Fasnacht für Dummies – Was du während der drey scheenschte Dääg auf keinen Fall tun solltest

Eigentlich herrscht Narrenfreiheit, aber von Anarchie keine Spur: Für Auswärtige kann die Basler Fasnacht mit dem rigiden Verhaltenskodex und den zahlreichen Benimmregeln zum Höllenritt werden. Eine Hilfestellung (auch für Aktive ganz hilfreich, versprochen).

Basler Fasnacht 2022
(Bild: Keystone-SDA)
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Laarve statt Maske

Ein wesentlicher Teil der Fasnacht aus Sicht der Aktiven ist es, hinter einer Laarve ins Inkognito der Fasnacht zu verschwinden. Nenn diese Gesichtsverhüllung auf keinen Fall «Maske»! Der Spruch dazu: «Gäll, du kennsch mi nid?» Laarve tragen nur Aktive. Andere Formen der Unkenntlichmachung oder Verballhornung des eigenen Gesichts sind streng verpönt:

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Schminke: Tu’s nicht!

Schminke im Gesicht, Pappnasen, oder aufgeklebte Schnauzbärte: Trägt man nicht. In Basel trägt man eine Laarve (für Aktive) über dem Gesicht – oder nichts. Allerdings kannst du in diesem Jahr sehr gerne weiterhin eine Atemschutzmaske zum Schutz vor einer Corona-Infektion tragen, wo immer du magst. Apropos tut-man-nicht:

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Man- Formulierungen

Der kategorische Imperativ gehört zur Fasnacht wie das Amen in der Kirche, auch wenn das auf keinem offiziellen Regelwerk steht. Gut zu erkennen ist das an den zahlreichen «man tut das (nicht)»-Formulierungen. Beispiel: Me het e Blaggedde. Diese Formulierungen beschwört eine Art Generalkonsens darüber, was zu tun und was zu lassen sei.

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Blaggedde

Kleine Anstecker aus Metall, eine Art Eintrittsticket an die Fasnacht. Sie sind vor der Fasnacht an den Einfallstoren zur Stadt (zB. Am Bahnhof) zu kaufen und kommen in drei Ausführungen: Gold, Silber, Kupfer. Es gibt keine Kaufpflicht, eine Blaggedde zu tragen wird aber dringend empfohlen (siehe Räppli schmeissen). Gut zu wissen: Die Fasnacht hat keine Sponsor*innen! Der Erlös aus dem Blaggeddenverkauf kommt sozusagen aus neutraler Hand und geht zum Teil zurück an die Aktiven, die das Geld brauchen für Laternen oder anderes Material. Das Sujet der Blaggedde 2022 lautet «Bassts no?» – eine Anspielung auf die zu eng gewordenen Kostüme in der Corona-Pause.

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Räppli anstatt Konfetti

An der Basler Fasnacht heissen das gestanzte Wurfmaterial aus Papier «Räppli» und nicht – wie überall sonst auf dieser Welt – Konfetti. Frag nicht warum, es ist einfach so.

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Die Farbprüfung

Eine gute Handvoll Räppli in dein Gesicht erkennst du daran, dass sie nicht bunt in der Frühlingssonne schimmern, kurz bevor sie dir sämtliche Gesichtsluken verstopfen. Einfarbig sollen sie sein. Das mag nach einer vernachlässigbaren Information klingen, ist es aber nach Ansicht der Basler Gralshüter*innen von und zu Fasnachtstradition nicht. Der Grund: Räppli, die einfarbig sind, kommen direkt aus dem Handel und sind darum «sauber». Bunt gemischte Räppli sind schmutzig, weil sie am Boden lagen und sich dort vermengten.

