«Deerf me no Waggis sage?»

Es ist ein Novum: Das Fasnachts-Comité hat dieses Jahr Verhaltensregeln publiziert, um Fasnächtler*innen aufzuzeigen, dass auch die Narrenfreiheit Grenzen hat. Hat’s funktioniert?

Basler Fasnacht
Die Debatte, was man noch sagen darf und was besser nicht, ist entfacht. (Bild: Valerie Wendenburg)

Während der drey scheenschte Däägi ist Basel im Ausnahmezustand. Braucht es explizite Anstandsregeln, um diskriminierenden Entgleisungen von Cliquen, Guggen und Schnitzelbänken vorzubeugen? Das Fasnachts-Comité hat dies mit seinen Empfehlungen für die Fasnacht 2024 versucht und macht auf seiner Website klar: «Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Sexismus, Beschimpfungen und Beleidigungen sowie alle anderen Formen von diskriminierendem Verhalten entsprechen nicht dem Geist der Basler Fasnacht». 

Basler Fasnacht
Woke-Themen an der Basler Fasnacht. (Bild: Valerie Wendenburg)

So neu sei das alles aber gar nicht, sagt Daniel Hanimann zu Bajour. Er ist verantwortlich für die Kommunikation im Fasnachts-Comité und steht am dessen Stand in der Clarastrasse inmitten der Wagencliquen: «Wir haben in diesem Jahr einfach transparent gemacht, was ohnehin klar sein sollte. Alle, die an der Fasnacht mitmachen, müssen sich ans Gesetz halten.» Das Comité habe die Regeln zwar kommuniziert, aber die Auseinandersetzung findet wie bisher bei den Cliquen statt. «Wir sind ja keine Zensurbehörde», sagt er. 

Noch sei es zu früh, um ein Resümee für dieses Jahr zu ziehen: «Wir haben bisher zwei Hinweise bekommen, die wir noch prüfen werden», sagt er. Vor allem aber sei das Feedback aus den Cliquen positiv gewesen: «Viele haben sich im Vorfeld aktiv mit den Vorgaben auseinandergesetzt und sie teilweise ja auch zum Thema gemacht. Etwas besseres kann ja eigentlich nicht passieren», findet Hanimann. 

Basler Fasnacht
Ein Regenbogenwagen am Cortège. (Bild: Valerie Wendenburg)

Auffällig im Farbenmeer ist auch der Wagen der Plauschwaggis, die sich dieses Jahr dem Thema LGBTQIA+ gewidmet haben und mit ihrem Regenbogen-Wagen durch die Clarastrasse ziehen. Zu sehen sind «Restrooms for whatever» oder Fasnächtler*innen aller Couleur und jeden Geschlechts. Dieser Wagen ist eines der Beispiele am Cortège, dass das Woke-Thema definitiv an der Basler Fasnacht angekommen ist. 

Wer aber mit wachem Blick durch die Gassen zieht, dem fällt auch auf, dass es nach  wie vor grenzwertige Auftritte von Fasnächtler*innen gibt, die sich nicht wirklich um die Vorgaben scheren. Nach wie vor ist die Clique «M****kopf 1954» mit ihrem traditionellen Namen unterwegs, ebenso die Negro-Rhygass Basel, die allerdings vor zwei Jahren nach einer längeren Debatte ihr Logo angepasst haben. 

Basler Fasnacht
Auch dieses Jahr sorgten Cliquennamen für Diskussionen. (Bild: Ina Bullwinkel)

Was also ist an der Fasnacht erlaubt und was nicht? Die Wagenclique Basler Gwäggi fragt: «Deerf me no Waggis sage?» und platziert noch ein paar Sprüche auf ihrem Wagen, die Tabu-Themen ansprechen. So heisst es «M****kopf und Winnetou sin au scho tabu!». Also auch Woke-Thema – auch wenn die Clique selbst nicht begeistert zu sein scheint.

Basler Fasnacht
Ein Scheich mit Hakennase. (Bild: Jan Soder)

Wo also genau liegen die Grenzen des Sag- und Zeigbaren an der Fasnacht? Ein fragwürdiges Beispiel ist die Laterne der Revoluzzer 56, die den Besucher*innen auf dem Münsterplatz ins Auge sticht. Unter dem Slogan «Äntlig kemme si!» stellen die Revoluzzer ihr Sujet zum Thema Tourismus aus. Auf der Laterne sind vor allem Zeichnungen schwarzer und chinesischer Touristen zu sehen – eine Karikatur an der unteren Grenze des guten Geschmacks. Auch die Scheichs mit überdimensionierter Hakennase und einem goldenen mit Geldscheinen umwickelten Fussball (Katar lässt grüssen), muten diskriminierend an. 

Basler Fasnacht
Ein Schwarzer Mann oder Snoop Dog? (Bild: David Rutschmann)

Bei diesem Schwarzen könnte es sich um einen überdimensionierten Schwarzen Mann handeln – oder läuft hier einfach Snoop Dogg durch die Basler Innenstadt? Die Grenzen des guten Geschmacks sind nicht immer so klar zu ziehen. Klar ist aber, dass die Fasnacht wichtige Akzente setzt, indem sie gesellschaftliche Strömungen aufzeigt und auch provoziert. 

Wie dies in einem respektvollen Rahmen gelingt, können alle Fasnächter*innen auf dem «D’Root-Glääber» nachlesen, der auch an die Tür des Bajour-Büros geklebt wurde. Darauf heisst es: «Naarefreihäit, die muess sii, vrlieret aaber nid drbii. Dr Aaschtand und Rèschbäggt vor andre zum die Fasnacht nid vrschandle.» Und zum Schluss: «D’Frau Faasnacht, die goot mit dr Zit, drum saage mir ganz explizit. Veraachtig, Hass und Tritt gèg aabe, Zämme wämmr daas begraabe!»

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Senior-Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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