«50 bis 60 Prozent der Fusionen scheitern»

Nach der Übernahme der CS durch die UBS sind noch viele Fragen offen. Unser Autor Stefan Schuppli ordnet ein.

Logos of the Swiss banks Credit Suisse and UBS are seen next to traffic lights on two buildings in Zurich, Switzerland on Saturday, March 18, 2023. (KEYSTONE/Michael Buholzer).
Wie der Zusammenschluss von UBS und CS aussehen wird, ist noch unklar. (Bild: © KEYSTONE / MICHAEL BUHOLZER)

Ist die Übernahme der CS durch die UBS sinnvoll?

Es ist eine alte Weisheit: Wenn eine gesunde Firma eine kranke übernimmt, entsteht keine gesunde, sondern bestenfalls eine halbkranke Firma. Kommt dazu, dass Firmenzusammenschlüsse oftmals nicht die gewünschten Resultate bringen. «50 bis 60 Prozent der Fusionen scheitern sogar», sagt Lars Schweizer, Professor für Management und Mikroökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. «Je grösser die Fusion, desto grösser die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.» Dies, weil die Komplexität mit der Grösse zunimmt, sagt der Wissenschafter, der auch die mögliche Fusion der Deutschen Bank mit der Commerzbank untersucht hat. Bislang haben aber die beiden deutschen Banken auf einen Zusammenschluss verzichtet.

Mit einer Fusion würden keine Probleme gelöst, sondern nur auf eine höhere Ebene verschoben, heisst es zudem im Standardwerk für Unternehmensfinanzierung von Max Boemle. Die Firma müsse grundlegend neu ausgerichtet werden.

Bereits am Sonntag warnte der Bankfachmann Prof. Urs Birchler in der Rundschau von SRF, dass der Börsenkurs der UBS verlieren werde. Dies war gestern aber nur in den ersten Handelsstunden der Fall. Zuerst sackte die UBS an der Börse um 14 Prozent ab, dann erholte sich der Kurs bis zum Börsenschluss auf 17.39 Franken (+ 1,25 Prozent). Die CS-Titel erodierten um 56 Prozent auf 82 Rappen.

Wie wird der Zusammenschluss von UBS und CS aussehen?

Das ist noch offen. Es geht um tausende Arbeitsplätze. Denkbar ist, dass etwa das gut laufende Schweizer Geschäft der CS mit ihren zahlreichen Firmenkunden verselbständigt wird. Leitende Stellen dürften rasch durch UBS-Manager*innen besetzt werden. Das Problem von Fusionen ist, dass vielfach funktionierende Einheiten auseinandergerissen werden. Umgekehrt ist das Zusammenführen verschiedener Unternehmenskulturen oft ein schmerzhafter Prozess und braucht viel Zeit. In der Schweiz haben wir das bei der Integration der Swissair in die Crossair erlebt.

Wie viele Arbeitsplätze wird die Fusion kosten?

Auf dem Schweizer Arbeitsmarkt wird die Übernahme deutlich zu spüren sein, findet das in Basel ansässige Wirtschaftsanalyseinstitut BAK Economics. Die beiden Grossbanken haben in der Schweiz zusammen geschätzte 37’000 Stellen (Full Time Equivalents, FTE). Mittelfristig dürften durch die Ausdünnung des Filialnetztes und sonstigen Rationalisierungsmassnahmen geschätzte 9’500-12'000 FTE wegfallen, so die BAK. Das entspricht  0,3 Prozent der gesamten Schweizer Arbeitsplätze. Im Kanton Zürich werden die Veränderungen am stärksten spürbar sein. Das Rationalisierungspotenzial dürfte hier bei 6500 bis 8000 FTE liegen, was ca. 0,9 Prozent aller Arbeitsplätze im Kanton entspricht. Die negativen Effekte der CS-Krise bleiben grösstenteils auf den Bankensektor beschränkt.

«Je grösser die Fusion, desto grösser die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.»
Lars Schweizer, Professor für Management und Mikroökonomie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main

Die Lösung wurde in den vergangenen Tagen in einer beispiellosen Hauruck-Übung gezimmert. Warum diese Eile?

Es bestand offenbar Druck von Londoner Grossbanken. Die Drohung, dass diese ab Montag nicht mehr mit der CS zusammenarbeiten wollten, stand im Raum. Das Interbankengeschäft auf dem Finanzplatz London ist wichtig. Als am Sonntagabend bekannt gegeben wurde, dass die UBS einspringt, zeigten sich die wichtigsten offiziellen Akteur*innen der westlichen Finanzwelt – US-Finanzministerin Janet Yellen, US-Notenbank-Chef Jerome Powell und EZB-Chefin Christine Lagarde – sehr erleichtert.

Musste die CS also wegen des internationalen Drucks gerettet werden? Wie systemrelevant ist die Bank für die Schweiz? Was bedeutet Systemrelevanz in Bezug auf den Finanzmarkt?

