Die Frau hinter dem Beet

Unterwegs mit Mareike Holluba, Blumenrabatten-Gestalterin der Stadtgärtnerei Basel.

Blumenrabatten Basel Landschaftsgärtnerin
Eine Liebesgeschichte: Mareike und die Blumen.

Es ist ein sonniger Tag Anfang Mai, die Pauluskirche thront selbstbewusst zwischen zwei befahrenen Strassen im Basler Westen. Um sie herum grünen die Magnolien und Scheinzypressen, alles ruft Frühling, das Leben ist gut. Nur eine Sache stört das Bild: Auf dem grasigen Abschnitt vor der Kirche ragen braune Beete aus dem Boden, sauber kahl gejätet, als hätte ein gewaltiges Epiliergerät einmal die komplette Fläche durchgerupft.

Mareike Holluba ist fünf Minuten zu spät. «Ich war noch rasch beim Bundesplatz», sagt sie entschuldigend, während sie von ihrem schwarzen E-Bike steigt. «Da sind sie auch schon am Abräumen.» Sie, das sind ihre Kolleg*innen der Stadtgärtnerei und mit «Abräumen» meint sie das Entfernen der aktuellen Bepflanzung auf den Wechselflorrabatten. Wir befinden uns im Wechsel von Frühlings- auf Sommerflor, also von der Frühlingsbepflanzung, die im Oktober angelegt wird, zur Sommer- und Herbstbepflanzung, die im Mai stattfindet.

Basel-Stadt hat acht Rabatten, die zweimal pro Jahr bepflanzt werden. Die verblühten Tulpen kommen jetzt in einen schwarzen Kübel neben die Beete, wo sie Passant*innen mitnehmen können, andere Pflanzen gehen zurück in die Stadtgärtnerei, wo sie zu Kompost weiterverarbeitet werden. Kurz danach werden neue Pflanzen gesetzt. Im Sommer sind das um die 25 Stück pro Quadratmeter, im Herbst 30 bis 40 Stück.

85'000 Pflanzen pro Jahr

Knapp 85'000 Pflanzen pro Jahr also, die alle erst durch den Kopf, dann durch die Hand einer Frau gehen: Mareike Holluba, 48 Jahre alt, Landschaftsgärtnerin. Die Sorte Gärtnerin, die auch mal nachts durch den Garten schleicht, um den lästigen Schnecken an den Kragen zu gehen. Praktischer Pferdeschwanz, starke Hände, weiche Stimme. Zwinkern in den Augen, sofort per Du.

Seit 2007 ist sie bei der Stadtgärtnerei und leitet dort die Gärtnerei, seit 2009 plant sie die Rabatten.

Und wie geht das – Rabatten planen?

«Das», sagt Mareike, «erkläre ich dir, wenn wir vor einer stehen.» Sie steigt auf ihr E-Bike und tritt in die Pedale. Man kommt ihr fast nicht hinterher.

Am Totentanz liegt die Janus-Skulptur von Otto Bänninger vor einem Beet aus helllila Tulpen, Mohn in dunklem Apricot und leuchtend gelbem Goldlack. Dazwischen Vergissmeinnicht, Veilchen, Gänseblümchen und kühlgrünes Greiskraut. Die Blumenrabatten verändern sich von Woche zu Woche. Vor den lila Tulpen blühten hier weisse und rosafarbene, vor dem Mohn kamen die Narzissen. Wer eine Rabatte plant, muss also immer auch ihre Wandlung mit den Jahreszeiten berücksichtigen. «Wenn du alle paar Wochen hierher kommst und ein Foto machst», sagt Mareike, «wird es jedes Mal anders aussehen.»

mareike holluba blumen
Die Blumenrabatte am Totentanz Anfang Mai... (Bild: Naomi Gregoris)
Totentanz Blumen
...und einen Monat zuvor. (Bild: Stadtgärtnerei Basel)

Auch der Standort entscheidet bei der Gestaltung mit. «Hier am Totentanz kann ich spielen», sagt Mareike, «im Kleinen, Filigranen.» Weil hier die Menschen direkt an den Rabatten stehen, wenn sie aufs Tram warten oder der Strasse entlang spazieren. An Orten wie der Pauluskirche oder am Bundesplatz hingegen müssen die Rabatten auch aus der Ferne wirken. Dort regiert die Fläche, ist die Blumenauswahl kräftiger, die Kontraste stärker. Für das Beet bedeutet das: Bartnelke und Kaiserkrone statt Mohn und Gänseblümchen.

