FCB-Angestellter soll handgreiflich geworden sein

Eine Person mit Sicherheitsaufgaben rund um FCB-Spiele pöbelt offenbar am Rande der Fasnacht herum. Danach folgt ein medienpolitisches Powerplay. Ein halbes Jahr später berichten die Medien.

FC Basel
Szene vor einem zufällig ausgewählten Fussballspiel aus dem St.-Jakob-Park. Die Sicherheit rund um das FC Stadion ist ein politisch relevantes Dauerthema in der Region.

An einem Montag Ende August findet im Zivilgericht Basel-Stadt hinter verschlossenen Türen eine Verhandlung statt. Sie dauert fünf Stunden, am Ende einigen sich die beiden Parteien, eine Person mit zwei Anwälten und zwei Journalist*innen des SRF-Regionaljournals mit ihrer Rechtsvertretung auf einen Vergleich. Bajour sitzt vor verschlossener Türe: Externe Prozessbeobachter*innen sind, wie bei Vergleichsverhandlungen üblich, nicht zugelassen. 

Eine Woche später sendet das Regionaljournal in seiner Abendsendung einen Beitrag (ab Minute 1:07). Es geht darin um einen Vorfall in einem Club in Sissach. Dort sind sich am Abend der Fasnacht Anfang März mehrere Männer in die Haare geraten. Alkohol soll im Spiel gewesen sein. Einer der Männer wurde von den Sicherheitskräften aus dem Club eskortiert. 

Vor dem Club ging die Streiterei weiter, wie Augenzeugen gegenüber Bajour sagen. Eine Polizeipatrouille bat den Mann, zu gehen. Doch der weigerte sich. Die Polizei Baselland schreibt auf Anfrage Bajours: «Der Mann wurde, nachdem er mehrfach mündlich aufgefordert wurde, die Örtlichkeit zu verlassen, gegenüber unseren Mitarbeitenden handgreiflich. In der Folge musste er arretiert und in Polizeigewahrsam genommen werden. Der Mann wurde am nächsten Morgen wieder aus dem Polizeigewahrsam entlassen.»

Relevant dabei: Es handelt sich dabei um eine Person, die beim FCB angestellt ist und an Spielen an der Schnittstelle zwischen Sicherheit im Stadion und Polizei tätig ist. 

Jetzt, ein halbes Jahr später, ist diese Person beim FCB immer noch angestellt. In derselben Funktion.

Es stellt sich also die kritische Frage an den Arbeitgeber FCB: Ist diese Person noch tragbar? Die Sicherheit an FCB-Spielen hat höchste Priorität. Ein professioneller Umgang mit der Polizei und eine deeskalierende Haltung in Konflikten ist deshalb zentral. Der FCB liess diese Frage unbeantwortet. 

Der Anwalt der betroffenen Person sagt gegenüber dem Regionaljournal: «Der erwähnte Vorfall liegt nun schon lange zurück und hat keinen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der betroffenen Person und hat diese auch nie beeinträchtigt. Alle involvierten Parteien haben sich ausgesprochen und die Sache war schnell erledigt.»

Powerplay

Interessant ist aber auch die medienpolitische Dimension des Vorfalls. Eigentlich hätte der Bericht aus Sissach schon im März über den Sender gehen sollen. Eine superprovisorische Verfügung gegen das SRF verhinderte das. Eine solche verbietet eine Berichterstattung, bis ein Gericht über die Sache entscheidet oder es, wie hier, zu einem Vergleich kommt. 

Auch Bajour stand im März kurz vor der Veröffentlichung eines Berichts über denselben Sachverhalt. Die Quellenlage war stabil und bestand nach journalistischem Qualitätsstandard aus mindestens zwei voneinander unabhängigen Quellen. 

Da es um brisante Vorwürfe ging, schickten wir im März einen umfangreichen Fragenkatalog mit Bitte um Stellungnahme an die betroffene Person und den Arbeitgeber. Den FC Basel.  

Doch die kam nicht. Stattdessen wurden wir von der Pressestelle des Clubs telefonisch informiert, das SRF habe wegen derselben Geschichte bereits eine superprovisorische Verfügung kassiert. Der Angestellte des FCB wollte damit eine identifizierende Berichterstattung verhindern, in der die Personalie erkennbar ist. Da das Regionaljournal den Rechtsstreit bereits ausfocht, beschlossen wir, den Ausgang der Verhandlungen abzuwarten.

