Spielgruppen auf verlorenem Posten?
Seitdem die Betreuung in Kitas subventioniert wird, klagen Spielgruppen vermehrt über Existenznöte. Deren Dachverband fordert daher, dass Spielgruppen künftig als Vorstufe des Kindergartens vom Kanton getragen werden sollen.
Die Zeiten für Spielgruppen sind nicht einfach. Einige der rund 50 Einrichtungen in Basel müssen um ihre Existenz kämpfen oder haben ihr Angebot bereits reduziert. Der Grund: Immer mehr Eltern entscheiden sich dafür, ihr Kind in die Kita statt in eine Spielgruppe zu schicken. Auch wenn sich die Angebote der beiden Institutionen kaum vergleichen lassen, sprechen oftmals die längeren Betreuungszeiten für die Kita.
Zudem hat der Regierungsrat im Oktober 2023 ein Massnahmenpaket erlassen, das seit 1. August 2024 in Kraft ist. Mit den Massnahmen werden Eltern, die ihr Kind in entsprechenden Kindertagesstätten oder Tagesfamilien betreuen lassen, finanziell stark unterstützt. Spielgruppenleiter*innen sind enttäuscht. Obgleich sie mit dem Angebot der frühen Deutschförderung wichtige Integrationsarbeit im Sinne des Kantons leisten, müssen sie ums Überleben kämpfen.
Aufgrund der frühen Deutschförderung besuchen immer mehr Kinder mit Migrationshinterund und aus Expat-Familien Spielgruppen, während es für andere Familien oftmals attraktiver scheint, ihr Kind in die Kita zu bringen, statt in eine Spielgruppe. Dabei werde deren Bedeutung oft unterschätzt, findet Theres Hammel, Co-Leiterin der Spielgruppe Seifiblootere in der Breite. Sie sagt: «Unsere Einrichtung ist ein Ort, an dem Kinder und auch Eltern auf den Kindergarteneintritt vorbereitet werden. Sie bietet ein wichtiges Bildungsangebot in der frühkindlichen Förderung.»
In der Regel würden in Spielgruppen Kinder ab zweieinhalb bis drei Jahren bis zum Kindergarteneintritt wöchentlich ein bis drei Mal vor- oder nachmittags in festen Gruppen betreut. «Spielgruppen sind im Unterschied zu Kitas nicht als substanzielle Entlastung für Eltern, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, gedacht», so Hammel. Im Vordergrund stehe die Erweiterung der Begegnungs- und Erfahrungswelt der Kinder. Sie ist enttäuscht darüber, dass Spielgruppen wenig Wertschätzung und Anerkennung erfahren – zumal Spielgruppen mit der frühen Sprachförderung einen Lehrauftrag vom Kanton haben.
Es ist klar: Für Familien, in denen beide Eltern berufstätig sind, ist die Spielgruppe mit ihrem vergleichsweise geringen Betreuungsangebot kaum eine Option. Viele Eltern hätten das Spielgruppen-Angebot aber gar nicht mehr auf dem Schirm, beklagen Spielgruppenleiterinnen. «Spielgruppen haben keine Lobby und kämpfen seit vielen Jahren auf verlorenem Posten», sagt Seifiblootere-Co-Leiterin Betina Eriksen. Das neue Tagesbetreuungsgesetz habe die Situation noch prekärer gemacht. Denn der Kanton sei vor allem daran interessiert, mehr Kita-Plätze zu generieren, damit Eltern höherprozentig arbeiten können.
Spielgruppe als Vorkindergarten?
«Spielgruppen haben dabei das Nachsehen, weil sie wirtschaftlich nicht mit den Kitas konkurrieren können», so Eriksen. Sie ist auch Geschäftsleiterin des Dachverbands Basler Spielgruppen. Dessen Ziel ist es, dass Spielgruppen unter das Bildungsdach aufgenommen werden. «Alle Kinder sollen, wenn die Eltern es wünschen, gratis eine Spielgruppe im Sinne eines Vorkindergartens besuchen können.»
Durch die Einführung der frühen Deutschförderung beginne für einen substanziellen Teil der Basler Kinder die schulische Bildungsbiografie mit dem Eintritt in die Spielgruppe. «Da ist es doch naheliegend, dass Spielgruppen als Vorstufe des Kindergartens gesehen und vom Kanton getragen werden», so Eriksen. Dieser Wunsch wurde bisher nicht erhört, auch wenn die Idee alles andere als neu ist.
