Sorgen einer Töpferin

Bajour-Leserin Esther Lattner ist selbstständige Töpferin. Das grösste Geschäft des Jahres macht sie an der Herbstmesse und den Weihnachtsmärkten – beide stehen aktuell noch auf der Kippe.

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Esther Lattners Stand an der Herbstmesse (zvg)

Diese Geschichte beginnt mit einer E-Mail. Bajour-Leserin Esther Lattner meldete sich bei uns, nachdem ihr eins unserer morgendlichen Briefings besonders gut gefallen hat. Nach einem kurzen Austausch war klar: Esther hat selber eine Geschichte, die vielen Bajour-Leser*innen aus dem Herzen sprechen dürfte. 

Die 53-Jährige lebt im Gundeli und führt seit 2004 ihre eigene Töpferei. Die Ausbildung zur Töpferin hat sie direkt nach der Schule gemacht, der Weg führte dann aber nicht direkt zum eigenen Atelier: «Ich habe zuerst ein bisschen Kunst gemacht und meinen Sohn aufgezogen», erzählt Esther.

Heute gehört der Stand an der Herbstmesse und an den Weihnachtsmärkten am Münsterplatz und Barfüsserplatz zu ihren jährlichen Highlights. Esthers Spezialität sind Fasnachtsfiguren, die sie auch auf Auftrag ihrer Kund*innen herstellt. Für eingefleischte Cliquen-Mitglieder formt Esther Figuren mit den eigenen Kostümen, Mini-Me's aus Ton. Dass die Basler Fasnacht dieses Jahr aufgrund der Corona-Massnahmen abgesagt wurde, spürte auch Esther: «Durch den Ausfall der Fasnacht erhielt ich deutlich weniger Aufträge für Figuren, und auch weniger Aufträge für Jubiläen. Da merkt man schon, dass auch die ganzen Cliquen-internen Veranstaltungen abgesagt wurden.»

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Esther Lattner töpfert massgeschneiderte Fastnachtsfiguren (zvg)
«Für mich sind Herbstmesse und Weihnachtsmarkt wie für die Bäuerin der Herbst mit der Ernte.»
Esther Lattner, Töpferin und Bajour-Leserin der ersten Stunde

Dabei wären genau diese Aufträge wichtig für Esther. Aktuell steht trotz der neuesten Lockerungen des Bundesrats noch in den Sternen, ob die Herbstmesse und die Weihnachtsmärkte stattfinden können – beides sind Anlässe, die weit über 1000 Besucher*innen nach Basel locken. Auch Abstand halten ist zwischen den Ständen kaum möglich.

«Für mich bedeuten diese Events das Gleiche, wie für eine Bäuerin der Herbst mit der Ernte», sagt Esther. Sie arbeitet das ganze Jahr über, um die Ware herzustellen, die sie in diesen Wochen verkauft: «Ich kaufe nichts dazu, sondern stelle alles selber her, deshalb braucht es auch viel Zeit, alle Produkte in genügender Anzahl anzufertigen».

Einen eigenen Laden gibt es nicht, und da die Werkstatt bei Esther zuhause ist, sieht die 53-Jährige ihre Kund*innen kaum während des Jahres. «Und so sind diese beiden Anlässe auch eine ganz tolle Möglichkeit, die Menschen zu treffen, die von meinem Geschirr angesprochen werden. Es gibt immer sehr schöne Begegnungen und wertvolles Feedback», erzählt sie. 

Mehr Rücksicht bedeutet schnellere Besserung

Falls die Weihnachtsmärkte und die Herbstmesse dieses Jahr nicht stattfinden könnten, wäre das schwierig für Esther. Sie würde den grössten Teil ihres Jahreseinkommens verlieren. Zwar gibt es einen Onlineshop, wo man ihre Werke bestellen kann, das reicht aber nicht: «Mit diesen Einnahmen kann ich höchstens einen Bruchteil ausgleichen.» Onlineshopping ersetze zudem nie den persönlichen Kontakt, die Stimmung am Stand, das Befühlen des Geschirrs, sagt sie. «Ausserdem erreicht man an der Herbstmesse und am Weihnachtsmarkt enorm viele Menschen, die sonst kaum auf einen aufmerksam würden», sagt Esther. 

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Können hoffentlich bald wieder in real life gekauft werden: Esthers Töpferarbeiten (zvg)

Die Krise, sagt sie, ist für viele Menschen eine enorm herausfordernde Zeit: «Und da reihe ich mich mit meinem kleinen Geschäft bei ganz vielen anderen ein, die in Existenznöte geraten mit ihren Firmen, als Freiberufler oder Künstler.»

Für die Töpferin ist aber klar: In der Schweiz gehe es uns noch immer vergleichsweise sehr gut und es gibt Hilfe, die wir in Anspruch nehmen können. «Deshalb finde ich es ganz wichtig, dass wir uns immer wieder bewusst sind, warum diese ganzen Massnahmen nötig und wichtig waren und noch immer sind: Damit wir gesund bleiben und nicht viele Leben aufs Spiel setzen, nur damit unsere Geschäfte weiter laufen.» Es sei genau jetzt wichtig, nicht nachzulassen und sich weiterhin verantwortungsbewusst an die Massnahmen zu halten. Denn: «Je mehr wir jetzt auf einander Rücksicht nehmen, desto schneller wird die Situation für alle wieder besser. Dann können solche Anlässe wie Herbstmesse und Weihnachtsmarkt vielleicht auch in irgendeiner Form stattfinden und wir uns alle wieder sicher und freier begegnen.» 

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