«Diese Queerfeindlichkeit nehme ich nicht länger hin»
Zayrah David sagt, sie sei in einem Basler Club mehrfach ungewollt als trans Frau geoutet worden. Ein Video mit dem Vorwurf verbreitet sich rasch. Der Club will die Vorwürfe untersuchen.
Als Zayrah David Anfang Dezember das Kaffeehaus Mitte in der Basler Innenstadt betritt, dreht sich hier niemand nach ihr um. Das war angesichts der jüngsten Aufmerksamkeitswelle Aufgrund eines Videos nicht unbedingt zu erwarten. Vielen Basler*innen ist Zayrah jetzt ein Begriff, ihr Gesicht flimmerte über Handy-Screens in der ganzen Region. Der Anlass ist wenig erfreulich.
In diesem Video, Zayrah steht darin vor weissen Vorhängen in ihrem Wohnzimmer, erhebt sie den Vorwurf der Transfeindlichkeit gegenüber dem Sicherheitspersonal des beliebten Balz Clubs in der Basler Innenstadt. Die Club-Verantwortlichen reagierten und kündigten an, die Vorwürfe untersuchen zu wollen. Sie haben Zayrah ausserdem zu einem klärenden Gespräch eingeladen.
Folgendes war mutmasslich geschehen: Zusammen mit einer trans Freundin sei Zayrah in der Warteschlange vor dem Club gestanden, als plötzlich zwei Männer weiter vorne gegenüber dem Türsteher behaupteten, gemeinsam mit Zayrah und der Freundin da zu sein.
Die Männer erhofften sich dadurch, doch noch in den Club eingelassen zu werden. Der Türsteher hatte sie kurz zuvor abgewiesen.
Der Türsteher erwiderte laut Zayrah zu den beiden Männern so lautstark, dass es die ganze Warteschlange hören konnte: Ihr wisst schon, dass diese beiden biologisch gesehen Männer sind?
Zayrah und ihre Freundin waren entsetzt. «Meine Geschlechtsidentität spielt in dem Moment absolut keine Rolle», sagt Zayrah. «Der Türsteher hätte den Männern einfach sagen können: Geht».
Stattdessen stand sie dann mit dem Zwangsouting im Ohr vor diesem Club, erzählt sie. «Ich fühlte mich nackt.» Der Abend war gelaufen, bevor er begann. Der geschilderte Vorfall habe sich im Juni ereignet. Vor einer Woche sei es dann zu einem weiteren ungewollten Outing durch die Security gekommen, erzählt Zayrah. Da habe sie beschlossen, dass es nun genug sei.
«Das geschilderte Verhalten entspricht absolut nicht den Werten, die wir nach innen und nach aussen vermitteln wollen.»Claudio Rudin, Balz-Mitinhaber
Über 11’000 Views hat der 12 Minuten lange Clip nach einem Tag auf Instagram – das Video, in dem Zayrah von diesem Erlebnis berichtet, geht für Basler Verhältnisse viral. Viele User*innen markieren in ihren Reposts den Club und empören sich über das geschilderte Verhalten: «WTF!? Balzbar?», schreibt eine Userin. «Absolut beschämend. Macht mich übel wütend», sagt jemand anders.
Balz-Mitinhaber Claudio Rudin hat das Video gesehen. «Das geschilderte Verhalten entspricht absolut nicht den Werten, die wir nach innen und nach aussen vermitteln wollen», sagt er gegenüber Bajour. Noch am Sonntagabend hat der Club ein Statement veröffentlicht. Man wolle die Vorwürfe prüfen und gegebenenfalls Konsequenzen daraus ziehen. Am Montag fand ein Gespräch mit den Verantwortlichen der Firma statt, die von der Balz für die Sicherheit eingestellt wurden.
Rudin sagt, der Balz Club arbeite kontinuierlich daran, seinen Gästen gute Bedingungen für ein ausgelassenes, vor allem diskriminierungsfreies Erlebnis zu schaffen. «Egal woher jemand kommt, oder welche Geschlechtsidentität jemand hat: Bei uns sind alle willkommen», sagt Rudin. «Umso mehr trifft es mich, dass es ausgerechnet hier zu einer solchen Entgleisung gekommen sein soll.» Mit der Sicherheitsfirma bestehe ein langes Arbeitsverhältnis. Bislang sei es nach Rudins Kenntnisstand noch nie zu queerfeindlichen Auffälligkeiten gekommen. Die Sicherheitsfirma war gestern für Bajour nicht erreichbar.
