Ist Basel fertig gebaut?

Die linke Mehrheit der Bau- und Raumplanungskommission (BRK) will den Bau 52 auf dem Roche-Areal an der Grenzacherstrasse erhalten. Sie legt sich damit quer zu den Abrissplänen von Roche. Bajour-Kolumnist Luca Urgese fragt sich: Warum machen uns Abrissprojekte solche Mühe?

Archivaufnahme 2015
Der Bau 52 wurde 1960 eingeweiht. (Bild: Wladyslaw Sojka, Wikimedia Commons)

Der kürzlich publizierte Entscheid der BRK hat hohe Wellen geworfen. Der Regierungsrat hatte der Kommission einen zusammen mit Roche ausgearbeiteten Bebauungsplan für die Entwicklung des Südareals vorgelegt. Vorgesehen ist unter anderem, den Bau 52 abzureissen, um ein neues Empfangsgebäude zu errichten. Die linke Kommissionsmehrheit stellt sich dem entgegen. Sie will Bau 52 erhalten und unter Schutz stellen.

Zur Person

Luca Urgese, Jg. 1986, politisiert seit 2014 für die FDP im Grossen Rat. Von 2016 bis 2021 war er Parteipräsident. Im März kandidierte Urgese für den Regierungsrat, unterlag jedoch Mustafa Atici. In seiner Kolumne «Caffè Urgese» schaut er mit der bürgerlichen Brille auf Basel. Er äussert sich als Politiker und nicht als Mitarbeiter der HKBB.

Es lässt sich grundsätzlich die Frage stellen, ob die Kommissionsmehrheit angesichts der aktuellen weltweiten wirtschaftlichen Turbulenzen wirklich die richtige Güterabwägung getroffen hat, wenn sie der Weiterentwicklung dieses privaten Areals nach den Vorstellungen eines privaten Unternehmens derart Knüppel in die Beine wirft. Notabene eines Unternehmens, das in unserem Kanton Hunderte von Millionen Franken an Steuern bezahlt, Tausende von Arbeitsplätzen schafft und deren Eigentümerfamilie fest in Basel verankert ist und substanziell zum kulturellen und sozialen Leben beiträgt.

Argumentation der Kommissionmehrheit irritiert

Aber auch die Art, wie sich die Kommissionsmehrheit über fachliche Beurteilungen hinwegsetzt, irritiert. So wurde der Bau 52, beauftragt durch die kantonale Denkmalpflege, mehrfach gutachterlich untersucht. Die Untersuchungen kamen einhellig zum Schluss, dass das Gebäude zwar schutzwürdig, nicht aber schutzfähig ist. 

Der Unterschied ist wichtig. Schutzfähig ist ein Gebäude dann, wenn es mit verhältnismässigem Aufwand erhalten werden kann. Um das zu beurteilen, werden «der Aspekt des Gebäudezustandes und die Möglichkeit der Erhaltung der Originalsubstanz unter den Bedingungen der heutigen baugesetzlichen Anforderungen und Normen» untersucht, so der Regierungsrat. Die Gutachten kamen zum Schluss, dass der Bau 52 nicht schutzfähig ist, weil der Rückbau auf den Betonkern notwendig wäre und kaum etwas von der originalen Substanz und Baukonstruktion übrigbliebe, was dem Sinn der Unterschutzstellung zuwiderlaufen würde.

«Immer wieder regt sich Widerstand, wenn etwas abgerissen werden soll.»
Luca Urgese

Besonders verblüffend ist die Nonchalance, mit der die Vertreterin der Kommissionsmehrheit ausführt, man solle halt einfach die Heizung ersetzen und weniger strenge Erdbebenschutznormen anwenden. Und weil die Grundrisse heutigen Bedürfnissen nicht mehr entsprechen, soll das Gebäude mittels Ausnahmebewilligung faktisch entkernt und im Innern neu gebaut werden. Dabei stellt gerade dieser Aspekt die Schutzfähigkeit in Frage.

Basel hat Mühe mit Abrissprojekten

Die Mühen mit diesem Abrissprojekt sind kein Einzelfall. Immer wieder regt sich Widerstand, wenn etwas abgerissen werden soll. Sei dies ein Wohnhaus oder Tramwartehallen. Auch das Wohnraumfördergesetz sieht vor, dass private Bauherren nur ausnahmsweise eine Abrissbewilligung erhalten.

«Wir haben die Aufgabe, unsere Stadt laufend weiterzuentwickeln. Damit unsere Nachfahren dereinst kein Museum antreffen, sondern eine lebendige Stadt.»
Luca Urgese

Wenn die gesetzlichen Regelungen und der politische Wille nur noch in Ausnahmefällen den Abriss von Gebäuden erlauben, stellt sich unweigerlich die Frage: Ist Basel fertig gebaut? Denn wenn praktisch alles erhalten werden muss, dann gibt es bald nicht mehr viele Möglichkeiten, um die Stadt weiterzuentwickeln.

Auch bei Entwicklungsarealen regt sich Widerstand

Manche mögen dem entgegnen, es gebe ja noch die Entwicklungsareale. Tatsächlich sind auf dem Rosental, im Klybeck oder auf dem Wolf in den nächsten Jahren und Jahrzehnten grosse Entwicklungsprojekte geplant. Für Basel ist das ein grosser Glücksfall, weil dort dringend benötigter zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden kann.

Nur: Auch dort regt sich Widerstand. Es gibt beispielsweise Stimmen, die am Klybeckquai statt der geplanten Kombination von Wohnraum und Quartierpark lieber nur einen grossen Park sehen möchten, keine neuen Wohnungen. Man fragt sich, wo all die Menschen wohnen sollen, die Monat für Monat neu nach Basel kommen.

Eine Stadt ist ein lebendiger Organismus

Eine Stadt ist ein lebendiger Organismus, der sich laufend weiterentwickelt. Unsere Vorfahren haben die Stadt ihren Bedürfnissen und Vorstellungen entsprechend gestaltet. Davon auszugehen, dass wir den endgültigen Zustand erreicht haben, ist anmassend. Auch wir haben die Aufgabe und die Verantwortung, unsere Stadt laufend weiterzuentwickeln. Damit unsere Nachfahren dereinst kein Museum antreffen, sondern eine lebendige Stadt.

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