Klybeck: Vision unter Beobachtung

Die Planungspartner*innen präsentieren am Dienstag das städtebauliche Leitbild Klybeckplus der Öffentlichkeit. Wieviel Öffentlichkeit steckt umgekehrt im Leitbild? Rückblick und Vorschau auf eine brisante Etappe der Basler Stadtentwicklung.

Klybeck
Blick über die Dächer des ehemaligen Chemie-Areals von Novartis und BASF, das in den kommenden Jahren zum neuen Stadtteil Klybeckplus entwickelt werden soll. (Bild: Keystone / SDA)

Den Termin haben sich Nachbar*innen aus Kleinbasler Quartieren, Politik und Stadtplanung dick in die Agenda eingetragen. Kantonsbaumeister Beat Aeberhard nennt es einen «wesentlichen Meilenstein». Am Dienstag, den 20. September, wird das städtebauliche Leitbild zum Entwicklungsareal Klybeckplus der Öffentlichkeit vorgestellt.


Mit diesem Leitbild werden die Leitplanken gesetzt für die weiteren Planungsschritte zur Transformation eines Areals, von dem die Eigentümer*innen sagen, es sei «in dieser Grössenordnung und Charakteristik einzigartig für die Schweiz und darüber hinaus».

Aeberhard erklärt es so: «Das städtebauliche Leitbild zeigt, wie die Bebauungsstruktur des Quartiers aussehen könnte. Zum Beispiel zeigen wir, wo welche Freiräume denkbar sind oder wo eine neue Tramlinie durchführen wird.» Das Leitbild soll vermitteln, wie sich die Planungspartner die Aufteilung der verschiedenen Nutzungen vorstellen. Wo also gearbeitet, wo gewohnt werden soll. Wo der Verkehr fliessen könnte. 

Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister Basel-Stadt
Laut Kantonsbaumeister Beat Aeberhard wird ein «wesentlicher Meilenstein» präsentiert. (Bild: zvg)

Die Präsentation wird auch darum mit Spannung erwartet, weil das Leitbild den aktuellsten Stand der Hoffnungen abbildet. Man darf also durchaus mit einer Landkarte der Ansprüche rechnen, auf der sich alle beteiligten Player mit mehr oder weniger Mitspracherecht eingeschrieben haben. 

Wer redet mit?

Die Player sind zum einen die Grundeigentümer*innen, der Lebensversicherungskonzern Swisslife und das Investor*innenkonsortium Rhystadt AG, die das Areal 2019 für mehrere hundert Millionen den früheren Eigentümern Novartis und BASF abkauften. Auch der Kanton redet mit. Er ist als Planungspartner an der Entwicklung beteiligt und zeichnet für die öffentlichen Interessen wie Infrastruktur, Schulen, Tramlinien, S-Bahnstationen verantwortlich. 

Das wurde bereits 2016 in einer Planungsvereinbarung zwischen Kanton und den früheren Eignern Novartis und BASF fixiert.  

Diese Player haben nun in monatelanger Arbeit an der Gestalt des städtebaulichen Leitbilds gefeilt. Es waren intensive Debatten. Unter anderem ging es darum, wer von den beiden Grundbesitzern Swisslife und Rhystadt wieviel Boden für öffentliche Infrastruktur abtreten musste.


Dieses Bild trägt den knackigen Namen «erste Visualisierung Entwurf städtebauliches Leitbild»
Modell der KlybeckPlus-Siedlung. (Bild: www.klybeckplus.ch)

Auf diesen Parzellen wird dereinst keine Rendite möglich sein, aber umsonst werden sie nicht hergeschenkt. Die Stadt muss diese Landstücke der Swisslife und Rhystadt abkaufen, um daraus Allmend zu machen. Wie viel das kostet, ist heute noch unklar, sagt Kantonsbaumeister Aeberhard auf Anfrage. Federführend werde Immobilien Basel-Stadt diese Verhandlungen leiten. «Die Idee ist, dass im Klybeck ein richtiges Stück Stadt entsteht. Das heisst, dass heute private Flächen, die zukünftig Strassen oder Freiräume sein werden, in den Besitz der Einwohnergemeinde übergehen sollen», sagt Aeberhard. 

Zur Erinnerung: Auf den Kauf des Bodens von BASF und Novartis hatte der Kanton nach einer Offerte für einen Teilbereich des Areals verzichtet. Begründung: Der Kauf des ganzen Gebiets hätte die finanziellen Kapazitäten des Kantons überstiegen. Man habe sich nach Abwägung der Chancen und Risiken gegen eine Offerte entschieden, sagte Regierungssprecher Marco Greiner 2019 in einem Interview. 

Kritiker*innen der politischen Linken monieren, Basel-Stadt habe fahrlässig eine Chance verspielt, die Bodenpolitik in die eigene Hand zu nehmen. Die SP hatte im Parlament auf eine Übernahme durch den Kanton gedrängt. 

