«Wir müssen alle etwas für die Gemeinschaft leisten»

Bajour-Leser Timon Elmer schreibt über seinen Frust im Zivilschutz. Der Artikel sorgt in unserer Community für Gesprächsstoff. Ist dieser Dienst nur «Leerlauf» oder doch sinnvoll?

Timon Elmer betreut im Zivilschutz Menschen im Altersheim. In einem «Frustbericht» für Bajour drückte er seine Kritik am Ersatzprogramm für teilweise militärdienst-untaugliche Menschen aus. Er beschreibt ihn als «familienunfreundlich und altbacken» und findet, richtig ausgebildetes Personal wäre hier viel besser eingesetzt.

In den Kommentaren auf bajour.ch und in den sozialen Medien findet Timons Meinung teils Anklang, teils aber auch Widerworte. Er scheint aber einen Nerv getroffen zu haben. Hier sind einige Reaktionen aus unserer Leser*innenschaft:

Timon_400x400
Das ist Timon Elmer

Er wohnt in Basel, ist Psychologe, arbeitet an der ETH Zürich und macht Zivilschutz. Aber ungern. Deshalb hat er einen Text geschrieben und an die Redaktion geschickt.

Zum Artikel

Im Artikel nervt sich Timon, dass er jedes Jahr fünf Tage an seinem Arbeitsplatz fehlt.. Das sei für seine Vorgesetzten nicht erfreulich und ziehe noch andere Umstände mit sich. Auch wenn wegen seiner Absenz «wahrscheinlich niemand leide», bekam er von anderen Zivilschützern mit, dass ihre Ausfälle im Arbeitsumfeld «belastend und unnötig» seien.

Zitate aus Timons Artikel
Die Kritik von Timons Zivilschutz-Kollegen (Bild: Screenshot)

Bajour-Leser Amadis Brugnoni ist selbst Zivilschützer und verfasste unter den Artikel eine ausführliche Replik. Er betont, dass das Thema nicht beim Zivilschutz aufhört, sondern auch auf die Wehrpflicht zutrifft. Denn die Probleme bei einem Arbeitsausfall «zählen bspw. auch für Angehörige der Armee». Die Debatte um die Wehrpflicht sei wichtig, sollte aber «nicht mit dem Sinn oder Unsinn des Zivilschutzes verknüpft werden».

Kommentar Amadis
Ein Ausschnitt aus Amadis Brugnonis Replik

Timon gibt ihm recht: «Das grundlegende Problem ist die Wehrpflicht», schreibt er und fügt hinzu: «Da ich Erfahrungen mit dem Zivilschutz habe, kann ich nur die Aspekte, die den Zivilschutz betreffen, beleuchten.» Er fände es aber wichtig, «der Bevölkerung einen (ja, subjektiven) Einblick in diese Welt zu ermöglichen».

Über einen weiteren Punkt ärgert sich Timon Elmer im Artikel. Aus seiner Sicht ist der Zivilschutz «Geldverschwendung»: «Arbeitgebende werden für die Absenz ihres Mitarbeitenden mit maximal 192 Franken pro Tag entschädigt. Das heisst aber auch, dass die Ausgleichskasse Basel-Stadt für Zivilschutzeinsätze im Altersheim eine gute Stange Geld ausgibt (hochgerechnet ca. 150'000 Franken pro Jahr).»

Mit-Zivilschützer Amadis Brugnoni entgegnet, dass diese Kosten von der «Allgemeinheit mit unseren Beiträgen an die AHV/IV/EO» getragen werden. Die Ausgleichskasse sei nur der Verteilungsapparat.

Grossrat und Mitte-Präsident Balz Herter ergänzt in einer Antwort auf die Konversation, dieses Geld könne «nicht einfach für die Anstellung einer Fachkraft verwendet werden, sondern ist zweckgebunden». Deshalb sei Timon Elmers Vorschlag, mit dem Geld, das die Ausgleichskasse ausbezahlt, einfach Personal anzustellen, das «besser qualifiziert und motivierter» ist, nicht umsetzbar.

Kommentar Balz Herter
Die Politik diskutiert mit.

