Lieber FCB, mach doch biz Rudelbildung gegen den FCZ
Diesen Samstag startet der FCB mit einem Heimspiel gegen den FC Zürich ins neue Jahr. Beni Pfister fürchtet: Eine Rudelbildung wird es nicht geben. 2019 war das anders.
«Wie geil», jubelte ich. Kurz zuvor sprintete FCB-Mittelfeldspieler Zdravko Kuzmanovic in der Nähe der Mittellinie auf der linken Seite dem Ball hinterher. FCZ-Verteidiger Alain Nef versuchte ihn aufzuhalten und stellte sich ihm in den Weg. Kuzmanovic dachte nicht daran, das Tempo zu drosseln, lief voll auf Nef auf und verpasste ihm dabei ein Art Ohrfeige.
Nef stürzte in bester Neymar-Manier zu Boden. Danach: Rudelbildung. FCB-Stürmer Albian Ajeti geriet sich mit FCZ-Stürmer Stephen Odey in die Haare. Selbst FCB-Co-Trainer Carlos Bernegger war im Massenauflauf auf dem Spielfeld anzutreffen. Herrlich. Ich liebe Rudelbildungen.
«Kuzmanovic kassierte für seine Aktion – in Zürich sprechen sie von einer ‹Tätlichkeit› – die gelbe Karte.»
Kuzmanovic kassierte für seine Aktion – in Zürich sprechen sie von einer «Tätlichkeit» – die gelbe Karte. Das beste am Ganzen: Kuzmanovic, der erst für die zweite Halbzeit eingewechselt worden war, schoss fünf Minuten später (87. Minute) das 2:0 und sorgte damit an jenem 25. April 2019 für die Entscheidung im Cup-Halbfinal gegen den FCZ.
Das war aber noch nicht alles. FCZ-Co-Trainer René van Eck hatte ebenfalls den Platz gestürmt und wurde auf die Tribüne verbannt. Was für eine Freude. Van Eck war zu seiner Aktivzeit als Spieler des FC Luzern für mich das, was man gemeinhin gerne als «Hass-Spieler» bezeichnet. Weshalb?
Als Teenager besuchte ich einst ein FCB-Spiel auf der Allmend in Luzern. Dabei lernten wir van Eck als langhaarigen Fussball-Flegel kennen. Als wir beim Auslaufen der Teams nach dem Spiel noch im leeren Stadion den FCB bejubelten, beschimpfte er uns mit nicht druckbaren Worten.
«Für einen Moment waren wieder Emotionen auf dem Platz.»
Zurück zum Cup-Halbfinal im Letzigrund. Ein Augen- und Ohrenschmaus waren nach dem Spiel auch die Interviews. FCZ-Trainer Ludovic Magnin lief zur Hochform auf, fühlte sich – wieder einmal – betrogen und kritisierte den Schiedsrichter. Und Kuzmanovic? Das Ganze sei harmlos gewesen. «Das ist Zürich gegen Basel, da gehören Emotionen dazu.» Schlagfertig konterte er Journalist*innen, die wegen der Situation mit Nef nachhakten. «Der Schiri hat mir Gelb gegeben, also war es keine Tätlichkeit, oder?»
So ist es. Die Wahrheit liegt auf dem Platz. Nach ein paar Minuten hatten sich die Gemüter auch wieder beruhigt. Kuzmanovic berichtete sogar, dass sich Nef und er kurz nach dem Rencontre zugelächelt hätten. Das passt zu den beiden «Schlawinern». Mit ihrer Show-Einlage – in Zürich reden sie von einer «Tätlichkeit» – hatten sie das Publikum am TV und im Stadion bestens unterhalten.
Für einen Moment waren wieder Emotionen auf dem Platz, wie sie lange für den Klassiker zwischen den beiden Teams so bezeichnend waren.
Der 37-jährige Alain Nef verkündete einen Monat nach dem Cup-Halbfinal seinen Rücktritt. Er wird als jener Spieler in die Geschichte des FC Basel eingehen, der am 13. Mai 2006 viel zu weit vorne jenen Einwurf ausführte, der zum Tor von Iulian Filipescu, damit zum Meistertitel für den FCZ und im Anschluss daran zur «Schande von Basel» führte. Heute ist Nef Assistenztrainer der U18 beim FC Zürich.
Auch Kuzmanovic spielt nicht mehr beim FC Basel. Im Sommer 2020 lief sein Vertrag aus und wurde nicht mehr verlängert. Vielmehr als jene Aktion im April 2019 in Zürich wird von Kuzmanovics zweiter Ära beim FC Basel leider nicht in Erinnerung bleiben. Gerne hätte ich ihn öfter auf dem Platz gesehen, oft kamen ihm aber langwierige Verletzungen und vielleicht auch sein Charakter in die Quere.
«Ich glaube, mehr Zdravko-Style würde dem Fussball gut tun.»
Eine solche Show können wir am Samstag leider nicht erwarten. In den letzten Jahren hat sich der Klassiker immer mehr zu einer «normalen» Begegnung entwickelt. Das Spiel im April 2019 war da die Ausnahme, die die Regel bestätigt. Der FCZ ist schon länger kein Spitzenteam mehr, beim FCB wird sich dies in den nächsten Monaten weisen. Vor allem aber fehlen beim FCZ (und nicht nur dort) Persönlichkeiten, die aus FCB-Fansicht das Potential haben, «Hass-Spieler» wie Nef und van Eck zu werden.
Ich glaube, mehr Zdravko-Style würde dem Fussball gut tun. Als Fan muss ich nicht alles gut finden, was er macht und sagt. Aber er polarisiert und das gefällt mir. Wie schreibt Kuzmanovic auf seinem Instagram-Profil: «No Risk, No Champagne». Und er behielt Recht: Dank Kuzmanovic qualifizierte sich der FCB für den Cupfinal – und gewann dort 2:1 gegen Thun. Es war das bisher letzte Mal, das nach einem Titel für den FCB der Champagner floss.
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Zum Autor: Benedikt Pfister ist freischaffender Historiker und Geschäftsführer des Didi Offensiv. Im Oktober 2019 konnte das Didi bereits seinen 5. Geburtstag feiern. Benannt ist die Beiz nach Claude «Didi» Andrey, dem FCB-Aufstiegstrainer von 1994.