Bei Zukunft Klybeck ist man gespannt, was im städtebaulichen Leitbild von den Inputs der Bevölkerung hängen bleibt.

Aus dem Kauf wurde nichts. Heute sitzen Private am Hebel, die Stadt muss um Ansprüche feilschen. Neben den genannten gibt es aber noch eine weitere Akteurin, der zwar nicht mit am Tisch sass, wo am Leitbild gearbeitet wurde. Die aber seit 2016 an zahlreichen Beteiligungsveranstaltungen immer wieder herzlich dazu eingeladen war, sich an der «kooperativen Planung» (Aeberhard) des neuen Stadtteils Klybeckplus zu beteiligen. 

Die Bevölkerung. Beziehungsweise ein Teil davon.

Diese Bevölkerung traf sich eine Woche vor der Präsentation des Leitbilds in einem kleinen Lokal im Herzen von Kleinbasel, um sich auf den grossen Tag vorzubereiten. Genauer gesagt handelte es sich um eine Handvoll Mitglieder des Vereins Zukunft Klybeck, der sich seit 2016 an den öffentlichen Veranstaltungen rund um Klybeckplus beteiligt. 

Der Verein hat die Wortmeldungen der Leute an diesen Events fein säuberlich in ausführlichen Tabellen protokolliert. 

Gesammelt wurden Inputs unter den Schlagworten «Stadtstruktur, Freiraum, Verkehr, identitätsstiftende Merkmale, Nutzungen». Um nur einige zu nennen. Die Homepage der Planungspartner*innen hat die Inputs der Bevölkerung ebenfalls gesammelt und in einer umfassenden Q&A-Liste publiziert.

Mit den Themen der Beteiligungsverfahren im Gepäck ist Zukunft Klybeck gespannt, was im städtebaulichen Leitbild von diesen Inputs übrig ist. Die Veranstaltung im Kleinbasel ist auch ein bisschen als Selbstversicherung gedacht, damit im Trubel der Leitbild-Präsentation nichts unter den Tisch fällt.

Man diskutiert, erinnert sich häufig an genannte Punkte:

  1. Freiraum / Grünfläche
  2. Bebauungsdichte
  3. Verkehr
  4. Identitätsstiftende Merkmale

1. Freiraum / Grünfläche

Hier interessierte an den zahlreichen Partizipationsveranstaltungen vor allem die Frage: Wieviel davon gibt es? Und was kann man dort machen? Auf den Plänen eines Richtprojekts vom Januar 2021 war zum Beispiel am Rhein ein kleiner grüner Spickel als «Rheinterasse» eingezeichnet. Dafür gab es an einer Informationsveranstaltung Kritik, der geplante Park sei zu klein. Ein zweiter Park, der laut Richtprojekt von der Wiese ins Quartier hineinreichen könnte und Klybeckmatte heissen soll, wurde ebenfalls als zu klein erachtet. 

Die Frage nach mehr Freiraum war stets eines der drängendsten Bedürfnisse aus der Bevölkerung, sagt Christoph Moerikofer vom Verein Zukunft Klybeck. Den Grund dafür sieht er in der heute bereits hohen Bevölkerungsdichte und geringer Grünfläche in den Nachbarquartieren Klybeck und Matthäus. Im neuen Quartier sollen dereinst 10’000 Menschen wohnen und 6000 Arbeitsplätze entstehen. Der Nutzungsdruck bleibt hoch. Mehr noch, das neue Quartier müsse räumlich bereit sein, den Dichtestress aus den umliegenden Quartieren abzufedern. 

Beim Kanton findet man den geplanten Park gross genug. Er habe zirka die Grösse der Wiese am Birsköpfli auf Basler Seite, sagte Kantonsbaumeister Aeberhard in einem Interview mit Bajour. Zusammen mit der geplanten Esplanade und der Klybeckmatte entstünde «grosszügiger» neuer Grünraum. 

Klybeckplus
Der Richtplan vom Januar 2021 gibt eine grobe Vorstellung davon, wie sich die Investor*innen die Aufteilung des neuen Stadtteils vorstellen. (Bild: Klybeckplus.ch / Richtprojekt)

2. Bebauungsdichte

Mehrfach wurde an den Info-Veranstaltungen eine kleine Parzellierung gewünscht. Also keine «klobigen Monsterbauten», wie sie teilweise auf dem Erlenmattareal stehen. Hier lautete die Kritik, dass frühere Visualisierungen oft aus der Vogelperspektive präsentiert wurden. Und damit die Höhe und das Volumen der Bauten einigermassen unfassbar blieb. Erwartet wird, dass das Leitbild hier Antworten liefert.