Man stehe stets in engem Kontakt mit den Mitarbeitern, sagt Balz-Inhaber Rudin. Wer neu ins Team kommt, wird über die Werte des Clubs aufgeklärt. Das sei ein mündlicher Prozess, sagt Rudin, der bei Bedarf wiederholt wird. Seit zirka drei Jahren hingen im Club Plakate, die Frauen darauf aufmerksam machten, sich bei Unwohlsein oder übergriffigem Verhalten beim Personal zu melden.
«Ich bestimme, wann ich mich oute. Ich entscheide, wo ich das tue, sonst niemand.»Zayrah David
Zayrah sagt, sie gehe eigentlich gerne in die Balz: Sie liebe die Stimmung und die Musik. Doch es komme immer wieder vor, dass andere Gäste – bis auf einen Fall waren es immer Männer – sie outen, ohne dass sie das will. Es kann also sein, dass sie mit jemandem spreche, tanze, flirte und «irgendwer kommt dann vorbei und sagt zur anderen Person, weisst du, dass sie keine Frau ist?»
Sie habe kein Problem damit, sich selbst zu outen, sagt Zayrah. Auf Instagram geht sie offen mit ihrer Genderidentität um, teilt aktivistische Posts. «Aber ich bestimme, wann ich so etwas von mir preisgebe. Ich entscheide, wo ich das tue.» In einem Club könne ein Outing gefährlich sein, je nachdem wer sonst noch dort sei. «Ausserdem», wiederholt Zayrah, «gehe das niemanden etwas an. Niemand solle sich da einmischen. «Diese Queerfeindlichkeit nehme ich nicht länger hin».
Nicht dass sie sich erklären müsste, aber Zayrah habe schon einiges zu hören gekriegt. Sie «täusche» die Leute, sei eine «Falle», wenn sie nicht offenlege, wer sie «wirklich» sei. Solche übergriffigen Formulierungen zeugten von einer diffusen Angst vor etwas Unklarem, die meistens von Männern als Angriff empfunden werde. Zayrah sagt: «Bis es zum Sex kommt, spielen meine Genitalien keine Rolle.»
Die Qualifikation privater Sicherheitsdienste ist in der Schweiz nicht einheitlich geregelt. Ein Konkordat über Sicherheitsunternehmen, dass beispielsweise verpflichtend eine Ausbildung des Personals verlangt, existiert nur für die Westschweizer Kantone. Ein ähnliches Modell für die Deutschschweizer Kantone ist 2017 gescheitert. Wer in Basel als Sicherheitsfachkraft arbeiten will, muss laut Paragraph 62 des Polizeigesetzes zwei Auflagen erfüllen. Er*sie muss handlungsfähig sein und darf über keine Vorstrafen verfügen.
Zayrah hat nicht damit gerechnet, dass das Video derart viel Aufmerksamkeit erregt. Unter dem Post finden sich zahlreiche bestärkende Kommentare. Medien berichten. Sie habe den Club nicht erst privat kontaktiert, sagt die 23-Jährige, weil ihr Vertrauen nach diesem Vorfall verschwand. Auf das Gesprächsangebot mit den Club-Verantwortlichen geht sie ein. Es soll noch in dieser Woche ein Treffen geben.
Was erhofft sie sich? «Ich will, dass Menschen in diesem Club nicht mehr queerfeindlich behandelt werden. Ich will, dass die Gäste Hilfe kriegen, wenn sie sexualisierte Übergriffe erleben und diese gegenüber der Security melden. Ich erwarte von anderen Gästen, dass sie aufhören queerfeindlich zu sein.»
Wenn Aussenstehende beobachten, dass Menschen ungefragt kommentiert werden, dann sollen sie einschreiten, sagt Zayrah. Ob sie wieder in der Balz tanzen wird, weiss sie noch nicht.
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