Wieso wir in Basel «Bauernfasnacht» feiern

In Basel ist eine Woche später Fasnacht als auf dem Land. Dass die vornehmen Stadtleute nicht Herren-, sondern Bauernfasnacht feiern, ist eine komplexe Geschichte. Sie hat mit Päpsten und Gegenpäpsten zu tun und liefert zudem die Antwort, wieso Fasnachtskiechli so lecker sind.

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Konzildarstellung aus dem 14 Jahrhundert. (Bild: Wiki-Commons)

Wir tauchen nun ganz tief hinab, fast tausend Jahre tief. Wilde Zeiten waren das im 11. Jahrhundert, als der französische Papst Urban II (für diese Periode beachtliche) elf Jahre lang auf dem Papstthron Platz nahm. Während seiner gesamten Regentschaft wurde er von einem Gegenpapst begleitet, der durch den Kaiser gefördert wurde, von Clemens III aus Italien.

Diese Situation war recht vertrackt, aber schon damals nicht beispiellos, die ersten Gegenpäpste sollen bereits im dritten Jahrhundert ernannt worden sein, sobald eine ausreichend mächtige katholische Fraktion mit dem aktuellen Stellvertreter Petri gebrochen hat.

Urban II war wohl ein geschickter Kirchenpolitiker und Verhandler – unglücklicherweise hat er zudem erfolgreich zum fatalen Ersten Kreuzzug aufgerufen, dessen Beginn er jedoch nicht mehr miterlebte. Und dieser Mann hat die Bewegung angestossen, die zu den beiden unterschiedlichen Fasnachtsterminen führte.

…wie die alt Fasnacht

In der italienischen Region Kampanien liegt Benevento, einst auch «Stadt der Hexen» genannt, in einer Erdbebenzone. In dieser Stadt – in der sich übrigens einige urtümliche Masken- und Verkleidungsbräuche erhalten haben – wurden vier Konzile abgehalten sowie jene Synode von Benevento, einberufen durch Urban II, im März 1091, die am Kalender gedreht hat.

Sie war Teil der Bemühungen des Papstes, Ordnung und Reformen in der Kirche zu fördern, insbesondere im Zusammenhang mit den umstrittenen Themen jener Zeit. So befahl der vierte und abschliessende Kanon dieser Synode, die in der Fastenzeit stattgefunden hat, unter anderem: «Kein Laie darf nach dem Aschermittwoch Fleisch zu sich nehmen.» Gegenüber dem alten Volksbrauchtum wurde die Fastenzeit also um eine Woche vorverlegt.

Doch gab es in Europa mehrere Orte, darunter die Region Basel, wo man sich nicht um die Beschlüsse des Konzils scherte und weiterhin die «Alte Fastnacht» feierte, wie man sie damals nannte. Grob gesagt haben sich die «Herren» dem Beschluss gefügt, die «Bauern» aber haben am alten Termin festgehalten. Basel hat sich den Bauern angeschlossen. Der alemannische Spruch, den wir ja auch in Basel kennen, «Hindedryy koo wie die alt Fasnacht» bezieht sich also auch auf unsere drey scheenschte Dääg.

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Schon wieder ein Papst

Und zum Schluss, für alle, die es nicht wissen, die Erklärung für das wandernde Datum der Fasnacht (und der Fastnacht, des Karnevals, des Carnavals sowie Mardi Gras). Der Termin des Aschermittwochs hängt vom Termin des Osterfests ab.

Um das Jahr 600 legte Pabst Gregor der Grosse jene vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern fest, sie sollte die Gläubigen an die fünf Wochen und fünf Tage, gemahnen, die Jesu in der Wüste verbracht haben soll. Den Beginn dieser dürren Jahresperiode legte er auf den sechsten Sonntag vor Ostern, auch Invocavit oder Funkensonntag genannt.

Und weil das Datum hier an einem Wochentag klebt, verschiebt es sich im Kalender. Der früheste Termin für die Basler Fasnacht ist der 9. Februar, der späteste der 15. März.

Papst Urban II, Darstellung aus dem 12. Jh
Papst Urban II, Darstellung aus dem 12. Jh (Bild: Wiki-Commons)

Verschwendungsprodukte

Apropos Fasten, man muss sich das vorstellen, im sechsten Jahrhundert, als alle Menschen ganz unmittelbar von Landwirtschaft, von Jagd und Fischerei abhängig waren, da wurde in einem Haushalt natürlich einiges an verderblicher Ware gelagert. Und die musste vor dem grossen Fasten aufgegessen werden. Mit der Zeit entwickelte sich daraus ein Fest, das immer übermütiger, durch Kostüm- und Maskenbräuche angereichert wurde, deren Wurzeln in vorchristlicher Zeit lagen – und die der Kirche, der katholischen wie der reformierten, ein gewaltiger Dorn im Auge waren.

Die «Laien», also die gesamte nicht berufsgeistliche Bevölkerung, durfte während der Fastenzeit übrigens nicht nur kein Fleisch essen, sondern auch keine Eier, Milchprodukte, keinen Zucker, keinen Schmalz, es durfte kein Alkohol getrunken und nur eine Mahlzeit am Tag eingenommen werden. Die Fasnachtskiechli (oder die Mardi Gras King Cakes in New Orleans, Louisiana) sind nichts anderes als ein Verschwendungsprodukt, Zucker, Schmalz, Eier, Milchprodukte mussten raus, bevor die kleinen Leute vierzig Tage lang hungern mussten.

Reiche Leute konnten sich übrigens bei Geistlichen vom Fasten freikaufen. Nicht wenige hohe Geistliche pflegten während diesen Tagen regelrecht zu schlemmen. Und verspürten dabei vielleicht – mehr als nur ein bisschen – jenen perversen Schauer der Transgression.

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