Alichan wünscht sich glücklichere Menschen
Die Zufriedenheit der Basler Jugendlichen ist mit 95 Prozent zwar hoch, aber rückläufig. Alichan erzählt, was ihn umtreibt.
Vor dem Jugendzentrum Dreirosen sitzt Alichan auf einer Bank. Seine dunkle Cap hat er gegen die Sonne in die Stirn gezogen. Er ist 18 und besucht neben seiner Lehre zum Elektroinstallateur die Berufsschule. Bald kommt er ins dritte von vier Lehrjahren. Seine berufliche Zukunft bereitet ihm kein Kopfzerbrechen.
Bei vielen der in Basel lebenden Jugendlichen ist das anders, wie das Statistische Amt bei der neuesten Jugendbefragung 2021 herausfand. Schule und Ausbildung machen ihnen am meisten Sorgen, gefolgt von den Themen Umwelt und Klima sowie Rassismus. Der Einstieg ins Berufsleben liegt auf Platz vier.
Trotzdem leben 95 Prozent der Teenager*innen gerne in Basel. Damit ist die Zufriedenheit nach wie vor hoch, nahm aber seit 2017 (98 Prozent) ab. Dieser Trend setzte laut Mitteilung bereits vor der Pandemie ein und ist schweizweit zu beobachten. Alichan gehört wohl zu denjenigen, die den Zufriedenheitstrend nach unten ziehen. Aber nicht aus den oben genannten Gründen. «Die Stimmung der Leute ist oft sehr depri. Alle sollten einfach besser drauf sein», findet er.
Dafür treiben ihn die Top-Sorgen der Basler Jugendlichen weniger um. «Vor der Zukunft habe ich keine Angst», erzählt er und lehnt sich ein bisschen weiter zurück. Und auch zum Klima meint er: «Jeder kann über den Klimawandel reden, aber man muss handeln. Ich achte schon auf Nachhaltigkeit, will mich deswegen aber auch nicht fertig machen.»
Zudem steht auch Rassismus bei ihm nicht auf der Sorgenliste. Er ist als Fünfjähriger aus Tschetschenien hierhergekommen. «Probleme mit Rassismus habe ich aber keine. Wir machen im Freundeskreis sogar oft Witze darüber. Das ist einfach unser Humor und es stört keinen.»
«Man kann Stress gut mit Worten klären»
96 Prozent der männlichen Teenager, bewegen sich tagsüber ohne Bedenken zu Fuss in der Stadt. Auch Alichan gehört zu ihnen: «In Basel fühle ich mich sicher, man kann Stress gut mit Worten klären.» Bei den weiblichen Jugendlichen sind es hingegen nur 86 Prozent. Noch signifikanter ist der Unterschied in der Nacht. Da fühlen sich 85 Prozent der männlichen, und nur 52 Prozent der weiblichen Teenager sicher.
Alichan verbringt viel Zeit im Internet und sieht sich Dokus zu allen möglichen Themen auf Youtube an. Wie die Befragung des Statistischen Amts zeigt, stehen Online Medien bei der Freizeitgestaltung der Jugendlichen an erster Stelle. Alichan hat aber auch noch andere Hobbys: «In meiner Freizeit gehe ich viel mit meinen Kollegen raus oder mache Spaziergänge allein. Im Sommer gehe ich gern baden – im Rhein oder in der Badi.»
Die Hälfte aller Basler Jugendlichen ist zudem Mitglied in einem Sportverein. Vielleicht wäre Alichan das heute auch noch. «Ich habe früher Thaiboxen gemacht, hörte aber auf damit, nachdem ich mir die Nase gebrochen habe», erzählt er. Jetzt wolle er mit Fitness anfangen.
Die Mehrheit der Jugendlichen findet übrigens, dass sie genügend Freizeit hat. Wie Alichan verbringen sie diese gerne am Rheinufer. Der Ort ist aber ambivalent, denn andere geben in der Befragung an, ihn bewusst zu meiden.
Die Zahl derer, die finden, es sollte mehr Orte geben, an denen sie von Erwachsenen ungestört bleiben können, ist gestiegen. Gut also, dass sich die Journalistin wieder zurückzieht und Alichan den Sonnenplatz überlässt.
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