Schwimmen ohne Maske – Schulen halten am Schwimmunterricht fest
Kinder sind stark von Omikron betroffen. Eltern kritisieren, dass die Schüler*innen trotz hoher Infektionszahlen in den Schwimmunterricht müssen.
Omikron ist deutlich ansteckender als bisherige Virusvarianten, das zeigen die rekordhohen Corona-Infektionszahlen. Auch Kinder trifft es stärker, als noch in der Vergangenheit. Letzte Woche wurden an Basler Schulen so viele positive Fälle verzeichnet, wie noch nie.
Nach viel Druck sind die Massnahmen ab dem 3. Januar 2022 angepasst worden: Lehrpersonen und Schüler*innen ab der 1. Klasse tragen während des Unterrichts wieder Masken, es werden wöchentlich obligatorische Pooltests durchgeführt.
In einem Unterrichtsraum sind die Massnahmen aber nicht umsetzbar: Beim Schwimmunterricht ist das Tragen der Maske unmöglich.
«Weshalb macht man diese Ausnahme für den Schwimmunterricht jetzt, wo die Zahlen gerade durch die Decke gehen?», fragt sich Christian Walter. Sein Sohn besucht die Primarschule. Im vergangenen Jahr lancierte der Vater aus Basel eine Petition, die ein strikteres Corona-Schutzkonzept für Schulen forderte. Er würde sich wünschen, dass die Schulen den Schwimmunterricht für den Moment pausieren.
Von Fachexpert*innen gebe es keine Empfehlung, auf den obligatorischen Schwimmunterricht zu verzichten, erklärt Anne Tschudin, Kommunikationsbeauftragte des Gesundheitsdepartements. Für sie ist es eine Frage der Prioritäten: «Dass Kinder gut schwimmen können, ist eine wichtige Unfallpräventionsmassnahme, die in der Abwägung gegenüber einer potentiellen Corona-Ansteckung höher zu gewichten ist», sagt Tschudin. Diese Entscheidung sei in Absprache zwischen Gesundheits- und Erziehungsdepartement gefällt worden. «Es gilt, pädagogische und epidemiologische Aspekte gegeneinander abzuwägen», bestätigt Simon Thiriet, Sprecher des Basler Erziehungsdepartements (ED).
«Weshalb macht man diese Ausnahme für den Schwimmunterricht, jetzt, wo die Zahlen gerade durch die Decke gehen?»Christian Walter, Vater
Walter genügt diese Erklärung nicht. «Der Schwimmunterricht findet alle zwei Wochen statt. Wenn man bis Ende März darauf verzichtet, wären das fünf Lektionen, die ausfällen würden. Das sollte es vertragen», meint er.
Christian Walter ist nicht alleine mit seinem Unmut. Für gewisse Eltern gehen die kürzlich beschlossenen Massnahmen an Schulen noch immer nicht weit genug.
Susanne Eberharts Kind ist zwar nicht mehr im schulpflichtigen Alter, die Baslerin verfolgt die Situation an den Schulen aber aufmerksam. Sie teilt die kritische Einschätzung Walters: «Schwimmunterricht – wo natürlich keine Masken getragen werden können – finde ich in der aktuellen Situation nicht gut», sagt sie.
Lüften statt filtern
Walter und Eberhart machen der Regierung bereits seit Wochen Druck, konsequenter an den Schulen gegen das Virus vorzugehen. Eine Forderung der beiden, die unerfüllt blieb, sind CO2-Messgeräte und Luftfilter in Klassenzimmern.
«Was in meinen Augen noch wichtig wäre und leider ausstehend ist, sind Investitionen in die Luftqualität (CO2-Messungen und Luftfilter). Diese wären auch sinnvoll nach der Pandemie. Gute Luft in Klassenzimmern ist generell wichtig für die Konzentration», sagt Susanne Eberhart.
«Dass Kinder gut schwimmen können, ist eine wichtige Unfallpräventionsmassnahmen, die in der Abwägung gegenüber einer potentiellen Corona-Ansteckung höher zu gewichten ist.»Anne Tschudin, Sprecherin des Gesundheitsdepartements Basel-Stadt
Neben dem Testen und der Maskenpflicht, setzen die Schulenauf regelmässiges Lüften in den Klassenzimmern. Luftfilteranlagen? Fehlanzeige. Das Lüften sei praktisch genauso effektiv wie raumlufttechnische Anlagen, entgegnet Anne Tschudin.
Ein Vorgehen, das Walter noch immer sauer aufstösst. Er hatte für die Klasse seines Sohnes einen CO2-Filter gekauft – den die Schule aber nicht zum Einsatz bringen wollte.
Spucktests am Sonntag?
Immerhin, hält Christian Walter fest, müsse man nicht mehr darüber diskutieren, ob Schulen geschlossen werden müssen, oder nicht. Das Tempo der Regierung, findet Walter aber zu zögerlich. «Lange hiess es: Spucktests gehen nicht, das ist zu aufwendig und rechtlich heikel und plötzlich geht es doch», sagt Walter.
-Allerdings muss man sagen: Basel-Stadt war schweizweit einer der ersten Kantone, der flächendeckende Pool-Tests in Betrieben und Schulen eingeführt hat. Nach den Sommerferien wurden im August 2021 die repetitiven Tests auf alle Schulstufen ausgedehnt, seit dem 3. Januar 2022 ist die Teilnahme neu obligatorisch.
Kritiker*innen und die schweigende Mehrheit
Anders als Walter und Eberhard stören sich manche Eltern bereits ab den geltenden Massnahmen. Sie gehen gegen die Maskenpflicht mit ärztlichen Attesten vor, wie Bajour-Leser*innen berichten. ED-Sprecher Simon Thiriet bestätigt diese Information. Es handle sich dabei aber, verglichen mit den insgesamt 25’000 Schüler*innen im Kanton, um Einzelfälle, die das Gesundheitsdepartement sorgfältig prüfen würde, so Thiriet: «Allerdings lösen diese Fälle einen grossen administrativen Aufwand aus. Und sie verlangen viel Fingerspitzengefühl von Lehrpersonen und Schulleitungen.»
Wer ohne gültiges ärztliches Attest auf das Tragen der Maske verzichtet, verstösst gegen rechtliche Vorgaben. Bevor jedoch gebüsst wird, suchen Lehrpersonen und Schulleitungen das Gespräch mit den betroffenen Eltern, wie das in der Primarschule in Reinach der Fall war, als mehrere Familien sich kritisch gegenüber den Massnahmen geäussert hatten.
Thiriet hält fest, dass das ED bestrebt sei, Kinder weiterhin am Unterricht teilhaben zu lassen, damit sie nicht wegen der Maskenverweigerung der Eltern Lernstoff verpassen: «Deshalb werden immer Lösungen gesucht.»
Dass man es beiden Seiten nicht recht machen kann, merkt auch Gymnasiallehrerin Martina Waltimo. Manche Eltern beklagten sich über zu lasche Sicherheitsvorkehrungen, während andere wiederum mit den Massnahmen Mühe hätten. «Schimpfende Eltern zermürben uns mit der Zeit. Die Schulen müssen etwas ausbaden, für das sie gar nichts können. Und glauben Sie mir: Ich weiss als Mutter gut, dass die aktuelle Situation auch für die Eltern sehr belastend sein kann», sagte sie zur «BaZ».
Beide Seiten sind laut, vergessen darf man dabei aber nicht die schweigende Mehrheit, die die Strategie des Kantons ohne Protest mitträgt.
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