«Sie nannten mich Dorfhistoriker»

Seiner Faszination für die Riegelhäuser in Allschwil verdankt Max Werdenberg seinen Übernamen «der Dorfhistoriker». Fotograf und Fotojournalist Thomas Rauch hat den 89-Jährige für Bajour porträtiert.

Max Werdenberg
«Ich hatte wirklich Glück im Leben», sagt Max Werdenberg. (Bild: Thomas Rauch)

«Ich bin in Allschwil aufgewachsen, wo das Geschlecht Werdenberg bereits 1404 erstmals erwähnt wurde. Nach der Schule lernte ich Möbelschreiner und erhielt eine tolle Lehrstelle bei der Firma Hofstetter an der Malzgasse. Wir spezialisierten uns auf gepflegten Innenausbau sowie Biedermeier- und Barockmöbel.»

Max Werdenberg
Das Militär begleitete Max schon sein ganzes Leben. (Bild: Thomas Rauch)

«In unserer Familie war der Militärdienst Tradition. Mein Vater war Gefreiter und leistete Aktivdienst im Zweiten Weltkrieg. Obwohl ich zuerst nicht wollte, trat ich in die Rekrutenschule ein. Bald erhielt ich Führungsaufgaben und wurde später Korporal und Offizier. Besonders prägend war die Zeit unter Kompanie-Kommandant Oberst Jeanmaire, der dann später in den 70-Jahren in den Schlagzeilen stand.»

thomas rauch bajour
Zum Fotografen

Thomas Rauch ist selbständiger Fotograf und Fotojournalist aus Basel. Er hat sich unter anderem auf Portraitfotografie und Fotoreportagen spezialisiert. Für Bajour hat er verschiedene Menschen porträtiert und mit ihnen über ihr Leben gesprochen.

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«Eines Tages fuhr ich spontan mit dem Velo von Basel nach Liestal ins Zeughaus, um nach einer Stelle zu fragen. Ich bekam eine Arbeit als Möbelschreiner, begann aber mit dem Toilettenputzen. Erst später wurde mir klar: Das war ein Test.

Nach vier Monaten erhielt ich eine Festanstellung und blieb zehn Jahre bis 1971. Danach folgte ein Stellenwechsel nach Allschwil als Sektionschef, wo ich bis 1986 arbeitete. Im Militär habe ich gelernt, Leute zu führen und zu organisieren. Ich behandelte die Menschen immer mit Respekt und auf Augenhöhe.»

Max Werdenberg
Max Werdenberg gewährte dem Fotografen einen Einblick in seinen Alltag. (Bild: Thomas Rauch)

«Die Gemeinde suchte kurzfristig einen Zivilstandbeamten-Stellvertreter. Auch diesen Job übernahm ich gerne. Erstaunlich war mein erster Eintrag: Der Todesfall einer 101-jährigen Frau, deren Geburt einst mein Urgrossvater registriert hatte.»

Max Werdenberg
«Mein Urgrossvater trug ihre Geburt ein – ich ihren Tod.»
Max Werdenberg

«Schon als Bub war ich beim FC Allschwil, spielte aber selber nie Fussball. Ich durfte von zu Hause aus nicht mitspielen, war aber stets im Verein aktiv. Auch mit der Basler Fasnacht war ich immer eng verbunden. Den ersten Cortège und Morgestraich erlebte ich 1946.

Meine Frau lernte ich in einer Arztpraxis kennen. Sie war Arztgehilfin. Meist gingen wir Freitags ins Zollirestaurant und danach ins Kino und am Sonntag habe ich sie zum Tanzen ausgeführt. Damals im Astoria an der Freie Strasse. Es war eine sehr schöne Zeit. Wir waren 56 Jahre verheiratet.»

Max Werdenberg
Familienfotos zeugen vom bewegten Leben. (Bild: Thomas Rauch)

«Ich kam über einen Kunsthistoriker und alte Unterlagen zum Thema Patrizierhäuser. Besonders faszinierte mich die Geschichte vom Restaurant «Alte Bäre» in Allschwil. Eine Kollegin schlug mir vor, dass ich einen Vortrag über alte Riegelhäuser aus Allschwil an der Versammlung des Kulturvereins halten könnte. Es wurden zuerst 50 Stühle bereitgestellt – am Ende kamen 180 Personen. So entstand mein Übername: ‹Dorfhistoriker Max Werdenberg›. Es wurden sogar Plakate gedruckt.»

Max Werdenberg
Max Werdenberg in seinem Element. (Bild: Thomas Rauch)

«Heute mit 89 Jahren habe ich ein gutes Umfeld, eine neue Partnerin und geniesse mein Leben. Wir verbringen die Wochenenden gemeinsam, reisen zusammen, und sie kocht jeden Donnerstag bei mir. Ich erledige meinen Haushalt selbst, koche und putze – und bin gerne mit jungen Leuten zusammen.»

Max Werdenberg
«Ich konnte loslassen und geniesse jetzt. Ich hatte wirklich Glück im Leben.»
Max Werdenberg
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