«Es ist eine Generationenchance»
Wer aus alten Industriehallen ein grünes, durchmischtes Quartier machen will, braucht Geduld. Doch so langsam wird die Transformation von Klybeckplus konkret. So soll es aussehen im Kleinbasler Norden.
«Wäre Klybeckplus ein Marathon, wären wir jetzt ca. bei Kilometer 35 von 42», sagt Adrian Kohler am Rande der Medienkonferenz über das Richtprojekt des grössten Transformationsareals der Stadt. Der Mediensprecher der Rhystadt AG, die gemeinsam mit der Versicherung Swiss Life den früheren Industriegürtel im Kleinbasler Norden entwickeln will, zeigt sich freudig, dass man jetzt neue Visualisierungen und neue Details zum Projekt präsentieren kann.
Und seine Marathon-Metapher passt durchaus ganz gut: Die Zielgerade ist es noch nicht, aber man befindet sich auf dem Weg dorthin. Und die schwierigste Phase ist gerade durchgestanden: Zwischen dem 30. und dem 35. Kilometer werden Marathons am häufigsten abgebrochen – Ausdauersportler*innen sprechen vom «Mann mit dem Hammer», der sie plötzlich umnietet.
Im Fall von Klybeckplus war der «Mann mit dem Hammer» die Initiative «Basel baut Zukunft», die für die derzeitige Planung des Projekts einschneidend gewesen wäre. 50 Prozent gemeinnützige und günstige Wohnungen forderte die Volksinitiative – was den Investor*innen des Areals nicht sonderlich gefiel. Im Grossen Rat wurde ein Kompromiss von einem Drittel ausgehandelt – der «Mann mit dem Hammer» wurde abgewendet.
Die Initiative kam auch deshalb zustande, weil der Kanton 2019 beim Kauf des ehemaligen Industrieareals der Chemiekonzerne BASF und Novartis ausgestochen wurde. Für mehrere hundert Millionen kauften Swiss Life und die Rhystadt AG das Areal, um es zu einem Wohn- und Arbeitsquartier zu entwickeln. Der Kanton redet zwar als Planungspartner trotzdem mit – doch linke Gruppen wollten mehr Mitspracherecht beim günstigen Wohnraum und erzwangen das mit der Initiative.
Partizipation beim der grossen Arealtransformation
Zumal Klybeckplus sich auch damit brüstet, die Partizipation in der Gestaltung des zukünftigen Quartiers gross zu schreiben. Wie sehr die Wünsche der Bevölkerung mit einflossen ins Leitbild für die Arealentwicklung, wurde bei dessen Präsentation 2022 positiv hervorgehoben. Und auch seither gab es immer wieder partizipative Anlässe mit der Bevölkerung, die nun wiederum ins Richtprojekt aufgenommen wurden.
«Man muss sich das so vorstellen, dass wir bei jedem Schritt ein Stück näher heranzoomen ins Projekt», erklärt Baudirektorin Esther Keller (GLP) bei der Präsentation am Mittwoch. Sprich: Es wird immer detaillierter, die Planung geht immer mehr ins Detail – bis dann Anfang 2027 ein konkreter, handfester Bebauungsplan zur öffentlichen Auflage und auch ins Basler Parlament kommen soll. Für diesen Bebauungsplan ist das Richtprojekt jetzt die Grundlage.
An den grundlegenden Eckdaten für das neue Stadtquartier hat sich zwischen dem Leitbild und dem Richtprojekt nichts geändert: In 50 Gebäuden soll Wohnraum für 8500 Menschen und Arbeitsplätze für 7500 Menschen entstehen. Viele davon geben Basel ein neues Gesicht: Unter den Neubauten finden sich Stadtbild-prägende, wuchtige Gebäude – das höchste neue Gebäude soll 120 Meter hoch sein.
