Sexualstrafrecht: Was findest du?
Ein grosser Erfolg
Der Nationalrat bekennt sich mit seinem Entscheid für «Nur Ja heisst Ja» zur sexuellen Selbstbestimmung. Das ist ein wichtiger Schritt und grosser Erfolg für alle Menschen, welche seit Jahren für ein zeitgemässes Sexualstrafrecht kämpfen. Nun muss auch der Ständerat die starken Zeichen der Zeit erkennen und sich bewegen.
Quelle: Medienmitteilung Grüne Schweiz
Ja heisst Ja
Ich finde den Schritt der getan wurde richtig und wichtig . Ich hoffe dass es auch in den Köpfen der schweizerischen Patriarchaten endlich angekommen ist .
Ja-Heisst-Ja leben = den Gegenüber respektieren
Wir alle, inklusive EntscheidungsträgerInnen, sollten uns fragen, ob und wie wir Sexzustimmung im Alltag umsetzen. Wer nicht um die (Sex)Zustimmung des Gegenübers fragt- WARUM nicht? Angst von der Abweisung? Angst vom Verlust (des Partners/der Dominanz)?
Gewähren wir unserem Partner das Recht auf Selbstbestimmung?
Sind diejenigen, die deren Frau nicht um die Sexzustimmung fragen, die gleichen, die in der Ehe/Beziehung standardgemäss nicht verhüten?
Dieses Thema ist persönlich und greift in die kleinste Gesellschaftszelle-Familie und in deren Intime ein und muss auf der persönlichen Ebene angesprochen werden. Es geht um Respekt und Gewährung des Anspruchs des Gegenübers auf die sexuellen Selbstbestimmung.
Eine Frage der Haltung
Die Etablierung der «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regel im Gesetz ermöglicht künftigen Generationen den Respekt vor dem Menschenrecht auf sexuelle Selbstbestimmung zu lehren und die Sexualerziehung grundsätzlich zu verändern.
Verstaubte antiquierte Vorurteile sorgen dafür, dass sich Opfer schuldig fühlen: Der Rock zu kurz, das Nein nicht so gemeint. Nicht zuletzt die Aufarbeitung in den Medien kann solche Vorurteile gegenüber vergewaltigten Menschen reproduzieren.
Um etwas zu bewegen, müssen wir die gesellschaftliche Haltung gegenüber sexuellen Handlungen verändern. Es ist doch selbstverständlich, dass Sex immer auf Freiwilligkeit und Konsens basiert. Ohne Einvernehmen sind sexuelle Handlungen für die Betroffenen eine grobe Missachtung der sexuellen Selbstbestimmung und folglich eine Vergewaltigung.
Es geht um sexuelle Selbstbestimmung
Jede und jeder soll frei entscheiden können, ob, mit wem und wann sie oder er Sex haben will. Es geht um sexuelle Selbstbestimmung, nicht um Beweislastumkehr. Konsens ist nicht dasselbe wie fehlender Dissens. Die Bereitschaft zum Sex darf nicht vorausgesetzt werden. Die sog. Zustimmungsvermutung ist überholt und hat mit sexueller Selbstbestimmung nichts zu tun. Deshalb braucht es klar die Zustimmungslösung «Nur ein Ja ist ein Ja». Auch wenn dadurch das Beweisproblem in einem allfälligen Prozess nicht verändert wird.
Nur einvernehmlicher Sex soll legal sein
Eine Handlung zwischen zwei oder mehreren Personen setzt eine Zustimmung oder einen Konsens voraus. Weshalb sollte dies im Bereich sexueller Handlungen anders sein? Nur wenn alle Involvierten einverstanden sind, dürfen sexuelle Handlungen vorgenommen werden.
Aus meiner Sicht soll sich das Opfer nicht mehr länger für sein Verhalten rechtfertigen müssen. Es soll irrelevant sein, weshalb ein Opfer nicht geschrien, den Ort nicht verlassen hat oder sich nicht zur Wehr setzte. Denn viele Opfer verfallen in einer für sie als bedrohlich empfundenen Situation in eine Schockstarre, das sogenannte «Freezing», und können sich dann weder verbal noch physisch zur Wehr setzen. Deshalb: nur einvernehmlicher Sex soll legal sein, nur Ja heisst Ja!
