2025-02-12 Frage des Tages-1

Teure Therapieausbildung: Soll der Kanton einspringen?

Pro Monat gibt es in den beiden Basel drei bis zehn freie Therapieplätze. Angefragt werden monatlich allerdings rund 350 Plätze. Der Bedarf übersteigt also deutlich das Angebot – das beschreibt SP-Grossrätin Amina Trevisan in einer Motion, die sie im letzten Dezember eingereicht hat. Sie bezieht sich dabei auf Aussagen des Präsidenten des Verbands der Psychotherapeutinnen und Therapeuten beider Basel (VPB). Um die Situation kurz- und mittelfristig zu entschärfen, braucht es mehr Psychotherapeut*innen, findet Trevisan. Sie fordert, dass der Kanton die Therapieausbildung mitfinanziert. Bisher ist die Situation so: Wer Psychologie studiert hat und Psychotherapeutin werden möchte, absolviert nach dem regulären Studium noch eine Ausbildung, die selbst bezahlt werden muss. Gemäss Trevisan kostet diese rund 60’000 Franken. Sie fordert deshalb unter anderem, dass die angehenden Psychotherapeut*innen ausschliesslich 850 Franken pro Semester bezahlen müssen – das sind die üblichen Studiengebühren in Basel– der Rest soll vom Kanton übernommen werden. Der Regierungsrat findet das keine gute Idee, er empfiehlt, die Motion nicht zu überweisen oder sie in einen Anzug umzuwandeln, das teilt er am Dienstag mit. Damit die Versorgungssituation bezüglich der Therapieplätze verbessert wird, möchte er zunächst ein Monitoring durchführen.

1305 Stimmen
Valerie Wendenburg
Valerie Wendenburg
Moderation
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Gassan Gradwohl
Präsident Verband der Psychotherapeut:innen beider Basel VPB

Psychische Erkrankungen werden leider immer noch zu wenig ernst genommen

Natürlich müssen wir an einer Gesellschaft arbeiten, in welcher wir mit den Menschen besser umgehen: weniger physische und psychische Gewalt, weniger Diskriminierung, weniger Stress – mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Rücksichtnahme und Unterstützung, mehr Empathie. Das würde uns viel Psychotherapie ersparen! Zurzeit wird aber Psychotherapie dringend gebraucht und wir können Menschen mit einer psychischen Erkrankungen nicht einfach sitzen lassen. Für gewisse Patient:innengruppen beträgt die Wartezeit aktuell ein halbes Jahr, ein Jahr. Psychische Erkrankungen werden leider immer noch zu wenig ernst genommen. Oder würden wir Patientinnen und Patienten mit einem gebrochenen Bein auch so lange warten lassen?

Christoph Müller
12. Februar 2025 um 07:41

Fragwürdige Ausbildung

Die Ausbildung zur Psychotherapeutin, zum Psyhotherapeuten müsste hinterfragt werden. Ob es ein universitäres Pschylogiestudium braucht, um therapeutisch tätig zu sein, wäre zu überdenken. Meines Erachtens handelt es sich bei dieser Ausbildung um ein aufgeblasenes und über weite Strecken ineffizientes System. Ich kenne etliche Personen, die mit kürzeren, nicht akademischen Ausbildungsgrundlagen therapeutisch hervorragende Arbeit leisten. Das präsentiert sich oft unter anderen Berufsetiketten wie Coaching, Lebensberatung und diversen komplementärmedizinischen Disziplinen. Es gibt viel mehr therapeutische Ressourcen, als die die akademische Orthodoxie uns glauben machen willl. Dort wäre m. E. anzusetzen.

