Wenn Corona eine Sportskanone ausknockt
Hobby-Boxerin Anita* wurde positiv auf COVID-19 getestet. Jetzt vertreibt sie sich die Isolationszeit mit Entspannungsbädern, Kosmetik und Kraftübungen.
In dieser Reihe portraitieren wir Basler*innen, die sich in Quarantäne oder Isolation begeben mussten - entweder weil sie Kontakt mit einer*m positiv Getesteten hatten oder selbst mit Corona infiziert sind. Alle Angaben basieren auf Telefoninterviews. Alle Namen sind anonymisiert. Alle Personen haben sich über die von Bajour gegründete Facebook-Gruppe “Gärn Gschee - Basel hilft” freiwillig gemeldet, um Einblicke in ihren aussergewöhnlichen Alltag zu geben.
Am Dienstag verausgabt sich Anita* (Name geändert), 25 Jahre, wieder so richtig im Boxtraining. Sie fühlt sich in den folgenden Tagen weiterhin gesund und munter. Am Sonntag im Gruppenchat des Sportclubs dann die Nachricht: Ein Trainingskollege hat das Coronavirus. Noch am selben Tag lässt sie sich testen, wiederum zwei Tage später erhält sie das Ergebnis: positiv.
Das Unispital hatte zunächst versichert, Anita werde innerhalb eines Tages vom kantonsärztlichen Dienst bezüglich des weiteren Vorgehens angerufen. Erst nach fünfzig Stunden und zweimaligem Nachhaken hat sie endlich jemanden am Telefon und bekommt eine schriftliche Nachricht über das positive Testergebnis. Ihr Hausarzt werde vonseiten des Unispitals informiert: Fehlanzeige. Das ärztliche Attest besorgt sie sich selbst.
Erst nach über einer Woche meldet sich der Kantonsarzt bei ihr. Die Installation der Covid-Care-App – zur Betreuung von Menschen in Isolation – wird Anita von keiner Seite empfohlen. «Das sind so einfache administrative Abläufe, die einfach klappen müssen», urteilt die gelernte Kauffrau.
«Die verantwortlichen Stellen scheinen überfordert zu sein.»
Immerhin hält Anita ein Arztzeugnis in den Händen, von der Arbeit ist sie damit befreit. Und ihr Mann, mit dem sie eine 3,5-Zimmer-Wohnung in Liestal teilt? Der ist Logistiker und sein Arbeitgeber tolerant. Ihr Mann wurde ebenfalls positiv auf COVID-19 getestet. Doch ein offizielles Arztzeugnis zu besorgen, stellt sich für ihn als äusserst mühsam heraus: Der Kantonsarzt verweist auf den Hausarzt und der wieder aufs Unispital. Nach zehn Tagen und langen Diskussionen erhält auch Anitas Mann sein Zeugnis. «Die verantwortlichen Stellen scheinen überfordert und müde zu sein», konstatiert sie. Beide bleiben nun für knapp zwei Wochen zu Hause.
Die erste Woche ist hart für Anita. Die Grippesymptome schwächen sie enorm. Die Kopfschmerzen seien am schlimmsten, sagt sie. Und die Niedergeschlagenheit: Sie wolle nichts tun, einfach nur schlafen. «Die Zeit vergeht wie in Zeitlupe.» Auch mittels Handy kommunizieren sei nicht angenehm. Sie ist sonst ein sehr aktiver Mensch und braucht Bewegung. Das Training fehlt ihr am meisten. Immerhin achtet sie – trotz verlorenen Geschmackssinns – auf eine gesunde Ernährung, isst viel rohes Gemüse. Sie kocht keine aufwendigen Menüs, weil sie diese sowieso nicht richtig geniessen könne. Und fügt hinzu: «Wenn ich schon nichts schmecke, kann ich mich gesund ernähren, um auf meine Nährwerte zu kommen!»
Leben in einer Ganztagesroutine
Nach neun Tagen in Isolation hat es sich eingespielt: «Ich habe momentan eine Ganztagesroutine», sagt sie. Jeden Morgen gibt es erst Kaffee und dann Frühstück. Ihren Geschmackssinn hat sie inzwischen zurückgewonnen. Nach dem Essen macht Anita ein sanftes Sportprogramm: Seilspringen und leichte Kraftübungen. So gut es eben geht. Anschliessend ein Entspannungsbad mit ätherischen Ölen. Das helfe zum einen beim Atmen, wie sie sagt. Zum anderen bekomme sie so auch die Zeit rum. Noch nie in ihrem Leben habe sie so viel gebadet.
Danach kocht sie das Mittagessen für sich und ihren Ehemann. Sie gucken dabei kein Fernsehen, wie sie es vor Corona öfter machten. Lieber unterhalten sie sich. Am Nachmittag muss Anita sich meist noch ausruhen, während ihr Mann ein Fussballspiel auf der Playstation zockt. Das Spiel hat er sich extra für die Zeit in Isolation besorgt.
Wenn Anita sich nicht ausruht, verbringt sie momentan viel Zeit in ihrem Ankleidezimmer: Vor ihrem Schminktisch probiere sie neues Make-up aus und teile die Fotos davon via Facebook und Instagram, erzählt sie. Speziell an Halloween habe sie mehrere Looks kreiert und sich darüber mit Freund*innen ausgetauscht. Social Media helfe ihr, um trotz allem über Distanz Spass mit Freund*innen zu haben.
Mit ihrem Mann spiele sie zudem abwechselnd UNO, Dame oder «Stadt, Land, Vollpfosten», eine Abwandlung von «Stadt, Land, Fluss». Nach dem gemeinsamen Abendessen würden sie meistens zusammen einen Film schauen und dabei einschlummern.
Nach zehn Tagen kommt Anita wieder auf die Beine. Im Gegensatz zu ihr hatte ihr Mann nie mit grippeähnlichen Symptomen zu kämpfen.
Freude über unverhoffte Hilfe
Das Essen jedenfalls geht ihnen nicht aus: Über einen Lieferdienst vom Supermarkt hätten sie zu Beginn der Isolationszeit zahlreiche Lebensmittel bestellt, um niemandem Mühe zu bereiten. Doch die gekauften Lebensmittel sind kaum aufgebraucht, weil Freunde und Verwandte ihnen solche in regelmässigen Abständen vor die Tür stellten. Darüber habe sie sich besonders gefreut: Hilfe zu erhalten, ohne danach zu fragen.
Trotz erster Besserung ihres Zustandes, Anita ist nahezu symptomfrei, muss sie notfallmässig ins Spital aufgrund von Atemnot und Schmerzen in der Brust. Schnell stellt sich heraus, dass ihr Körper nach mittlerweile zwei Wochen an kurzfristiger Überanstrengung litt. Nach zwei Tagen im Spital darf sie wieder heim. Anita freut sich nun auf die kleinen Dinge, wenn ihre Isolation endgültig vorüber ist: «Zuerst werde ich ein bisschen rausgehen, rumlaufen, die Beine vertreten. Da freut man sich drauf.» Und hoffentlich wird Anita auch bald wieder boxen können.
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