Basler Sanität reagierte nicht auf Notruf
An einem kalten Novemberabend fand eine Passantin einen gestürzten und desorientierten Mann vis-à-vis der Markthalle. Als sie den Notruf rief, löste dieser keinen Einsatz aus, sondern bot eine Ambulanz auf eigene Rechnung an. Was steckt dahinter?
In Kürze:
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Es war ein winterlicher Abend im November, die Temperaturen lagen leicht über null Grad. Eveline Siegenthaler von der IG Integration erinnert sich genau daran, wie sie einen Mann beobachtete, der gegenüber der Markthalle stürzte. Sie sagt Bajour: «Als ich merkte, dass der Mann nicht mehr alleine aufstehen konnte, bin ich zu ihm gelaufen, um zu helfen.» Der Mann sei alkoholisiert und desorientiert gewesen: «Er konnte mir nicht sagen, wie er heisst oder wo er wohnt», so Siegenthaler. Sie hat die Nummer 144 angerufen, weil sie Sorge hatte, dass der Mann draussen einschläft und nachts erfriert. «Das habe ich der Ambulanz auch so dargelegt», sagt sie.
«Aus meiner Sicht ist das unterlassene Hilfeleistung.»Eveline Siegenthaler, IG Integration
Ihre Erlebnisse des Abends schildert sie ausführlich in einem Reel auf TikTok. Darin erzählt sie auch, dass die Ambulanz ihr gesagt habe, sie käme nur, wenn der betroffene Mann diese auch wolle. Sollte sie als Passantin auf einen Einsatz bestehen, müsse sie die Kosten dafür tragen. Sie sagt zu Bajour: «Aus meiner Sicht ist das unterlassene Hilfeleistung.» Zur Hilfe kam aber recht bald ein anderer Passant, der den Mann gemeinsam mit ihr in den Bahnhof SBB ins Warme brachte. Später sei der gestürzte Mann wieder etwas ansprechbar gewesen. Siegenthaler setzte ihn mit Hilfe des Passanten in einen Zug nach Aarau, da sie mittlerweile erfahren hatten, dass er dort wohnt. «Das war alles andere als ideal», sagt sie, denn wenn er sich beim Sturz schlimmer verletzt hätte, wäre ihre Hilfe nicht ausreichend gewesen.
Noch in derselben Nacht des 18. November schrieb Siegenthaler eine Beschwerde wegen unterlassener Hilfeleistung an den Notruf 144. In einer Antwort von Major Michel Eigenmann, Leiter der Einsatzzentrale, gesteht dieser Fehler ein: «Wir bedauern den Vorfall im Zusammenhang mit dem Notruf sehr und möchten uns aufrichtig für die entstandene Verärgerung entschuldigen», heisst es. Eine interne Analyse habe ergeben, dass das Verhalten des Mitarbeiters in dieser Situation nicht den Vorgaben und Qualitätsstandards entsprochen habe. «Wir haben bereits intern entsprechende Massnahmen ergriffen, um solche Vorfälle künftig zu verhindern», schreibt Eigenmann an Siegenthaler.
«Wenn sich herumspricht, dass die Sanität in solchen Fällen nicht kommt oder ein Einsatz teuer ist, macht niemand mehr etwas.»Daniela Stumpf Rutschmann, SVP-Grossrätin
Der Vorfall ist damit aber nicht abgeschlossen: Die IG Integration hat eine Petition gestartet, die an das Ratsbüro des Grossen Rats Basel-Stadt und die Petitionskommission gerichtet ist. Wie auch die bz berichtet, hat ausserdem SVP-Grossrätin Daniela Stumpf Rutschmann eine Interpellation «betreffend Richtlinien bei Alarmierung/Einsätzen der Sanitätsnotrufzentrale beider Basel 144» eingereicht.
Befremdliches Verhalten
Darin bezieht sie sich auf den Abend des 18. November und schreibt: «Dieses Vorgehen der Sanitätsnotrufzentrale beider Basel wirkt sehr befremdlich und erschüttert das Vertrauen der Bevölkerung in die Verlässlichkeit und Professionalität unseres Rettungswesens. Eine derartige Verweigerung eines Noteinsatzes darf in Basel-Stadt schlicht nicht passieren.» Zu Bajour sagt sie, es gehe ihr vor allem darum, Menschen darin zu bestärken, anderen zu helfen. «Wenn sich herumspricht, dass die Sanität in solchen Fällen nicht kommt oder ein Einsatz teuer ist, macht niemand mehr etwas.»
Sie möchte vom Regierungsrat wissen, warum der Notruf 144 in diesem Fall keinen Einsatz auslösen wollte und welche Richtlinien beim Aufbieten einer Ambulanz gelten, wenn Menschen offensichtlich hilflos, orientierungslos oder aufgrund der Kälte gefährdet seien. Das Justiz- und Sicherheitsdepartement beantwortet aktuell keine Fragen zu dem Vorfall. Toprak Yerguz, Leiter Kommunikation, sagt auf Nachfrage, dass die Behörden bei parlamentarischen Vorstössen der Beantwortung im Grossen Rat grundsätzlich nicht vorgreifen.