Die Rabatten plant Mareike immer alle gemeinsam. Zuhause in ihrem Reihenhaus setzt sie sich an den Computer, ein grosser Stapel Kataloge neben sich, und arbeitet drei Tage durch. «In dieser Zeit darf mich niemand stören», sagt sie. «Einmal kurz abgelenkt und ich muss wieder von vorne anfangen.» Die Beete hat sie in dieser Zeit alle vor ihrem inneren Auge: Wie sie zu welcher Zeit aussehen sollen und was es dafür braucht. Sie führt eine Excel-Tabelle, in die sie alle nötigen Pflanzen einträgt, die dann nach Bio-Richtlinien in der Gärtnerei produziert werden.

Rosa macht schön

Hat sie eine Lieblingsblume? Sie überlegt. Keine Lieblinge, aber vielleicht immer mal wieder Präferenzen: Bartnelken mag sie im Moment ganz gerne, oder auch andere rosa- und pinkfarbene Blumen. «Aber das ändert sich immer wieder. Hättest du mir vor ein paar Jahren gesagt, dass meine Rabatten mal rosa sein werden, hätte ich dir das nicht geglaubt.»

Die Rabatten werden einmal pro Woche von Mitarbeiter*innen der Stadtgärtnerei gepflegt. Dann wird gejätet oder bei Bedarf neu geschnitten. Der grösste Feind der Beete sind Hitze oder Frost. Oder die Fasnacht. Das gilt aber hauptsächlich für eine bestimmte Rabatte. «Radeln wir doch mal hin.»

Mareike Holluba Stadtgärtnerei
Hallo Claraplatz! (Bild: Naomi Gregoris)

Claraplatz, 16 Uhr. Viele Menschen, viele Bierdosen. Geschrei, Gelächter, das komplette Gegenprogramm zum Totentanz. Dazwischen in seliger Ruhe: Die Blumenrabatten. Drei Edelkastanien mit je vier kleinen Beeten aus Greiskraut und Goldlack, Gartenbürsteli und Purpurglöckchen. Mareike zeigt auf zwei Beete, die sich ein bisschen von den anderen unterscheiden. «Hier mussten wir die beiden vorderen Rabatten ersetzen. Alles plattgetrampt von der Fasnacht.» Sie klingt gelassen.

Werden auch mal Blumen gestohlen? «Sehr selten. Wir machen die Erfahrung: Je schöner und gepflegter das Beet, desto eher wird es in Ruhe gelassen.» Deshalb auch die sorgfältige Wartung. Den Basler*innen scheints zu gefallen: Bei der Stadtgärtnerei gehen monatlich rund 20 Briefe und Mails ein, in denen sich Menschen für die Rabatten bedanken.

Mareike schaut auf die Uhr. Für eine Rabatte reicht es noch.

Mareike Holluba, Stadtgärnerei
Warm und kräftig: Die Rabatten am Wettsteinplatz konstrastieren das Grau um sie herum.

Am Wettsteinplatz fahren Trams und Autos, es ist viel Verkehr. Auf der Insel mit dem Kiosk stehen drei geschwungene Rabatten mit dunkelvioletten und gelb-grün gestreiften Tulpen, Bartnelken, Stiefmütterchen. Dazwischen die dunkelroten Blätter der Purpurglöckchen. Viel rosa und pink – und Vogelmiere, sprich: Unkraut. Mareike sieht es auf den ersten Blick, aber es scheint sie nicht gross zu stören. Die Farbgebung, erklärt sie, habe auch mit dem Standort zu tun. Kühle Standorte mit viel Asphalt und Beton, mögen warme, kräftige Farben. Ist viel grün in der Umgebung, gehen auch kühle Farben wie blau, helles Gelb oder grüne Nuancen.

In ihrem eigenen Garten hat sie von allem etwas. Wortwörtlich: Viele Blumen, die sie neu für die Rabatten verwendet, probiert Mareike auch zuhause aus. Fürs Gemüse hat sie einen Freizeitgarten. «Mit so hartem Boden, dass das ganze Wurzelgemüse nicht wirklich kommen will.» Aber sie seien dran. Bisschen Kompost, bisschen Geduld.

Was können wir nächstes Jahr von ihr erwarten? Mareike lacht. «Also erst kommt jetzt mal der Sommer. Das heisst: Zinnien, Mädchenaugen, Sonnenhut und die ganzen Zier- und Salbeisorten.» Was danach kommt, werde man sehen. Sie mag Gemüse für die Rabatten, Dinge wie Zierkohl und Krautstiel. Und neuerdings Bonbonfarben. Was sie selbst überrascht. «Aber es ist auch das, was ich an meinem Beruf so mag: Es bleibt spannend.»

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