Am meisten Diskussionsstoff liefert aber die Aussage, der Zivilschutz sei «sinnlos». Während Amadis Brugnoni und Balz Herter sich vehement wehren, bezeichnet Christian Mueller, Politiker beim Freistaat unteres Kleinbasel, den Zivilschutz auf Facebook als «Leerlauf». Er hätte bei seinen Einsätzen mehr gewartet als geübt und «was geübt wurde, war meist ohne Sinn».

Kommentar Christian Mueller
(Bild: facebook)

Auch Bajour-Leser Fabian Baumann benutzt in seinem Kommentar das Wort «Leerlauf». Sieht jedoch auch die Gegenseite. Er habe während der Pandemie «sogar sinnvolle Sachen gemacht». Ausserdem zieht er einen Vergleich zum Militär: Beim Zivilschutz schätze er «den anständigen Umgangston der Vorgesetzten».

Kommentar Fabian Baumann
Fabian Baumanns Kommentar

Ein weiterer Vergleich zum Militär kommt via einem Kommentar auf Facebook. Timon Elmer schrieb in seinem Fazit: «Für alle wäre es wahrscheinlich besser, wenn der Zivilschutz zeitgemässer organisiert wäre.» Dazu meint Alain Dodane, nach zwei Wochen Militär wirke der Zivilschutz plötzlich zeitgemäss.

cut AlainD
Ein Kommentar, auf den reagiert wird (Bild: facebook)

Leser Leo hätte sich von Timon weniger Frust sondern mehr Alternativ-Vorschläge für einen gemeinnützigen Dienst gewünscht.

WhatsApp Image 2022-04-27 at 14
Leos Kritik

Vielleicht hats du ja Ideen für eine Alternative, wie man den Zivilschutz anders gestalten könnte. Oder du findest ihn genau richtig so. Diskutiere unten in den Kommentaren mit.

Herzen
Willkommen im Team Bajour

Jetzt Member werden und unabhängigen Journalismus unterstützen.

Das könnte dich auch interessieren

Hanna_ Yulyia

Stefan Schuppli am 23. Februar 2023

Neue Heimat, neue Kontakte

Vor einem Jahr wurde die Ukraine überfallen. Der Krieg dauert und ist unerbittlich. Die Geflüchteten haben oftmals Hab und Gut verloren und versuchen, sich hier etwas Neues aufzubauen. Bajour hat mit Menschen in der Community gesprochen.

Weiterlesen
Titelbild FdT Goschdym

Ernst Field am 20. Februar 2023

Dürfen Nicht-Aktive ein Goschdym tragen?

Für die Basler Fasnacht gibt es Regeln, die nicht jede*r so gut kennt. In unserer Frage des Tages wurde fleissig darüber diskutiert, ob es sich auch für Nicht-Aktive gehört, ein Kostüm zu tragen. Einig wurde man sich nicht.

Weiterlesen
Überschuss Titelbild

Ernst Field am 11. Januar 2023

Steuern senken, Kitas finanzieren oder das Klima retten?

352 Millionen Franken – mit so viel Geld rechnet der Kanton Basel-Stadt als Überschuss. Wohin mit dem Geld? Die Bajour-Community hätte da ein paar Ideen.

Weiterlesen
Angela Teaser

Florian Scheller am 19. Dezember 2022

Hans-Peter reist im Herzen mit

Eigentlich hätte Angela mit ihrem krebskranken Hans-Peter noch eine letzte Reise machen wollen: mit dem Bernina Express. Gärngschee ermöglichte den Lebenstraum. Doch Hans-Peter starb. Jetzt ist Angela mit ihren Töchtern gefahren.

Weiterlesen
Ernst Field Autorenbild

Das ist Ernst (er/ihm):

Ernst hat als Praktikant bei Bajour gestartet, wurde dann vom Studieren abgehalten und als Trainee verpflichtet. Ernst ist mittlerweile aufstrebender Junior-Redaktor für Social Media. Wenn er nicht gerade mit dem rosa Mikrofon in der Stadt rumspringt, Glühwein testet oder Biber jagt, stellt er kluge Fragen in seinem Podcast «Ernsthafte Gespräche». 2024 wurde Ernst vom Branchenmagazin Journalist:in unter die «30 unter 30» gewählt.

Kommentare