Kopiert!

Aus meiner Sicht

Manchen Leuten fährt er über die Zehen

Markus Schley kämpft sich im Rollstuhl durch Basel. Das sind seine Wünsche.

08/12/20, 04:16 AM

Kopiert!
Appelliert für mehr Verständnis und Nachsicht: Markus Schley (Foto: ZVG)

Appelliert für mehr Verständnis und Nachsicht: Markus Schley (Foto: ZVG)

Durch meine langjährige Multiple Sklerose bin ich seit gut zwei Jahren auf den Rollstuhl angewiesen. Seither ist die Stadt nicht mehr dieselbe für mich. Was vorher kein Problem war, wird plötzlich zum Hindernis. Das fängt bei ganz unscheinbaren Dingen an. Etwa Trottoirs: Weil die oft gegen die Strasse abfallen, braucht man sehr viel Kraft beim Entlangfahren.

«Ich musste schon lange Umwege fahren, nur weil jemand sein Velo oder Auto irgendwo blöd abgestellt hatte.»

Markus Schley

Beim Überqueren der Strasse an den Ampelanlagen und Fussgängerstreifen muss ich aufpassen, dass mir nicht die vorderen Achsen der kleinen Räder wegbrechen, weil die zum Auffahren auf die Trottoirs zu hoch sind. Oft muss ich ein weites Stück zurückfahren, damit ich es überhaupt runter auf die Strasse schaffe. Vor allem wenn die Leute ihre Fahrräder auf dem Trottoir parkieren – so, dass ich nicht dran vorbeikomme. Ich musste schon lange Umwege fahren, nur weil jemand sein Velo oder Auto irgendwo blöd abgestellt hatte.

Ein weiteres Problem sind die Fussgängerstreifen, die nicht abgesenkt wurden – und stattdessen nur ein Asphaltklumpen hingepflastert wurde. Zum Beispiel bei der Tramhaltestelle Heuwaage. Bei der Tramhaltestelle Schaulager gibt es auf der einen Seite nicht einmal das. Solche Stellen sind mit dem Rollstuhl nicht überwindbar.

Fussgänger*innen sind oft nachlässig unterwegs und schauen nicht, wo sie hintreten. Da passiert es auch schon mal, dass ich jemandem aus Versehen über die Zehen fahre. Leider stosse ich da nicht auf Verständnis, sondern werde gleich aufs Böseste beschimpft. Obwohl ich keine Möglichkeit hatte, auszuweichen.

«Es ist sehr kräfteraubend, mit dem Rollstuhl durch die Stadt zu fahren.»

Beschimpft werde ich oft, egal ob auf der Strasse, im ÖV oder in Läden. Stichwort Läden: In den meisten Kleiderläden Basels, manchmal auch in Lebensmittelläden oder Baumärkten, sind die Waren so gehängt oder hingestellt, dass ich als Rollifahrer keine Chance habe, mir alles anzuschauen. Eigentlich müssen Läden den 1,20-Meter-Abstand einhalten, aber sie tun es nicht immer. Dabei ist es gar nicht so schwierig, man kann auch einen kleinen Umweg für Rollstuhlfahrer*innen einbauen, wenn der Platz nicht ausreicht.

Es ist sehr kräfteraubend, mit dem Rollstuhl durch die Stadt zu fahren. Also nehme ich oft das Auto. Fahren kann ich selber nicht, wegen der Multiplen Sklerose funktionieren auch meine Augen nicht mehr richtig. Deshalb brauche ich jemanden, der mich fährt. Und gute Parkplätze. Je nach Auto muss ich meinen Rollstuhl nämlich hinten aus dem Kofferraum oder von der Seite her herausnehmen. Dafür gibt es Behinderten-Parkplätze, die in der Regel länger und breiter sind. Um genau zu sein: 6 Meter lang und 3,5 Meter breit. Ausser diejenigen auf der Strasse. Die sind nur in der Länge angepasst, was die Sache verkompliziert.

«Ich hab auch schon 'Fahr ab, du Chrüppel!' zu hören gekriegt.»

Parkieren darf man da nur mit einer Behinderten-Parkkarte. Trotzdem sind diese Parkplätze oft von Fahrzeugen besetzt, die kein Recht haben, dort zu stehen. Auch Fahrräder oder Mofas treffe ich oft auf solchen Parkplätzen an. Ich versuche dann jeweils, den Fahrer*innen klarzumachen, wer da parkieren darf und wer nicht. Reagiert wird da meist verständnisvoll, ich hab aber auch schon ein «Fahr ab, du Chrüppel!» zu hören gekriegt.

In solchen Situationen ist die Polizei tatsächlich mein Freund und Helfer. Die versucht mir zu helfen, wo immer es geht – kann aber die Übeltäter*innen nicht immer büssen. Bei den Autos schon, aber für falsch platzierte Velos & Co. haben sie zu wenig Personal und Fahrzeuge für den Abtransport.  

«Mein Anliegen: Stellt uns nicht noch mehr Hindernisse in den Weg.»

Mein Anliegen an die Menschen, nicht nur hier in Basel, sondern überall in der Schweiz: Denkt bei der Stadtplanung, bei der Eröffnung eures Ladens oder einfach in eurem Alltag auch an Menschen, die eine Behinderung haben. Stellt uns nicht noch mehr Hindernisse in den Weg, wo wir schon genug davon haben. Lasst die Behinderten-Parkplätze jenen Menschen frei, die auf solche angewiesen sind und habt ein wenig mehr Verständnis für uns.

Euer

Rollifahrer Markus

Wird geladen