Abwasseranalyse: Erstmals kann Fentanyl nachgewiesen werden
Basler Forscher*innen haben eine Methode entwickelt, wie bereits geringe Mengen Fentanyl im Abwasser nachgewiesen werden können. Das sind mehr als gute Nachrichten.
Die Angst ist gross: Weil die Taliban den Mohnanbau in Afghanistan verboten haben, wird Heroin weltweit immer rarer. Synthetische Opioide wie Fentanyl oder Nitazene könnten die Lücke füllen. So bereiten sich auch in Basel Fachleute und Quartiere auf eine mögliche Ausbreitung der Schreckensdrogen vor. Eine extra dafür gegründete Arbeitsgruppe betreibt ein Drogen-Monitoring und befasst sich mit Behandlungsformen – auch, um den öffentlichen Raum im Falle einer Opioid-Krise zu entlasten. Denn: Zustände wie in den USA, wo Fentanyl-Süchtige und auch -Tote in den Strassen liegen, will hier niemand.
Da darf man von einem Glücksfall sprechen, dass den Forscher*innen um Miriam Langer von der FHNW/Eawag (ETH-Wasserforschungsinstitut) mit Unterstützung des Basler Instituts für Rechtsmedizin (IRM) just jetzt ein kleiner Coup gelungen ist: Sie konnten dank Fentanyl-Proben, die vom IRM aus den USA importiert worden sind, im Rahmen einer Bachelor-Arbeit schweizweit als Erstes eine Methode entwickeln, mit der sich an Hotspots auch geringe Mengen Fentanyl im Abwasser nachweisen lassen.
Monitoring, zu dem neben Drug-Checking in Clubs oder in Drogen-Anlaufstellen auch die Wasseranalytik gehört, ist aus einem Präventionsgedanken heraus elementar wichtig, weil dadurch rasch erkannt werden kann, ob eine Droge bereits im Umlauf ist und ob entsprechende Massnahmen ergriffen werden müssen.
Soviel vorweg: Nach wie vor gibt es keine Beobachtungen zu vermehrtem Auftreten der synthetischen Opioide in der Schweiz. Doch mit dem Drogen-Checking erreicht man nur einen Bruchteil der Konsumierenden. Der Nachweis im Wasser war – anders als beim viel konsumierten Kokain – bisher technisch nicht möglich. Die Methoden der Eawag, welche das Abwasser in Kläranlagen verschiedener Schweizer Städte untersucht, waren nicht dafür ausgelegt, die neue und noch kaum konsumierte Droge Fentanyl zu detektieren (sprich: zu wenig sensitiv). Im Gespräch mit Bajour sagt Langer, die die Lücke bearbeitet hat: «Wir sind startklar! Die Methode steht, das Personal ist da.» Und die Zeit drängt. So wünscht sie sich, dass «wir in Basel erst gar kein Problem mit Fentanyl bekommen».
Einzig das Geld fehlt noch, weshalb Langer derzeit versucht, Stiftungen und Behörden von ihrem Projekt zu überzeugen. Regine Steinauer, Leiterin Abteilung Sucht im Gesundheitsdepartement, sagt auf Anfrage: «Aktuell diskutiert das IRM mit der FHNW die Umsetzung einer zukünftigen Wasseranalytik in Basel.» Detailfragen werden aber erst am Drogenstammtisch beantwortet, den Bajour gemeinsam mit dem Stadtteilsekretariat Kleinbasel organisiert und an dem dieses Mal auch Regierungsrat Lukas Engelberger teilnehmen wird.
Im Kleinbasel ist man denn auch besonders auf der Hut. Denn: Dieser Stadtteil ist vom Drogenproblem stärker als andere betroffen. Und genau hier setzt die Methodik von Langer an. Wie sie erklärt, können die Proben an ausgesuchten Hotspots – wie dem Kleinbasel – genommen werden. So haben die Forscher*innen an vier Standorten im unterirdischen Kanalsystem gemeinsam mit dem Tiefbauamt sogenannte Passiv-Sammler ausgelegt, also Trägermaterialien, an denen das Wasser vorbeiströmt. Und im Labor die Proben auf die 23 neueren Substanzen – darunter neue Drogen wie Fentanyl und Norfentanyl, quasi die ausgeschiedene Stammdroge – untersucht.
«Glücklicherweise», sagt Langer, «ist Fentanyl nicht nachgewiesen worden.» Um sicher zu gehen, dass der Test funktioniert, machten die Wissenschafter*innen zusätzlich eine sogenannte Positivkontrolle. Für diesen Versuch mussten sie eine sehr kleine Menge des Fentanyls aus den USA und den sogenannten Metabolit Norfentanyl ins Abwasser «spiken». Und, wie Langer sagt: «Dort war es ohne Probleme möglich, Fentanyl im Kanalwasser zu sehen.» Oder etwas euphorischer: «Bei Fentanyl kann ich heute zu 100 Prozent sagen: Die Wasseranalytik funktioniert!» Nicht möglich ist mit der aktuellen Methodik jedoch, eine Konzentration zu bestimmen, sprich: wurde viel oder wenig konsumiert. Doch es könne gezeigt werden, ob die Droge an allen oder eben nur an einigen Hotspots nachgewiesen werden konnte.
Die Resultate möchte Langer in sogenannten Heatmaps einzeichnen, also in einer grafischen Karte – und diese den Behörden und den Präventionsbeauftragten zugänglich machen. Der Ball ist nun also bei potentiellen Geldgeber*innen und sie müssen entscheiden, ob sie in ein Präventionsinstrument investieren wollen, das Hotspot basiert, also flexibel einsetzbar und anonym ist. So dürfte die Zukunft des Projekts und vielleicht auch jene des Kleinbasels von diesen Fördergeldern abhängen.