LGBTIQAP+ Hä?

Heute in der #nonbinary-Kolumne von Sascha: Wie viele Buchstaben braucht eine Community eigentlich? So viele Kategorien! Warum Schubladendenken manchmal auch sein Gutes hat.

Sascha
(Bild: Anne Gabriel-Jürgens)

Die meisten Menschen, die was zu Diskriminierung innerhalb der Community gehört haben, kennen Beispiele aus der Schwulenszene. «No fats, no fems, no asians» kursiert dort immer wieder auf Grindr, der Dating-App für schwule Männer. Also Schwule, die dick, feminin oder asiatisch sind, werden explizit nicht erwünscht. Rassismusvorwürfe gibt es berechtigterweise zuhauf, aber auch Groll gegen weisse cis Schwule, die für die PRIDE die Federboa auspacken, jedoch den Rest des Jahres Männer abwerten, die sich effeminiert verhalten. Viele schwule Männer leiden unter den Normen, die innerhalb ihrer Community existieren, haben sie doch gedacht, jetzt endlich auf Akzeptanz zu stossen. 

«Schwul» ist freilich «der bekannteste» Part der LGBTIQAP+ Community. Genau. So viele Buchstaben kann das haben – oder noch mehr. Immer mehr Aspekte, die als Devianzen der Normgesellschaft gelten, finden unter dem bunten Schirm Schutz, Anerkennung, Repräsentation. In dieser Aufzählung steht LGBTIQAP+ für: Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Inter, Queer/Questioning, Asexuell/Aromantisch, Pan/Poly, und das Pluszeichen für die Offenheit gegenüber weiteren Kategorien, von denen wir vielleicht noch gar nicht wissen, dass es sie gibt. 

Von aussen höre ich oft: «Ja, also das ist ja ein total bunter Haufen! So viele Buchstaben! So viele Kategorien! Ich dachte, die sind gegen Schubladendenken? Das ist ja multi-divers! Und wieso diskriminieren die sich gegenseitig, wenn sie dagegen ankämpfen?»

Der Reihe nach:

Ich kann von mir selber sagen: «Ich liebe Schubladendenken!». Und zwar, weil wir in einer Gesellschaft leben, die in Begriffen und Kategorien denkt, Wirklichkeiten herstellt und sie verhandelt. Wenn ich also Begriffe für Dinge kenne, kann ich sie besser, schneller, genauer erklären und meinem Gegenüber kommunizieren. 

Das ist der eine Grund, warum ich es mag, wenn es Begriffe für Unbenanntes gibt und dadurch mehr Schubladen entstehen. 

Der andere ist: Wenn ich mich alleine fühle und dann sehe, dass andere etwas in einem einzelnen Begriff ausdrücken können, was ebenfalls einen Teil von mir beschreibt, bin ich das weniger. Ich merke plötzlich: Huj! Es gibt ja ganz viele Menschen, die sich als non-binär bezeichnen und ich kann mich mit denen austauschen. Das gibt Kraft. 

Überall, wo es Menschen gibt, entstehen Hierarchien.

Überall, wo es Menschen gibt, entstehen (leider) Hierarchien und Ängste, Privilegien zu verlieren. Eine lesbische Frau hat gerade ihr Coming-Out hinter sich, wird bestenfalls akzeptiert und nicht mehr mit biologischen Argumenten in Frage gestellt, aber dann kommt ein pansexueller Furry daher gezottelt. (Das Furry-Fandom ist eine anthropomorphe Subkultur, die viele queere Mitglieder hat). Plötzlich kommt aus ihrem Mund: Aber das ist jetzt zu viel, das geht jetzt zu weit, das ist zu bunt, die Leute nehmen mich jetzt nicht mehr ernst!

Ich sehe das so: Die Leute, die eine lesbische Frau wegen einem pansexuellen Furry nicht ernst nehmen, die machen das auch ohne pansexuellen Furry nicht. 

Es gibt non-binäre Menschen, die binären trans Menschen (also trans Männern und trans Frauen), das Gefühl geben falsch zu sein, weil sie Geschlecht radikaler ablehnen. Es gibt trans Menschen, die Geschlechtsangleichungen vornahmen und das anderen trans Menschen vorschreiben. «Du bist nur richtig trans, wenn du auch Dysphorien hast!» Kategorien bieten nicht immer nur Sicherheit: Sie können auch erweitert und damit destabilisiert werden. Es wird darüber gestritten, wer denn jetzt genau Repräsentant*in eines Begriffs sei. Wer sich denn jetzt genau dies oder jenes nennen darf oder nicht.

Mein Appell lautet darum: Jede*r ist in seiner*ihrer Art richtig.

Mein Appell lautet darum: Jede*r ist in seiner*ihrer Art richtig, solange diese Person andere nicht darin einschränkt (also z.B. eine Nazi-Identität würde ich ablehnen); die Formen, das zu leben sind divers, auch wenn Ähnlichkeiten entstehen. Es bilden sich Stereotypen und Identifikationen – und das ist super! Wenn wir aber für Toleranz und bestenfalls Akzeptanz einstehen, sollten wir das auch gegenüber allen anderen tun. 

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