Jetzt, ein halbes Jahr später, hat man sich auf einen Vergleich geeinigt. Das Regionaljournal berichtet  – ohne die Identität der betroffenen Person zu nennen. Bajour berichtet ebenfalls – und erhielt im Vorfeld erneut ein Telefon aus der Pressestelle des Clubs, in dem rechtliche Schritte in den Raum gestellt wurden. 

Auch wir lassen den Namen weg. Eine Nennung des Namens wäre aus unserer Sicht zwar rechtlich zulässig. Im Fokus der Geschichte steht aber der Arbeitgeber FCB, der an einer heiklen Personalie festhält, die offenbar gegenüber Beamt*innen der Polizei handgreiflich wurde.

Verzögerte Berichterstattung

Hinter dem Vorfall steckt aber auch eine andere Geschichte: Wie gehen Medien und Betroffene mit dem Persönlichkeitsschutz und der Medienfreiheit um?

Das Vehikel der superprovisorischen Verfügung wird selten angewendet. Es ist ein wichtiges Mittel, um sich gegen potenziell unfaire Berichterstattung zu wehren, welche die Persönlichkeit verletzen könnte. 

Dem gegenüber steht die Medienfreiheit: Also dem Recht und der Pflicht der Journalist*innen, über öffentlichkeitsrelevante Sachverhalte zu berichten. Auch beim Hinundher zwischen der FCB-Personalia und den Medien ging es um die Frage: Wann ist der Schutz einer Person höher zu gewichten als ihr mutmassliches Vergehen? Und wann ist das öffentliche Interesse grösser?

Es ist dies eine Frage, die sich Journalist*innen bei der täglichen Arbeit stellen müssen. Je nach Sachverhalt ist das eine höher zu gewichten als das andere. 

Dieses Dilemma wird auch innerhalb der Politik diskutiert. Der Nationalrat hat im Mai 2022 beschlossen, die Hürden für superprovisorische Verfügungen senken zu wollen. Bislang dürfen Gerichte sie mitunter dann erlassen, wenn die Berichterstattung einen «besonders schweren Nachteil» für die klagende Partei verursacht. Beide Räte wollen das «besonders» gestrichen haben.

Innerhalb der Medienbranche führt die Verschärfung zu Diskussionen. Gewisse Journalist*innen sehen in ihr einen notwendigen Schritt in Richtung sachlichen, aber fairen Journalismus. Und ziehen dafür Fälle aus der Vergangenheit herbei, in denen öffentliche Personen den Medien vorwarfen, ihr Persönlichkeitsrecht verletzt zu haben. 

  • Die ehemalige Zuger Grünen-Politikerin Jolanda Spiess-Hegglin kämpft heute noch gegen Berichte, die ihre Privat- und Geheimsphäre verletzten. Mehrere Medien wurden deswegen verurteilt. (Spiess-Hegglin hat eine Zeitlang bei Bajour als Social-Media-Moderatorin gearbeitet).

  • Der frühere Badener Stadtammann Geri Müller war wegen Nacktselfies in der Presse derart desavouiert, dass seine politische Karriere schlagartig endete. Ein Gericht verurteilte 2019 den Lieferanten der Bilder. 

Doch es gibt auch Kritik an der Verschärfung der superprovisorischen Verfügung. Journalist*innen befürchten eine Beschneidung der Medienfreiheit und eine Verhinderung kritischen Journalismus’.  

Andreas Meili ist einer der profiliertesten Medienrechtsexperten der Schweiz. Er sagt: «Die Diskussionen darüber, ob über etwas berichtet werden soll, oder nicht, ist absolut von öffentlichem Interesse.» Meili, der sowohl Medienhäuser, als auch Private in Medienrechtsfragen vertritt, sagt, er rate seinen Klient*innen grundsätzlich, mit den besten Argumenten zu reagieren, bevor zu rechtlichen Mitteln gegriffen wird. 

