Bald hat es sich ausgemääähhht

Schafe oder Ziegen gehören immer häufiger zum urbanen Stadtbild. Nicht nur für die Stadtgärtnerei mähen sie Wiesen, auch Privatpersonen haben die Tiere für sich entdeckt. Demnächst verabschieden sie sich in die Winterpause.

Schafe
Mähende Schafe haben einen positiven Effekt auf die Biodiversität.

Die braunen Wollknäuel schauen mit ihren dunkeln Augen liebevoll und noch etwas schüchtern durch den Maschendrahtzaun, der den Familiengartenverein Milchsuppe von der modernen Überbauung nahe der Burgfeldergrenze trennt: Die 15 Walliser Landschafe sind erst vergangenen Donnerstag angekommen und werden die kommenden zwei Wochen hier verbringen, um das Gras abzufressen. Zu mähen, aber nicht wie eine Maschine, sondern eben wie Schafe: mosaikartig, was zu einer verteilten Strukturvielfalt auf der Fläche führt. Und eine solche ist der Artenvielfalt zuträglich: Neben der Flora profitieren auch Insekten, Spinnen oder Reptilien. 

Naturpflege nennt man das Konzept, das 2015 als Pilotprojekt begonnen hat und mittlerweile fester Bestandteil der Mäharbeiten im Kanton Basel-Stadt ist. Und es wird immer beliebter.

Die Stadtgärtnerei arbeitet dafür vor allem mit dem Biologen Florian Neumann von Naturpflege Neumann zusammen, der Kanton selbst hält indes keine Tiere. Wie der Leiter der Stadtgärtnerei, Emanuel Trueb, gegenüber Bajour sagt, leiste sich Basel diese Art von schonender Landschaftspflege «nicht nur, weil die Tiere sympathisch und das Vorhaben öffentlichen Zuspruch erfährt, es hat vor allem einen positiven Effekt auf die Biodiversität». Das Beweiden falle an gewissen Stellen teurer aus, sagt Trueb, beispielsweise an steilen Hanglagen, von denen es in Basel aber ohnehin nicht viele gebe. Und: «Dort, wo wir nur einmal im Jahr tätig sind, ist das Weiden eindeutig günstiger.»*

Robuste Allesfresser 

In ein bis zwei Wochen kommen die Schafe auch auf den Friedhof Hörnli zurück, dort sollen die Tiere vor allem Brombeeren zurückdrängen. Für Flächen, wo Gehölz reduziert werden muss, werden hingegen Ziegen eingesetzt. Derzeit ist das beim Gleisbogen in den Langen Erlen der Fall. 

«Wir leisten uns das nicht nur, weil die Tiere sympathisch und das Vorhaben öffentlichen Zuspruch erfährt, es hat vor allem einen positiven Effekt auf die Biodiversität»
Emanuel Trueb, Leiter der Stadtgärtnerei

Neumann hat auch Wollschweine im Angebot; diese werden insbesondere in Feuchtflächen eingesetzt. In Basel sind solche aber nicht zu finden, sie sind im Baselbiet beim Predigerhof in Reinach ausgeliehen. Dafür sind in drei bis vier Wochen auch unterhalb der Margarethenkirche wieder Schafe am Mähen. Sie marschieren jeweils in Gruppen von 15 bis 20 Tieren auf. Wobei aufmarschieren nicht ganz korrekt ist. 

Die robusten Allesfresser werden mit dem Anhänger auf die zu mähende Fläche gebracht, davor wird ein Elektrozaun gesteckt, damit sie sich auch nicht vom Acker machen können. Eine Infotafel wird angebracht, damit Passant*innen verstehen, wieso mitten im urbanen Raum Schafe oder Ziegen grasen sollten. 

Mit dem Weidegang im Oktober beziehungsweise November findet auf den genannten Flächen der zweite und für dieses Jahr letzte Weidegang statt, weil es sich dabei um nährstoffarme Weiden handelt. Nährstoffreiche Weiden hingegen können auch dreimal gemäht werden, wie Neumann sagt. Denn: Besonders im städtischen Bereich wachse die Vegetation bis in den Winter hinein. Würde man schon früh im Herbst aufhören zu weiden, wäre die Weide in der kommenden Saison nährstoffreicher, was nicht immer erwünscht sei. Stadtgärtner Trueb ergänzt: «Gewisse Pflanzen sind angewiesen auf ein mageres Milieu, sonst werden sie von anderen Pflanzen verdrängt.»

Weidesaison am Auslaufen

Neumann ist nicht der einzige Anbieter solcher Dienstleistungen in der Stadt. Die Schwesterfirma Naturpflege ist ebenfalls aktiv. Wie Geschäftsinhaber und Landschaftsarchitekt Christian Fluri sagt, zählten neben der Stadtgärtnerei die Christoph-Merian-Stiftung, die SBB, BVB oder Privatpersonen zu ihren Kund*innen. Bei ihnen ist die Weidesaison jedoch bereits am Auslaufen: «Die meiste Beweidung ist im Oktober vorbei.» 

Fluri
«Die meiste Beweidung ist im Oktober vorbei.» 
Christian Fluri, Landschaftsarchitekt

Doch im kommenden Frühling und im Sommer, wenn die Matten fett sind, finden sich auch von Fluri wieder Walliser Landschafe, Engadiner Schafe oder Bündner Steinziegen an verschiedensten Orten der Stadt wieder: im Gellertquartier um den Schwarzpark herum, am Jakobsberg oder bei der Steinerschule auf dem Bruderholz sowie in der Entenweidstrasse und im Wasenboden im St. Johann. 

Übrigens gibt es auch am Rheinufer Schafe, allerdings elsässische. Die sogenannte Ecopaturage wird von einem französischen Landschaftsarchitekten betrieben. Andere Länder, andere Sitten stimmt in diesem Fall also nicht. Und auch der Geruch ist hüben wie drüben der Gleiche: tierisch. 

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hiess es fälschlicherweise, das tierische Mähen sei ein Vielfaches teurer als das mechanische.

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Valerie Zaslawski

Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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