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Räppli schmeissen – überlegs dir nochmal

Räppli schmeissen an der Basler Fasnacht in der Regel nur Aktive, also Leute, die in einem Kostüm stecken. Erinnerung: Räppli vom Boden aufzuheben ist ein No-go. Noch schlimmer ist es, Räppli auf Leute zu schmeissen, die in einem Kostüm stecken. Ziele von Räppli-Attacken sind in der Regel Zuschauer*innen in zivil ohne Blaggedde (siehe unten). Wenn man ganz genau hinschaut, sind oft junge Frauen das Ziel von Räppli-Attacken, die dann zum Trost einen Strauss Mimöösli (gelbe Blumen) oder so kriegen. Man könnte sagen, das sei sexistisch, aber das aufzuschreiben wäre schlimm und streng contra eine weitere ungeschriebene Regel der Basler Fasnacht.

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Vorsicht mit den -Ismen

Die Basler Fasnacht ist sehr traditionsbewusst und nimmt aktuelle politische und gesellschaftliche Themen aufs Korn. Das ist im besten Fall lustig und im schlechtesten problematisch, weil Humor auch verletzend sein kann. Darüber ins Gespräch zu kommen, ist gar nicht mal so einfach und die Benennung von -ismen (Rassismus, Sexismus, Ableismus) wurden in jüngerer Vergangenheit von Teilen der Fasnachtsgesellschaft vehement mit der Traditionskeule («ist so, weil war schon immer so») bearbeitet. Trotzdem: Kritik muss möglich sein, auch ein Spiegel der Gesellschaft (Fasnacht) muss mit Spiegeln leben.

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Trommeln und Laarven – Fass bloss nichts an

Cliquen, Schyssdräggzyygli oder Guggen, kurz, alle Formationen der Aktiven machen irgendwann mal Pause. Weil es in den Beizen eng ist, bleiben die Instrumente und Teile des Kostüms hübsch drapiert vor den Lokalen liegen. Lass das Zeug um Himmels Willen dort liegen und fass bitte nichts davon an. Das ist Weltkulturerbe und kein Selbstbedienungsbuffet für Souvenirs.

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Weltkulturerbe

Ist so: Die Basler Fasnacht ist 2017 auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen worden. Nimm das, Luzerner Fasching.

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Schunkeln wie in Köln

Macht man nicht.

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Saufen

Natürlich gehört Alkohol zur Fasnacht, aber es heisst, Aktive seien nicht besoffen. Das stimmt möglicherweise nur beinahe immer. Das Gässle zum Takt der Trommeln und Pfeifen verlangt allerdings präzise Beinarbeit im Takt, da kommt jeder Rausch ungelegen. Auch gut: Wenn das Publikum seine Grenzen kennt, denn sonst kommt es zum

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Wegkreuzungsskandal

Diese Regel geht an Besucher*innen: Lasst den Aktiven Platz! Tretet am Strassenrand einen Meter zurück, wenn eine Clique durchmarschiert, die Drummler*innen, Schlagzeuger*innen oder Piccolo-Spieler*innen brauchen Raum für die Ausübung ihrer Kunst. Auf keinen Fall kurz vor einer Clique, oder noch schlimmer, durch eine Clique hindurch, die Strasse überqueren. Die Sicht unter den Larven ist stark eingeschränkt. Lass es einfach.

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Spass haben

In Basel heisst es, die drei Fasnachtstage seien die «drey scheenschte Dääg». Das bedeutet, du musst SPASS haben. Ausreden gelten nicht. Auch wenn das aufgrund der politischen Grosswetterlage nicht leicht fällt. Als Zugezogener mit Respekt für das lokale Brauchtum zum Abschluss eine Bitte an die Aktiven: Man kann es auch nett mitteilen, wenn irgendwo irgendwer einen Fauxpas begehen sollte. Überhaupt: Nett sein, Rücksicht nehmen, auch mal was erklären. Geht auch während den drey scheenschte Dääg.

Diese Liste ist nicht abschliessend, sondern führt ledglich die handlichsten Regeln zum praktischen Fasnachtsgebrauch. Auf der Seite des Fasnachtscomités findest du weitere Do’s und Dont’s aufgelistet. Haben wir etwas Wichtiges vergessen? Schreib uns ein

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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