«Eine einstweilige Verfügung wie die Superprovisorische ist die Ultima Ratio.» Festzuhalten sei, dass mit dem Internet eine gewisse «Dynamisierung der Persönlichkeitsrechte» stattgefunden habe. Das Internet vergisst nicht. Auch darum steht die identifizierende Berichterstattung in Skandal- und Problemfällen unter erhöhter Beobachtung der Öffentlichkeit – und manchmal der Gerichte. Es gibt zwar nicht mehr Superprovisorische aber: «Was sicher zugenommen hat, sind Versuche, nachträgliche Korrekturen zu erwirken.»  

Also zurück zur Frage: Wann soll über eine Person, die in ein Ereignis verwickelt war, berichtet werden? Die Leitlinien des Presserats halten fest, eine identifizierende Berichterstattung sei zulässig, «sofern die betroffene Person (...) eine staatliche oder gesellschaftlich leitende Funktion wahrnimmt und der Medienbericht damit im Zusammenhang steht.»

Journalist*innen wägen die beteiligten Interessen, das Recht der Öffentlichkeit auf Information und den Schutz der Privatsphäre, sorgfältig ab.

«Das ökonomische Risiko wird anders eingeschätzt bei einem schwach dotierten Medium»

von Andreas Meili

Berichte, die die Persönlichkeitsrechte tangieren, sind eine Gratwanderung. Sie können Existenzen vernichten. Abwägen tut not. Wie bekannt sind die Beteiligten? Und wird mit der Berichterstattung wirklich dem Prinzip der Wahrheitssuche Genüge getan – oder geht es um Voyeurismus und, nun ja, Klicks?

Medienanwalt Meili sagt, in solchen Fällen muss eine gewisse Unschärfe in Kauf genommen werden. Der Aufklärungsauftrag der Medien wird teilweise erfüllt, das Ereignis öffentlich geschildert. Gleichzeitig wird die Integrität der Beteiligten gewahrt. 

Problematisch werden kann das In-den-Raum-Stellen rechtlicher Konsequenzen. Aus Sicht der Redaktion führt das zu Fragen wie: Lohnt sich das? Können wir uns das leisten? Zumal am anderen Ende des Verhandlungstisches nicht selten Player mit finanzieller Potenz sitzen?

Wie die WoZ berichtete, wird dass Genfer Enthüllungsportal «Gotham City», spezialisiert auf Wirtschaftskriminalität, von den Kosten juristischer Verfahren an die Grenze der Handlungsfähigkeit getrieben. WoZ: «Wer es sich leisten kann und über genügend Einfluss verfügt, findet in der Schweiz schnell einen Weg, die Arbeit der Medien zumindest eine Weile lang zu behindern.»

Die Medienlandschaft steht unter Druck, auch ökonomisch und insbesondere in den ländlichen Regionen, wie die Debatte um das Mediengesetz eindringlich zeigte. Setzen drohende Rechtshändel besonders kleinere Medien zusätzlich unter Druck – und was bedeutet das für ausgedünnte Medienlandschaften?

«Das ökonomische Risiko wird anders eingeschätzt bei einem schwach dotierten Medium», sagt Meili, «das kann tatsächlich ein Problem sein». Aber Medien wüssten sich in der Regel zu helfen. Wird eine Stimme blockiert, berichtet meistens dennoch die Konkurrenz und vice versa. 

Bitte ruhig bleiben

Aus Sicht von Medienanwalt Meili ist eine Verschärfung der superprovisorischen Verfügung nicht nötig: «Das aktuelle System ist sehr austariert. Es gibt keine Notwendigkeit die Hürde herabzusetzen.» 

Am Ende des Tages bleibt es der Job der Medien, zwischen Persönlichkeitsschutz und Medienfreiheit abzuwägen – und sich dabei nicht durch den schnellen Klick verführen, aber auch nicht durch Druckversuche von mächtigen Playern einschüchtern zu lassen. 

Im Fall des FCB-Angestellten willigte das Regionaljournal im Vergleich übrigens ein, die Identität der betroffenen Person nicht zu nennen. Nur: Hätte es dazu wirklich ein rechtliches Powerplay gebraucht? SRF wollte den Persönlichkeitsschutz des FCB-Mitarbeiters von Anfang an respektieren, sagte Redaktionsleiter Patrick Künzle auf Sendung. Man habe nie vorgehabt, die Identität der betroffenen Person zu nennen. Um die Berichterstattung nicht weiter rauszuzögern, habe man sich auf einen Vergleich eingelassen.

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