So hat der heutige Bildungsdirektor Mustafa Atici in seiner Funktion als SP-Grossrat bereits 2007 eine Motion betreffend «Einführung von Vorkindergärten in Basel-Stadt» lanciert und 2019 in einer Interpellation gefragt: «Ist es für die Regierung vorstellbar, die finanzielle Unterstützung für den Besuch einer Spielgruppe auf alle Kinder (nicht nur Deutschobligatoriums-Kinder) auszudehnen, damit diese Kinder in den Genuss eines freiwilligen Spielgruppen-Besuchs an bspw. 2 halben Tagen pro Woche kämen?». Die Funktion des Besuchs einer Spielgruppe dürfe heutzutage nicht unterschätzt werden, schrieb er, denn die Spielgruppe sei eine wichtige Vorbereitung für die Hinführung zu Kindergartenstrukturen.
Fragile Situation
Eriksen sagt, dass Spielgruppen in Basel, die als Verein oder KMU organisiert sind, mit einer grossen Planungsunsicherheit kämpfen müssten: «Wir müssen Mieten und Löhne zahlen und erfahren meist erst im Mai oder Juni vom Kanton, wie viele Kinder im August die Spielgruppe besuchen.» Kitas würden vom Kanton gefördert und auch staatliche Fachstellen wie zum Beispiel die Sozialhilfe würden den Eltern eher eine Kita als eine Spielgruppe empfehlen. In einigen Quartieren sei die Lage sehr prekär. Die Spielgruppe Seifiblootere hat zwar ihre 40 Plätze füllen können, die Situation sei aber fragil. So habe die Spielgruppe Erlenmatt ihre Nachmittagsgruppe schliessen müssen und auch andere klagen über Existenznöte.
So auch Nicole Brütsch, Spielgruppenleiterin im Kindsgi Glaibasel: «Es ist für uns Spielgruppen finanziell zur Zeit schwierig, über die Runden zu kommen» so Brütsch. Auch ihr Wunsch wäre es, in die obligatorische Schule integriert zu werden. «Davon sind wir aber noch meilenweit entfernt.»
Die Kosten für die Spielgruppe Seifiblootere liegen für Selbstzahler*innen bei 12 Franken pro Stunde pro Kind, das sind immerhin 1440 Franken im Jahr pro Kind für 1/2 Tag Spielgruppe in der Woche. Wer Anrecht auf eine Prämienverbilligung bei den Krankenkassen hat, bekommt einen Beitrag an die Spielgruppenkosten. Nichts zahlen müssen Kinder, die die Spielgruppe im Rahmen der frühen Sprachförderung besuchen: Für sie zahlt der Kanton einen Betrag von 16,30 Franken pro Stunde.
Neues Finanzierungsmodell
Aktuell fordern SP-Grossrätin Franziska Roth und SVP-Grossrätin Jenny Schweizer in einer Motion ein neues Finanzierungsmodell, damit der Spielgruppenbesuch künftig für alle Erziehungsberechtigten gleichermassen gerecht und finanziell attraktiv und tragbar sei. Das gemeinsame Vorgehen der beiden Politikerinnen zeigt, dass ihr Anliegen von links bis recht breit abgestützt sein dürfte.
Spielgruppen in die obligatorische Schule zu integrieren, scheint im Erziehungsdepartement aktuell kein Thema zu sein. Mediensprecherin Charlotte Staehelin sagt: «Im Vorschulbereich gibt es einzig bei der Frühen Deutschförderung ein Obligatorium. Alle Kinder, die kein oder nur wenig Deutsch sprechen, müssen in Basel-Stadt im Jahr vor dem Kindergarten mit dem Deutschlernen beginnen. Darüber hinaus gibt es kein Obligatorium vor dem Eintritt in den Kindergarten. Es ist auch keines vorgesehen.» Ob Atici sich als Bildungsdirektor noch immer für seine Idee aus dem Jahr 2019 einsetzen würde, um allen Kindern den Gratisbesuch in einer Spielgruppe zu ermöglichen? Ebenso offen ist, ob die Nachfrage nach Spielgruppen dann wieder ansteigen würde – oder ob das Modell ausgedient hat, weil ganztägige Betreuungsangebote der Kitas heutzutage viel eher dem Bedarf der Eltern entsprechen.