Zwar ist immer noch geplant, dass rund ein Drittel der Bestandsbauten erhalten bleiben sollen – allerdings gibt es im Detail ein paar Veränderungen, welche Gebäude erhalten und welche abgerissen werden. So wurde schon im Sommer kommuniziert, dass einige ehemalige Produktionsgebäude aus dem Inventar der schützenswerten Bauten entlassen werden. Insbesondere an der Mauerstrasse werden jetzt doch Gebäude abgerissen, die man ursprünglich erhalten wollte – weil die Schadstoffbelastung darin zu gross ist, um sie entwickeln zu können.
K90 wird zum Parkhaus
Das problematische Erbe der chemischen Produktion auf dem Areal ist eine der zentralen Herausforderungen bei der Entwicklung des Areals – auch weil die Sorgen davor in der Bevölkerung stark verankert sind. Erst im März starteten die beiden Investor*innen deshalb eine Transparenzoffensive: Sie legten alle abgeschlossenen Untersuchungsberichte zur Belastung in den einzelnen Gebäuden offen. Um sie einzusehen, kann man sich für einen Online-Datenraum anmelden.
«Dank dieser Daten sind wir auch in der Lage, für die vorhandenen Schadstoffbelastungen Lösungen zu finden», sagte Jürgen Friedrichs, Gesamtprojektleiter der Swiss Life für Klybeckplus. Ein Beispiel ist die kreative Lösung für den Bau K90, über den wegen der Schadstoffbelastung immer wieder kritisch berichtet wurde.
Statt einer bisher geplanten durchmischten Nutzung soll der Klotz, der derzeit nur mit Schutzanzug betreten werden darf, als Parking umgenutzt und mit einer Aufstockung aus Wohnflächen gekrönt werden – eine Lösung, mit der die Verantwortlichen sehr zufrieden sind. Einerseits in der Hoffnung, dass die Öffnung des Gebäudes als Parkhaus genug Durchlüftung bringt, um die Schadstoffbelastung zu minimieren.
Andererseits vermeidet man damit, unterirdische Parkflächen bauen zu müssen – das verbraucht viel CO2 und man kann die Strukturen zu einem späteren Zeitpunkt schlechter umnutzen. Den K90 könnte man dann in fernerer Zukunft – von Schadstoffen gereinigt – vielleicht auch doch noch anders ausbauen.
Der Parkturm direkt am dereinstigen «Klybeckplatz» wird aber ein Anachronismus sein in einem Quartier, das einer grünen Vision folgt. Im Klybeckplus wird so geplant, dass auf einen Parkplatz fünf Wohnungen kommen. Auch die Strassenplanung wird so vorgenommen, dass in vielen Strassen gar keine Durchfahrt von Autos möglich sein soll. Vorzug haben soll der Veloverkehr sowie die neue Tramachse an den Badischen Bahnhof.
Ausserdem – und das sollen die neuen Visualisierungen von Diener&Diener Architekten zeigen – will man dem Bedürfnis der Bevölkerung nach mehr Frei- und Grünraum Sorge tragen. Neben der Klybeckmatte – die mit 8000 Quadratmetern in etwa so gross wird wie die Claramatte – im Osten an der Wiese soll es viele grüne Korridore geben und im Westen neue Rheinterrassen.
Zumindest was die Anzahl Bäume auf dem Areal anbelangt, hat man das Projekt allerdings etwas geschrumpft: 281 heute bestehende Bäume sollen erhalten und 1553 neue gepflanzt werden – 300 weniger als ursprünglich geplant. Kantonsbaumeister Beat Aeberhard erklärt das damit, dass man nun grössere Bäume anstatt kleinere Sträucher plane (was man metaphorisch auch auf die ganze Klybeckplus-Entwicklung übertragen kann).
Mit dem Richtplan ist das Projekt einem Bebauungsplan einen grossen Schritt näher gekommen. Das Nutzungskonzept für die diversen Räume, die für «quartierdienliche Nutzung» gedacht sind, soll bis kommenden Sommer noch konkretisiert werden und dann geht es auch schon in die entscheidende Phase. «Es ist eine Generationenchance», sagt Regierungspräsident Conradin Cramer bei der Medienkonferenz, «damit wir unsere letzten Landreserven im Kanton nachhaltig und lebenswert entwickeln.»
Sieben Kilometer sind es noch, dann ist der Marathon voll.