Nach der Präsentation des Richtprojekts vor anderthalb Jahren sagte Kantonsbaumeister Aeberhard gegenüber Bajour, in Zeiten des Klimawandels mache es Sinn, «verstreute, hohe Gebäude zu bauen und nicht einfach eine Blockrandbebauung». Dann könne die Luft besser zirkulieren. Auf dem Areal stünden «einige Bauten, die wir erhalten wollen.»

Der Swisslife-Entwickler Philipp Fürstenberger wiederum sagte zur bz, über die Frage der Architektur habe es in der Bevölkerung wenig Diskussionsbedarf gegeben.

3. Verkehr

Dazu wurden unterschiedliche Bedürfnisse angemeldet. Manche Bürger*innen wollten «mehr Sicherheit auf den Strassen» und mehr Parkplätze, andere forderten, dass weniger Verkehr auf den Strassen fährt. Mit Spannung wird erwartet, wie und ob das Leitbild die Station einer S-Bahnlinie vorschlägt, die für das ewige Planungsprojekt Herzstück relevant ist. Und wo sind unterirdische Parkplätze geplant?

4. Identitätsstiftende Merkmale

Offenbar wurde an den Partizipationsveranstaltungen immer wieder nach Leuchtturmprojekten gefragt. Nach etwas Besonderem, das das neue Quartier abhebt und auszeichnet. Das Richtprojekt präsentierte bereits eine Esplanade, eine Art Allee mit Aufenthaltsqualität, die in diese Richtung gedeutet werden kann. 

Weitere Themen wie die Sockelnutzung, die Blockrandbebauung oder die CO2-Bilanz des Quartiers wurden ebenfalls besprochen in diesem Kleinbasler Lokal. Die Stimmung war nicht feindselig, man habe ja nichts Persönliches gegen die Mitarbeiter von Rhystadt und Swisslife. Aber es sei halt schon so, dass man es hier mit grossen Playern zu tun habe, die «in marktwirtschaftlichen Zwängen gefangen seien», sagt Polit-Künstler Christian Mueller. 

«Damoklesschwert» Basel baut Zukunft

Und weil das so sei, hat der Verein Zukunft Klybeck, zusammen mit Politiker*innen von SP und Grüne, die Initiative «Basel baut Zukunft» lanciert. Die fordert unter anderem 50 Prozent gemeinnützigen Wohnbau auf Basler Transformationsarealen. Aus Sicht der Investor*innen eine restriktive Drohkulisse. Wenn die Initiative angenommen wird, verlieren Swiss Life und Rhystadt AG eine Menge Geld, da ihr Areal an Wert verliert – laut einem Gutachten der Immobiliendienstleister Wüest und Partner sind es über 500 Millionen Franken.

Genug Geld, für die Umkehrdrohung der Investor*innen: Mit der Initiative sei das Leitbild für die Katz, das ganze Projekt «zurück auf Feld eins». So sagt es der Klybeck-Verantwortliche der Swiss Life, Philipp Fürstenberger zur bz. Weiter: Bei einer Annahme der Initiative müssten sich die Bebauungspläne eben in Richtung Labor-, Lager oder Produktionshallen orientieren.

Die Initiant*innen von Basel Baut Zukunft finden dagegen, sie nähmen lediglich ihre demokratischen Rechte wahr. 
Christian Mueller dazu: «Wir haben immer gesagt, Partizipation ist gut und recht. Aber nette Gespräche und runde Tische waren uns angesichts der Rendite, die diese Areale abwerfen sollen, zu wenig. Wir wollten einen rechtlichen Hebel.»

Um die Initiative soll es am kommenden Dienstag allerdings nicht gehen. Ebenso wenig um den anderen «Elefant in the Room» (Zukunft Klybeck-Vorstand Matthias Brüllmann), die Frage nach den chemischen Altlasten auf dem ehemaligen Chemie-Areal. Aus Sicht von Zukunft Klybeck wird es bei der Präsentation des Leitbilds darum gehen, wie sehr ihre Stimme nach Paragraf 55 der Kantonsverfassung über die Mitwirkung der Quartierbevölkerung berücksichtigt wird. 

Aus Sicht der Investor*innen steht eine Prüfung bevor. Sowohl Philipp Fürstenberger, der für die Swiss Life Teile von Klybeckplus entwickelt, wie auch Rhystadt-CEO Christian Mutschler haben in Interviews mit BaZ und bz betont, dass sie «zuhören» (Mutschler) wollen und sich in der Pflicht sehen, «noch breiter zu kommunizieren» (Fürstenberger). 

Jetzt wird kommuniziert. Vorhang auf für ein weiteres Kapitel Basler Stadtentwicklung. 


__________

Am Dienstag, 20. September 2022, von 18 bis ca. 20.30 Uhr präsentieren die Planungspartner und Expert*innen im Klybeck-Areal, Gebäude K-314, das Leitbild. Der Eingang befindet sich bei der Porte 31 am Klybeckplatz (bei der Tramhaltestelle «Ciba»). Weitere Infos findest du hier. 

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Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

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