Soll ich?

Selbstverantwortung klingt gut, ist aber ganz schön anstrengend. Und unfair, findet unser Autor Samuel Hufschmid.

Apero
Teamapéro oder kein Teamapéro – das ist hier die Frage. (Bild: Unsplash / Sigmund)

Wir haben heute Morgen die Briefing-Leser*innen gefragt: wie geht es euch mit den Lockerungen? Nur ein Viertel der über 500 Teilnehmer*innen haben «Endlich vorbei!» geklickt, die überwältigende Mehrheit fand, dass es zu schnell gehe. Ich habe «endlich» gewählt, musste aber bereits Stunden später feststellen, dass das Leben nun plötzlich wieder kompliziert geworden ist. 

Heute Abend findet unser mehrfach verschobener Team-Apéro statt. Ich arbeite seit Monaten mit Menschen, die ich kaum je im echten Leben und noch gar nie im echten Leben und ohne Maske gesehen habe. Es wäre also an der Zeit, anzustossen. Gleichzeitig ist Corona so nah wie noch nie – der Depooling-Test einer meiner Töchter war am Dienstag positiv. Was jetzt?

Die ganze Pandemie hindurch habe ich mich an die Vorgaben des Bundesrats gehalten; Ich war kein übervorsichtiger Musterschüler, aber ich habe dort Maske getragen, wo es vorgeschrieben war und habe mich impfen und boostern lassen. Hielte ich an dieser Strategie fest, würden die Gläser heute Abend klirren. Aber will ich das?

Ich frage deshalb das Team. Aber wie sich zeigt, ist zu fragen in diesem Fall einfacher als zu antworten (weil wir sind ja nicht nur ängstlich, sondern auch höflich). Simpler ist es überall dort, wo fragen nicht nötig ist, im Fitnessstudio zum Beispiel. Zwar könnte ich dort noch viel mehr Menschen anstecken (und von noch mehr Menschen angesteckt werden), aber wir kennen uns nicht. Es geht niemanden etwas an, ob die schwitzende Frau auf dem Laufband gegenüber geimpft ist oder ob meine Tochter positiv getestet wurde. 

Anonymes Anstecken ist einfacher

Das Problem der bundesrätlichen Öffnungsparty ist, dass er die Lockerungen an Eigenverantwortung knüpft. Eigenverantwortung impliziert, dass es etwas zu verhindern gibt (also eigentlich auch weiterhin Massnahmen nötig wären).

Denn hätte er gesagt: Wir öffnen und alle sollen ab sofort wieder alles machen, Omikron wird uns sowieso alle infizieren, dann wäre die Apéro-Teilnahme (die hier sinnbildlich für viele weitere Entscheidungen in den nächsten Wochen steht) geklärt – 🥂. Die Bevölkerung explizit zur Durchseuchung freigegeben, das hat der Bundesrat aber nicht – geschieht es dennoch, war es … fehlende Eigenverantwortung!

Phu. Auf all das brauche ich jetzt ein 🍺. Bleibt die Frage: am Teamapéro?

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Samuel Hufschmid

Samuel hat als Lokal- und Datenjournalist bei «20 Minuten» und der «bz Basel» gearbeitet, ehe er als Gründungsmitglied zu Bajour wechselte. Er prägte den Start des «Basel Briefings» und hat mehrere Crowd-Recherchen wie «wem gehört Basel?» verantwortet. Zusammen mit dem Datenjournalismus-Team von SRF hat er für Bajour übers Schwingen recherchiert und wurde 2023 mit dem «Swiss Press Award» ausgezeichnet. Seit 2024 gehört er der Geschäftsleitung an und kümmert sich um Marketing und Produktentwicklung.

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