Eine Frage des Weltbildes
Eigentlich ist es doch selbstverständlich, dass Sex nur einvernehmlich erfolgen soll. Interessanterweise beanspruchen diese Argumentation sowohl Befürwortende wie auch Kritiker*innen von «Nur Ja heisst Ja» für sich. An was liegt das? Meine These: Es liegt an unterschiedlichen Verständnissen von Sexualität. So geht «Nur Ja heisst Ja» davon aus, dass die Abwesenheit eines Nein noch lange nicht bedeutet, dass ich Sex will. Wenn ich einverstanden bin und Sex will, kann ich das verbal und nonverbal, z. B. durch mitmachen, kommunizieren. Bei «Nein heisst Nein» hingegen wird ein grundsätzlicher Anspruch auf Sex gesehen, solange keine Ablehnung signalisiert wird. Sex quasi als frei verfügbares Gut. Das widerspricht diametral unserem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Für mich ist daher klar: Nur ein Ja ist ein Ja.
Natürlich stellen sich bei einer #NurJaheisstJa Lösung in den konkreten Fällen Abgrenzungsfragen. Nur, das ist doch irgendwie genau der Grund, weshalb wir Gerichte haben, oder? Das Problem stellt sich überall im Recht. Sex nur mit Zustimmung. Ist eigentlich keine Rocket Science.
ENDLICH!
Die Opferhilfe beider Basel begrüsst den (über-)fälligen „Nur JA heisst JA“ Entscheid des Nationalrats. Es ist gesellschaftspolitisch ein wichtiges Signal.
Wir beraten im Schnitt fünf gewaltbetroffene Frauen pro Tag. Die Mehrheit sind Opfer von sexualisierter Gewalt. Aktuell nimmt das Opfer oft Schuldvorwürfe auf sich oder wird mit solchen konfrontiert, dass es evtl. zu wenig vehement „Nein“ gesagt hat. Dieser „Nur JA heisst JA“ Entscheid ist psychologisch entlastend für Opfer und führt zu weniger Schuldgefühlen.
Es ist für unsere Gesellschaft nun eine wichtige Grundlage in der Sexualerziehung, dass einvernehmlicher Sex nur mit „JA + JA“ möglich ist.
Ständerat, zieh nach! Konsens ist in allen Lebensbereichen die Basis des Handelns!
Beides
Nur Ja heisst Ja und Nein heisst Nein. Die Beweisführung bleibt schwierig. Regelungen gelten übrigens für alle Beteiligten.
Am Schluss ist es eine Beweisfrage
Ich bin dafür, dass man den alten Spruch «ein Nein ist ein vielleicht» endlich aus den Köpfen löscht, Nein heisst Nein und Ja heisst Ja. Dafür müssen wir die jungen Frauen auch ermutigen, weniger zurückhaltend aufzutreten. Ich musste auch lange daran arbeiten, dezidierter zu werden. Als Juristin muss ich mich fast für die Widerspruchslösung aussprechen, weil ich nämlich nicht glaube, dass «Ja heisst Ja» den Opfern hilft, wenn es um eine Verurteilung geht. Am Schluss ist es ja vor allem eine Beweisfrage und mit dem Grundsatz «in dubio pro reo» wird das vor Gericht sehr schwierig.
Die Binarisierung von Handlungspraxis: Bärendienst für Achtsamkeit
Die Diskussion ist bezeichnend für eine Gesellschaft, die jede Handlungspraxis reglementieren will. Die schwarz und weiss kennt, nichts aber dazwischen. Die verlernt hat, das Graduelle zu kultivieren. Die annimmt, eine verrechtlichte, binarisierte Welt sei die bessere, die sichere. Was hiesse ein Ja? Dass ab dann alles erlaubt? Ich hoffe nicht!! Fragen des Was-genau, des Wie-weit etc., wo haben sie noch Platz? Zurückweisungen müssen immer möglich sein. Mit Worten, zugleich auch ohne. Ein expliziertes Ja macht es schwerer, subtile Zeichen zu lesen. Und: Was an Orten des sexe sur place? Da geht es um konkludentes Handeln, da muss (und will) oft nicht gesprochen werden. Was stellt diese Reglementierungswut an, dringt sie in solch «andere Orte» (Foucault)? Orte, die auf gegenseitigen Respekt setzen, auch ohne Rede? Unterwandert die Binarisierung des Handelns in ein Ja und Nein den Respekt und die Achtsamkeit im Moment, dann ist dem sorgsamen Umgang miteinander ein Bärendienst erwiesen.
Nein ist Nein! Ansonsten dochbgleich mit schriftlicher Einwilligung, die immer auf dem Nachttisch bereit liegt. Dann könnte nur noch die Suche nach einem Kugelschreiber die Romantik kaputt machen.
Nicht mehr Klarheit
Ein stillschweigendes Ja bringt nicht mehr Klarheit als ein stillschweigendes Nein.
Quelle: Keystone SDA