Amina Trevisan
Amina Trevisan
Grossrätin SP

Die Subvention der Psychotherapie-Weiterbildung ist eine Investition, die sich mehrfach lohnt. Mehr ausgebildete Psychotherapeut:innen können mehr psychisch Erkrankte unterstützen. Psychische Erkrankungen wirken sich auf alle Lebensbereiche der Betroffenen aus und können zu grossen Beeinträchtigungen führen. Oft fehlen Therapieplätze aufgrund des Fachkräftemangels. Viele Absolvent:innen können sich aber die hohen Ausbildungskosten nicht leisten. Nicht alle verfügen über Ersparnisse oder bekommen eine finanzielle Unterstützung durch die Familie. Zudem sind immer weniger Menschen bereit Kredite aufzunehmen, um die teure Ausbildung zu finanzieren und mit Schulden in den Beruf zu starten. Absolvent:innen orientieren sich deshalb beruflich um. Dies führt auf lange Sicht zu einem deutlichen Mangel an psychotherapeutischem Nachwuchs. Ein Mangel an Psychotherapeut:innen führt aber langfristig zu erheblichen Kosten für Gesellschaft und Wirtschaft, da psychische Erkrankungen unbehandelt bleiben.

Ueli Keller
12. Februar 2025 um 05:48

Für eine gesunde Welt

Therapie-Plätze für Kranke: Okay. Aber irgendwie kommt mir das Ganze wie ein Fass ohne Boden vor. Warum schaffen wir nicht gemeinsam eine Welt, die alle gesund erhält?

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Patrick Vögelin
Behindertenrechtaktivist

Mehrwert

Natürlich muss der Kanton einspringen, dann hätte man auch einen Mehrwert. Die andere Frage, die man auch stellen muss, ist doch, wieso so viele Leute die Hilfe brauchen?

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Lara Uebelhart
BA Kulturanthropologie und Medienwissenschaft/Fitness Coach

Mehr Zugänglichkeit zur Ausbildung - bessere Psychotherapeut*innen

Abgesehen davon, dass wir dringend mehr Plätze schaffen müssen, kann es nicht sein, dass nur finanziell privilegierte Menschen diese Ausbildung machen können. Wir brauchen unter den Fachkräften im Gesundheitsbereich unbedingt eine grosse Diversität an Hintergründen und Perspektiven. Psychotherapeut*innen behandeln ALLE Menschen und es ist wichtig, dass diese Vielfalt an Lebensrealitäten auch bei den Therapeut*innen besteht, um eine bessere Behandlung sicherstellen zu können. Die Zugänglichkeit zur Ausbildung so zu beschränken, ist einfach nicht zeitgemäss. Es gibt endlich ein höheres Mass an Bewusstsein für mentale Gesundheit (zum Glück!) und auf das Bedürfnis nach mehr Behandlung muss die Gesellschaft reagieren. Btw: Menschen waren schon immer psychisch krank, nur trauen sich mittlerweile viel mehr Personen, in die Behandlung zu gehen. Das ist ein wichtiger, toller Fortschritt!

Charles Martin
12. Februar 2025 um 10:56

Alternative Angebote fördern

Alles spricht für Psychotherapie. Deren Wert und Bedeutung will ich nicht in Abrede stellen. Aber so wie es viele unterschiedliche Menschen und unterschiedlichen Umgang mit schwierigen Lebenssituationen, Traumata und anderen psychischen Problemen gibt, so gibt es auch verschiedene Ansätze und Therapien. Da wäre beispielsweise die Kunsttherapie. Mal-, Musik-, Spielfiguren-Therapeutinnen und -Therapeuten haben viele gute Tools, mit denen sie nicht minder effizient helfen, Lücken füllen und Menschen ansprechen und deren Heilung befördern können. Sie können ergänzend oder anstelle von zum Zuge kommen. Warum gehen wir nicht, wie längst in der Medizin, komplementär vor und fördern auch diese "anderen" Richtungen aktiv mit? Etwas weniger hier, dafür etwas mehr da, wäre die Devise. Und über die Höhe der Beiträge darf man ruhig auch reden, eine Halbierung der Kosten könnte hilfreicher sein, zumal es noch andere Fördergelde, wie z.B. im Sozialen und bei den SpA, gibt.

Leonhard Müller
13. Februar 2025 um 19:36

Ursachen statt Syptome bekämpfen

Natürlich braucht es Massnahmen, damit psychisch kranken Menschen rasche Hilfe bekommen. Sinnvoll wäre es jedoch vor allem zu verhindern, dass Menschen überhaupt psyschisch krank werden. Klar ist das schwieriger. Aber vielleicht wäre hier ein Monitoring angezeigt, das die krankmachenden Faktoren unserer Gesellschaft und Wirtschaft transparent macht.

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