Der internationale Druck spielte sicher eine Rolle. Aber es ist auch so, dass ein Konkurs der CS den Ruf des schweizerischen Finanzplatzes geschädigt hätte. Aus Schweizer Sicht gibt es handfeste Eigeninteressen. Ein Totalausfall der CS hätte für die schweizerische Volkswirtschaft und das Finanzsystem erheblichen Schaden angerichtet. Die CS ist systemrelevant. Diese Systemrelevanz beurteilt sich nach deren Grösse, nach deren Vernetzung mit dem Finanzsystem und der Volkswirtschaft sowie nach der kurzfristigen Ersetzbarkeit der von der Bank erbrachten Dienstleistungen. Massgebend ist die Bedeutung der Bank für das inländische Einlagen- und Kreditgeschäft sowie der Zahlungsverkehr. Auch die UBS, die Raiffeisen-Gruppe, Postfinance und die Zürcher Kantonalbank gehören zu der systemrelevanten Gruppe. Wer dazugehört, entscheidet die Nationalbank.

Diese Banken müssen höhere Sicherheitsanforderungen einhalten als andere Institute und müssen einen vorsorglichen Stabilisierungs- und Notfallplan aufweisen. Falls es nicht gelingt, eine Bank zu stabilisieren, muss die Finanzmarktaufsicht eine Sanierung durchführen oder eine geordnete Liquidation sicherstellen. 

Wurde die UBS vom Bundesrat, der Finanzmarktaufsicht und der Nationalbank gedrängt, die CS zu übernehmen?

Das sagten gestern einige Börsenanalysten, die These ist nicht von der Hand zu weisen. In der CS-Medienmitteilung klingt das so: «Am 19. März 2023 haben das Eidgenössische Finanzdepartement, die Schweizerische Nationalbank und die FINMA die Credit Suisse und die UBS aufgefordert, den Fusionsvertrag abzuschliessen. Gestützt auf die vom Bundesrat erlassene Notverordnung kann der Zusammenschluss ohne Genehmigung der Aktionärinnen und Aktionäre durchgeführt werden.»

Die UBS will sich schadlos halten. Erstens bekommt sie CS zum Schnäppchenpreis von drei Milliarden (UBS-Gewinn 2022: sieben Milliarden). Und zweitens spricht der Bund der UBS eine Garantie, mit der mögliche Risiken von bislang nicht bekannten «Leichen im Keller» der CS mit bis zu neun Milliarden abgegolten sind.

«Das Bankengesetz sieht vor, dass bei einer Unterstützung durch den Staat ein Dividendenverbot oder Massnahmen betreffend Löhne durch die Finma verfügt werden können»
Bundesrätin Karin Keller Sutter

Die Sicherheitsnetze, die nach der UBS-Rettung vor 15 Jahren installiert wurden, haben offenbar nicht funktioniert. Wie wird der CS jetzt auf die Finger geschaut?

Die Finanzmarktaufsicht denkt über Auflagen für die CS-Leitung nach. «Das Bankengesetz sieht beispielsweise vor, dass bei einer Unterstützung durch den Staat ein Dividendenverbot oder Massnahmen betreffend Löhne durch die Finma verfügt werden können», sagte Bundesrätin Karin Keller Sutter am Sonntagabend. Das sei Sache der Aufsichtsbehörde. Der Bundesrat hatte ebenfalls am Wochenende bereits mitgeteilt, der Credit Suisse sei während der Dauer der beanspruchten staatlichen Unterstützung die Auszahlung von Dividenden nicht erlaubt, meldet die Agentur AWP. Zudem gehe man die Boni der Banken an: Gemäss Artikel 10a des Bankengesetzes könne die Auszahlung variabler Vergütungen ganz oder teilweise verboten werden.

Die Credit Suisse hat ihren Mitarbeiter*innen laut einem Medienbericht derweil zugesichert, dass versprochene Boni und Lohnerhöhungen weiterhin gezahlt würden. Es werde keine Änderungen an den Gehaltsregelungen geben, und die Boni sollen wie geplant am 24. März ausgezahlt werden, heisst es laut der Agentur «Bloomberg» in einem internen Schreiben an die Belegschaft.

Und wie wird die Monsterbank UBS künftig kontrolliert?

Finanzmarktaufsicht, Nationalbank und der Bundesrat müssen über die Bücher. Zuerst muss geklärt sein, was bei der CS alles falsch lief – wohl mit einer parlamentarischen Untersuchungskommission. Dann müssen Korrekturen angebracht werden.

Wie die Bank künftig aussehen wird, ist völlig offen – auch deren Kontrolle. Es gibt auch wettbewerbsrechtliche Bedenken. Zumindest im Inland würde eine Konkurrenz wegfallen. Die UBS könnte, zumindest wo sie eine monopolähnliche Stellung hat, ihre Tarife anheben. Denkbar wäre deshalb, dass das Schweizer Geschäft der CS separat an die Börse gebracht wird.

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