«Wo sind die Basler? Wir sollten uns mit ihnen prügeln»
Als «Totengräber» ist sich Didi-Kolumnist Boban Lapcevic gewohnt, dass die Fans das Stadion zum Kochen bringen. Können die FCB-Fans da mithalten?
Man sagt, der grosse FC Barcelona wählte seine Farben aus Respekt und Bewunderung für den FC Basel. Man sagt auch, Basel sei das Bayern München der Schweiz. Das kann man positiv sehen: Es ist der erfolgreichste Schweizer Klub mit der grössten Fan-Armee. Böse Zungen behaupten aber gleichermassen: Es ist nur ein reicher Klub mit vielen Erfolgsfans.
Ich kannte beide Sichtweisen und erst spät sollte sich die erste durchsetzen. Obwohl ich in der Schweiz aufgewachsen bin, hatte ich früher keinerlei Berührungspunkte zu den Schweizer Klubs. Heute bin ich ein waschechter Schweizer, in meiner Kindheit und Jugend war ich einfach nur der «Jugo». Also musste ich mich, wie jeder andere Serbe, zwischen Roter Stern und Partizan Belgrad entscheiden.
Die grosse Mehrheit war für den Roten Stern. Zu einfach! Ich entschied mich für den Underdog, den «ewigen Zweiten». Für die Fans, welche sich «Totengräber» nannten und in ganz Europa berüchtigt waren. Wir waren bekannt für unsere Kompromisslosigkeit, aber auch dafür, sogar bei Auswärtsspielen eine Hexenkessel-Atmosphäre erzeugen zu können.
Jahrelang begleitete ich mein Team durch ganz Europa, auch in die Schweiz (Thun, Bern). Ich liess mich dazu hinreissen, einige FCZ-Spiele zu besuchen. Doch egal, wie sehr sich die Schweizer Fans bemühten, ihre Pyros schienen im Vergleich zu unseren wie Wunderkerzen. Ihre Gesänge waren eben nur Gesänge und kein ohrenbetäubendes Brüllen und brachiales Donnern.
«Basel ist ein mickriges Städtchen und will es mit der Weltstadt Zürich aufnehmen!», hörte ich die FCZ-Fans oft lästern. Wobei man mir die Rivalität nie genauer erklären konnte. Am 31. Oktober 2017 konnte ich mir in Basel selbst einen Einblick verschaffen.
In der Champions League Gruppenphase spielte Basel gegen ZSKA Moskau. Mit ZSKA pflegten wir Partizan-Fans eine jahrzehntelange und enge Freundschaft. Also offenbarte sich die perfekte Möglichkeit für mich und meine Totengräber-Freunde in der Schweiz. Der Treffpunkt war das Paddy Reilly`s Irish Pub an der Steinentorstrasse. Wir waren früh da, kannten aber sonst niemanden. Unnötig zu erwähnen, dass dies gar nicht notwendig war. Das Totengräber-Symbol auf meinem Pullover kennzeichnete mich als «Bruder».
«Das Totengräber-Symbol auf meinem Pullover kennzeichnete mich als ‹Bruder›.»
Die Russen, welche fast alle aus Moskau angereist waren, feierten schon ausgelassen und nahmen den Biervorrat des Pubs in Angriff. Man entdeckte immer wieder Jungs, die bestrebt waren, nüchtern zu bleiben. Für alle Fälle.
Ein markerschütternder Lärm brach los, als wir uns auf den Weg zum Stadion machten. Die ersten Böller wurden gezündet und unsere Schlachtrufe nahmen die Strassen von Basel ein. Die Message lautete: Wir sind da! Ein Riesenradau mitten in der Stadt. An den Haltestellen klopften wir an die Fensterscheiben des Trams, doch die Schweizer begutachteten uns hauptsächlich mit Respekt und einer Prise Neugier.
Niemand schien sich gross über uns aufzuregen. Die Polizei hielt Abstand, aber der ganze 3,5 km lange Weg war für den Verkehr gesperrt und unsere Route wurde freigehalten. Kürzlich habe ich versucht die Strecke auf Google Maps nachzuvollziehen. Für den Weg werden 45 Minuten angegeben, wobei wir wohl länger gebraucht haben. Es war unsere Halbzeit vor der ersten Halbzeit.
Unterwegs hielten wir oft an, zündeten Pyros und blaues und rotes Rauchpulver. Die Farben von ZSKA. Trommelschläge und lauter Gesang begleiteten uns ebenfalls: «We are moscow, moscow hooligans, moscow hooligans». Abgesehen davon konnten wir aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nur beim Skandieren des Namens «ZSKA» mitmachen, was unsere Stimmung aber keineswegs dämpfte.
Die Wände, Strassenschilder und Pfosten auf der Route wurden durch mitgebrachte Aufkleber verziert. Sie waren unserer Freundschaft gewidmet; unsere zwei Wappen mit der Überschrift Bruderschaft der Ehre und Treue – Moskau – Belgrad. Mein Freund wollte unbedingt welche haben, also sprach er alle an, bis jemand verstand, was er mit «dawaj nalepnice, dawaj stickers» meinte und ihm einige überreichte. Beim Stadion sollten ihm die Ordner alles abnehmen. «Du sollst unser Stadion hier nicht vollkleben!» Umso lustiger, da ich meine Stickers vor der Kontrolle gut verstecken konnte.
Unterwegs konnte ich keine Basler Fans erblicken, jedoch ein paar Gesprächsfetzen der Kollegen mitschnappen. «Bin mal gespannt, wie die so drauf sind». Im Stadion bot sich mir ein schönes Bild, als ich auf die Muttenzerkurve blickte. Unzählige aufwendig selbst gestaltete Fahnen wehten im Wind. Anzahl, Organisation und der Lärm der Basler waren ziemlich gut. Ab und zu konnte man ihre Gesänge bis zu unserer Gästetribüne hören.
Abgesehen von der Pufferzone um unseren Block war das Stadion rappelvoll: Über 33`000 Zuschauer. Nicht schlecht für ein «mickriges Städtchen». Obendrein wurde die Mannschaft bis zur letzten Minute lautstark unterstützt, obwohl der Gast aus Moskau 2:1 gewann. Ein bestimmtes Lied blieb mir im Gedächtnis, da mich die Melodie an «avanti ragazzi di buda» von Lazio erinnerte. Der Text von «Erfolg isch nid alles im Läbe» hatte definitiv Gemeinsamkeiten mit unserer eigenen Totengräber-Fankultur.
Als ich mich von Basel auf den Nachhauseweg machte, erinnerte ich mich an ein Partizan Auswärtsspiel in der Schweiz. Die «Top Boys» aus Belgrad waren alle mit dabei. In einem Augenblick sagte einer von ihnen, mit einem schelmischen Grinsen: «Wo sind denn die Basler? Wir sollten uns mit ihnen prügeln».
Ich würde das als ein grosses Kompliment bezeichnen.
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Boban Lapcevic wohnt in Wald im Kanton Zürich und ist Fan von Partizan Belgrad. Er ist Autor des kürzlichen erschienenen Buches «FK Partizan Belgrad – Fussballfibel», mit dem er für eine Lesung im September das Didi Offensiv besuchte.