Warum Antigen-Tests besser sind als PCR-Tests

Der Corona-Test von Roche ist günstig und effizient. Und er verkürzt die Quarantäne. Warum setzen die Kantone nicht mehr auf diese Schnelltests?

Werni Schnelltests
(Bild: Peggy Choucair / Pixabay)

«Staatliches Handeln muss im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein.» Das sagt der Artikel 5 der Bundesverfassung. Das gilt auch für die Corona-Massnahmen. 

Pro Tag werden rund 30'000 PCR-Tests durchgeführt. Kostenpunkt etwa 5 Millionen Franken. Gut 1000 Personen sind positiv und müssen 10 Tage in Isolation. Wer mit diesen Personen «engen Kontakt» hatte, muss 10 Tage in Quarantäne. Bei durchschnittlich vier Kontaktpersonen macht das 50'000 Tage «Freiheitsentzug» täglich.

Die Quarantäne-Regel ist nur dann verhältnismässig, wenn man nicht mit gleich viel oder weniger Aufwand mehr Ansteckungen verhindern kann. Nun muss man wissen, dass der PCR-Test so angelegt ist, dass er dank 40 Kopierzyklen auch das kleinste Virenfragment schon sehr früh nach der Ansteckung entdecken kann.

«Auf jede ansteckende Testperson werden noch zwei bis 7 weitere Personen für 10 Tage in Isolation gesteckt.»

Doch um ansteckend zu sein, brauchen Infizierte eine minimale Virenlast. Da reichen nicht nur kleine Virenfragmente. Nach Angaben des deutschen Robert Koch Instituts lässt sich aus Proben mit einem Ct-Wert von mehr als 30 in Laborversuchen kein Virus mehr vermehren. Andere Quellen setzen die Zyklus-Schwelle der Ansteckungsgefahr schon bei 25 oder gar bei 21 Zyklen an.

Was das bedeutet, war neulich in einer im renommierten Medizin-Journal Lancet veröffentlichten Studie nachzulesen: «Die meisten mit Covid angesteckten Personen sind nur 4 bis 8 Tage lang ansteckend. Dieses kurze Zeitfenster kontrastiert mit einer Periode von 22 bis 33 Tagen in denen ein PCR-Test positiv ausfällt.» 

Rein rechnerisch heisst das, dass maximal 36, vielleicht aber auch nur 12 Prozent der PCR- Positiven ansteckend sind und isoliert werden müssten. Oder anders ausgedrückt: Auf jede ansteckende Testperson werden noch zwei bis 7 weitere Personen für 10 Tage in Isolation gesteckt.

Noch Fragen?

Solange eh nur Patient*innen mit Covid-Symptomen getestet wurden, spielte das keine grosse Rolle. Aber jetzt, wo es darum geht, Schulen, Betriebe oder gar die ganze Bevölkerung zu testen, ist dieser Unterschied entscheidend. Da kommen die Antigen-Test wie gerufen. 

Antigen-Tests reagieren nur auf eine relativ hohe Virenlast, bzw. nur dann, wenn die Testperson mit hoher Wahrscheinlichkeit auch tatsächlich ansteckend ist.

In einer Studie der Universität  Heidelberg wurde dies überprüft. Dabei wurden 40 symptomatische Covid-Patient*innen gleichzeitig mit einem PCR-und einen Antigen-Selbsttest von Roche getestet. Ergebnis: Von den 36 Patient*innen mit Ct-Werten bis 30 wurden deren drei im Antigen-Test als negativ gewertet. Setzt man die Limite der Anstecklichkeit bei 25 Zyklen an, fiel bloss ein Antigen-Test falsch negativ aus. So gesehen schwankt die Fehlerquote der Schnelltests von Roche im Vergleich zu einem auf  Anstecklichkeit geeichten «vernünftigen» PCR-Test zwischen 3 und 8 Prozent.

«Selbst bei einer Fehlerquote von 30 Prozent würde man 70 Prozent aller ansteckenden Menschen – darunter alle Superspreader – aus dem Verkehr ziehen, und nur ganz wenige unnötig in Isolation oder Quarantäne schicken.»

Ist dieses Risiko tragbar? 

Klar! Der Test von Roche kostet bloss 5.50 Franken. Damit kann man ihn flächendeckend einsetzten. Selbst bei einer Fehlerquote von 30 Prozent würde man so 70 Prozent aller ansteckenden Menschen – darunter alle Superspreader – aus dem Verkehr ziehen, und nur ganz wenige unnötig in Isolation oder Quarantäne schicken. Das macht die Antigen-Tests um ein vielfaches effizienter als die bisher üblichen PCR-Tests.

Diese wurden meist frühestens einen Tag nach Symptombeginn gemacht das Ergebnis lag im besten Fall 24 Stunden später vor. Dann ist aber meist schon mindestens die Hälfte der 4 bis 8 ansteckenden Tage vorbei. Das entspricht einer Fehlerquote von 50 Prozent oder mehr.

Covid-Schnelltests sind nicht neu. In den USA wurden solche schon vor einem Jahr entwickelt. Dass es einen Zusammenhang zwischen der PCR-Zyklenschwelle und der Anstecklichkeit gibt, ist ebenfalls keine neue Erkenntnis. Das wirft die Frage auf, warum die Gesundheitsbehörden der ganzen Welt noch heute den PCR-Test mit 40 Kopierzyklen als Mass aller Dinge betrachten – und damit den Grundsatz der Verhältnismässigkeit grob missachten.

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Werner Vontobel ist gebürtiger Basler und einer der bekanntesten Wirtschaftsjournalisten der Schweiz. Auf Bajour bringt er sich regelmässig zu volkswirtschaftlichen Themen, konjunkturpolitischen Grundsatzdebatten und ökonomischen Sinnfragen ein.

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