Wo der Wind (zu wenig) weht
Das Baselbiet galt einst als schweizweiter Vorreiter in Sachen Windkraft. Mittlerweile wirft ein Energieunternehmen nach dem anderen das Handtuch beim Versuch, ein Windkraftwerk durchzuboxen. Jetzt soll ein Verein Schwung in die Sache bringen.
Die erste Windturbine der Schweiz wurde 1986 im Baselbiet aufgestellt – auf dem Sool bei Langenbruck, direkt an der Grenze zum Kanton Solothurn. Die Anlage wurde jahrelang vom Ökozentrum betrieben und galt als Pionierprojekt der Schweizer Energiewende. Mittlerweile befindet sie sich in den Händen der Energiegenossenschaft ADEV und steht seit 2019 still. Defekt. Ein Symbolbild für die Baselbieter Windkraft.
Seither kamen im Baselland keine weiteren Windturbinen hinzu. Versucht haben es aber zahlreiche Energiekonzerne: die IWB auf dem Chall bei Röschenz, die EBL auf dem Liestaler Schleifenberg, Primeo in Liesberg und in Muttenz oder die ADEV auf dem Sool. Zuletzt sorgte das Volks-Ja zum Windkraftwerk in der Muttenzer Hard vergangenen Juni für Hoffnung bei den Windkraft-Befürworter*innen. Der grosse Aufwind blieb bislang jedoch aus.
2021 lehnt die Muttenzer Gemeindeversammlung die Zonenplanmutation Windenergie, welche die Voraussetzungen für ein Kraftwerk geschaffen hätte, ab. Eine Petition von Schüler*innen des Gymnasiums brachte die Mutation erneut zur Abstimmung und die Gemeindeversammlung stimmte im Dezember 2022 zu. Das Referendum wurde ergriffen und so kam es im Juni 2023 zur Volksabstimmung, bei der die Zonenplanmutation mit 55,1% Zustimmung angenommen wurde.
Nun wollen sich Befürworter*innen im Baselbiet besser organisieren. Wie CH Media im Februar berichtete, befindet sich der Verein Pro Wind Basel in Gründung. Thomas Tribelhorn, CEO der Energiegenossenschaft ADEV und Präsident der GLP Baselland, bestätigt dies gegenüber Bajour: «Mit einer Gründungsmeldung könnte man in der zweiten Jahreshälfte 2024 rechnen.» Er sieht sich als Ziehvater des neuen Vereins, wird aufgrund seiner anderen Tätigkeiten nach der Gründung aber keine aktive Rolle einnehmen.
Analog zu den Geschwistervereinen in den Regionen Thurgau, St. Gallen-Appenzell, Zürich, Solothurn, Luzern, Bern, Waadt und Neuchâtel soll Pro Wind Basel Schwung in die hiesigen Turbinen-Projekte bringen. Der Verein will den Befürworter*innen der Baselbieter Windkraft ein Gefäss bieten. «Es sollen nicht immer nur die lauten Kritiker zu Wort kommen», erklärt Tribelhorn. Auch die gemäss ihm «ruhige» und teils «schweigende» Mehrheit solle gehört werden.
«Windkraft ist eine sinnvolle Quelle für erneuerbare Energie, wenn die Windkraftanlagen am richtigen Ort stehen.»Christoph Keigel, Verein Wind-Still
Damit positioniert sich Pro Wind Basel als Gegenspieler zu lautstarken Baselbieter Windkraftwerkgegner*innen wie dem Verein Wind-Still. Dieser will die Bevölkerung von den negativen Auswirkungen der Windkraft überzeugen, präsentiert auf seiner Website klobige Visualisierungen und unterstützt Initiativen und Referenden, die sich Windkraftprojekten in den Weg stellen. Dabei ist der Verein Wind-Still der Windkraft nicht generell abgeneigt, wie der Mediensprecher und Füllinsdorfer Gemeinderat Christoph Keigel auf Anfrage betont. «Windkraft ist eine sinnvolle Quelle für erneuerbare Energie, wenn die Windkraftanlagen am richtigen Ort stehen.»
Das Baselbiet sei aber nicht der richtige Ort. «Der Verein Wind-Still ist klar der Meinung, dass in dicht besiedelten Agglomerationsgebieten – wie eben bei uns in der Nordwestschweiz – industrielle Windkraftanlagen wegen deren verschiedensten hinlänglich bekannten Nebenwirkungen gepaart mit den schlechten Windverhältnissen keine Berechtigung haben.» Damit meint Keigel Auswirkungen auf das Landschaftsbild, die Natur und die entstehenden Lärmimmissionen.
«Die Windmessdaten zeigen, dass es im Baselbiet diverse Standorte mit guten Windverhältnissen gibt, die es erlauben, einen Windpark rentabel zu betreiben.»Thomas Tribelhorn, CEO ADEV und Präsident GLP BL
Keigel bezweifelt auch, dass das vom Volk beschlossene Windkraftwerk in der Muttenzer Hard zustande kommt: «In Muttenz hat das Volk bis jetzt lediglich eine Zonenplanänderung genehmigt.» Damit sei noch kein Windkraftwerk gebaut. Keigel verweist auf die Verkehrsprojekte, die nur wenige Meter vom Standort entfernt geplant seien, wie die Zufahrtsspuren zum Rheintunnel oder die Bahninfrastruktur. «Es bleibt die Frage, ob eine Windkraftanlage, die kaum Strom produzieren wird, wichtiger beurteilt wird als die Verkehrssicherheit direkt angrenzender Hauptverkehrsachsen.» Das Volk hat dem Windkraftwerk mit 55,1 Prozent Ja-Stimmen zugestimmt, «relativ knapp», urteilt Keigel. Deshalb sehe der Verein Wind-Still das Resultat in Muttenz nicht als wegweisend für die Zukunft.
Pro-Wind-Basel-Ziehvater Thomas Tribelhorn sieht das anders. Laut ihm gibt es diverse Projekte im Baselbiet, die gut realisierbar wären: «Die Windmessdaten zeigen, dass es im Baselbiet diverse Standorte mit guten Windverhältnissen gibt, die es erlauben, einen Windpark rentabel zu betreiben.»
Auf welche Projekte sich Pro Wind Basel fokussieren wird, ist noch nicht klar. Es stellt sich die Frage: In welche Projekte könnte überhaupt Schwung reinkommen? Geplant wurde schon viel, umgesetzt fast nichts. Dabei gäbe es im Kanton Basel-Landschaft sechs Potenzialgebiete für Windparks, welche von Regierungs- und Landrat im kantonalen Richtplan festgelegt wurden. Bajour hat bei den diversen Betreiber*innen nachgefragt, wo ihre Projekte stehen. Auf der interaktiven Karte findest du die Übersicht. Klick die einzelnen Projekte an, um mehr zu erfahren.