteipräsidentin Patricia von Falkenstein: «Man muss aufpassen, dass der Wahlkampf nicht verkrampft lustig aussieht.» Und SP-Präsidentin Lisa Mathys meint: «Die SP will sich auf Inhalte konzentrieren. Wir wollen sichtbar sein mit dem, was unsere Stärke ist: unserem Einsatz fürs soziale Basel.» Einen Unterschied dürfte auch das Budget sein, das die Parteien in den Wahlkampf investieren. Während GLP-Keller selbst 20’000 Franken einschiesst, wird links wohl eher weniger, rechts eher mehr pro Regierungsratskandidat*in investiert.

Bleibt vor lauter Personenkult bei der GLP also der Inhalt auf der Strecke? Der Vorwurf von zu wenig Inhalten gehört zum Wahlkampf wie die Luftballons bei Standaktionen vor Einkaufszentren, bei denen die Parteiexponent*innen gerne mal daherkommen wie Anhänger*innen von Zeugen Jehovas. GLP-Wahlkampfleiter Daniel Ordás will sich diesbezüglich nichts vorwerfen lassen: Mit «Mensch, Umwelt und Wirtschaft» sowie den entsprechenden Unterkategorien zeige die Partei auf, «was wir wollen, was wir erreicht haben und was noch kommen soll». 

Gewiss, die GLP als kleine und vor allem junge Partei muss eine Extrameile laufen, wenn sie etwas erreichen will. Sie hat keine riesigen Institutionen wie die SP oder stadtbekannte Namen wie die LDP. Das muss sie durch mehr Engagement kompensieren. Und das scheint ihr nicht schlecht zu gelingen. So findet beispielsweise Mitte-Grossrätin Andrea Strahm: «Die haben einfach einen guten Groove!»

Lisa Mathys, Grossrätin und Präsidentin SP BS
«Die SP will sich auf Inhalte konzentrieren. Wir wollen sichtbar sein mit dem, was unsere Stärke ist: unserem Einsatz fürs soziale Basel.»
Lisa Mathys, SP-Präsidentin Basel-Stadt

Ob der hybride Wahlkampf der Partei letzten Endes nützen wird? Die Meinungen gehen auseinander. So sagen Kritiker*innen, Keller habe sich in den letzten vier Jahren entzaubert, weshalb man sie nun in jeder erdenklichen Pose pushen müsse. Ordás meint dazu: «Ich empfinde das als grosses Lob; von der einen Seite wird uns vorgeworfen, die Grossratskandidat*innen wollten sich im Glanz von Esther Keller sonnen und in ihrem Windschatten fahren. Die andere Seite kritisiert, dass wir sie mit unserer engagierten Kandidat*innentruppe pushen wollen. In Tat und Wahrheit ist es lediglich ein klares Bekenntnis unserer Regierungskandidatin zu unserer Liste und von den Grossratskandidierenden zu Esther Keller.» 

Entzaubert oder nicht: Die Ausgangslage für Keller ist derzeit so vorteilhaft wie sie nur sein kann, denn sowohl auf linker als auch auf rechter Seite wird kaum jemand sie verdrängen können, sämtlichen Neu-Kandidierenden fehlt die Bekanntheit. Spannend wird werden, ob Keller in einen zweiten Wahlgang gehen muss. Gegenüber Onlinereports sagt sie: «Ich werde kämpfen wie eine Löwin, dass es bereits im ersten Durchgang klappt.»

Ordas
«Es ist ein klares Bekenntnis unserer Regierungskandidatin zu unserer Liste und von den Grossratskandidierenden zu Esther Keller.»
Daniel Ordás, Wahlkampfleiter GLP und Grossratskandidat

Der Knatsch innerhalb der FDP dürfte der GLP vermutlich zugute kommen. Strategisch war der Move, Biland von der Grossratsliste zu kippen, äusserst ungeschickt. Und es entsteht der Eindruck, die Leitung glaube nicht an Biland als Regierungsrätin. Tatsächlich ist nicht auszuschliessen, dass Biland durch ihre Regierungsratskandidatur sogar einen zusätzlichen Sitz für die FDP im Grossen Rat hätte holen können, stattdessen sorgen sich ihre Kolleg*innen in allen möglichen Wahlkreisen um ihre eigenen Sitze. 

Doch auch bei der GLP darf man fragen, ob die Harmonie echt ist. Sie will niemanden angreifen, konzentriert sich auf sich selbst, wie Exponent*innen stets betonen. Ist die Partei zwischen den Blöcken gar konfliktscheu? Oder könnte man sie als ergebnisoffen durchgehen lassen? Andere Parteien sagen dazu nur: Wischiwaschi.

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Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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