«Alle sprechen von den Spitälern. Wie es uns Pfleger*innen in den Altersheimen geht, das wird vergessen»
Pfleger*innen befinden sich seit Ausbruch der Pandemie im Dauerstress. Alruna Stucki arbeitet als Stationsleiterin im Altersheim Gellerthof und hat uns von ihren Ängsten erzählt.
«Vor zwei Wochen hatte eine Mitarbeiterin aus unserem Altersheim Corona-Verdacht. Wir mussten so schnell wie möglich abklären: Mit wem hatte sie Kontakt? Drei Bewohner*innen mussten sofort in Isolation und getestet werden.
Eine der betroffenen Bewohner*innen hat Demenz. Für sie war das sehr schwierig. Sie ist immer wieder aus ihrem Zimmer, weil sie zu ihrer Freundin in die Kantine ans Fenster sitzen wollte. So, wie sie das jeden Tag tut. Wir mussten ein Sofa vor ihre Türe stellen, um sie davon abzuhalten, rauszugehen. Aber das hat sie einfach weggeschoben und ist mit ihrem Rollator wieder nach vorne gedüst. Das mit anzusehen, hat weh getan.»
Alruna Stucki, 43, ist Stationsleiterin im Alterspflegeheim Gellerthof.
«Alle sprechen von den Spitälern. Aber wie es uns Pfleger*innen in den Altersheimen geht, das wird vergessen. Wir müssen mit Schutzanzügen zu diesen Bewohner*innen. Die Anzüge sind heiss und stickig. Und dann ist da diese Angst, dass man sich doch noch anstecken könnte. Bei diesem Gedanken wird mir wirklich übel: Ich habe nicht mal so sehr Angst um mich, sondern darum, dass sich die Bewohner*innen anstecken könnten. Ich gehöre nicht zur Hochrisiko-Gruppe. Sie schon.»
«Hat niemand Zeit, muss die gleiche Arbeit mit weniger Personal geschafft werden.»Alruna Stucki, Stationsleiterin Alterspflegeheim Gellerthof
«Ich bin Stationsleiterin im Gellerthof, dem Pflegeheim neben dem Bethesda-Spital. In meiner Rolle befinde ich mich oft im Spagat. Ich muss meine Mitarbeiter*innen motivieren, und davon überzeugen, dass wir das alles schaffen. Gleichzeitig kommuniziere ich mit der Leitung, die Massnahmen spricht.
Damals bei der ersten Welle war es nicht so einfach, dem Personal zu sagen, dass wir mit weniger Mitarbeiter*innen klar kommen müssen. Bis es Realität wurde. Wir hatten zwar Glück – bisher hatte niemand unserer Bewohner*innen Corona. Alle Tests sind negativ gewesen.
Aber es müssen immer wieder Mitarbeiter*innen in Quarantäne. Dann heisst es: Ersatz finden. Wir sind sechs Mitarbeiter*innen pro Tag. Wenn da jemand fehlt, merkt man das. Weil viele aus dem Team 100% arbeiten, sind es meistens die immer gleichen Leute, die einspringen müssen. Hat niemand Zeit, muss die gleiche Arbeit mit weniger Personal geschafft werden.»
«Wertschätzung, Lösungen von der Politik – die habe ich in den letzten Monaten nicht gespürt.»Alruna Stucki
«Das ist anstrengend – für alle. Ich merke, wie eine Abwärtsspirale entsteht, vor lauter Erschöpfung hin und wieder etwas vergessen geht. Und wenn es bloss sowas ist, wie dass die Person am Vortag vergessen hat, die Handschuhe nachzufüllen.
Unser Alltag ist wahnsinnig aufwändig geworden. Wir messen bei allen 34 Bewohner*innen zwei Mal täglich Fieber. Beim Personal einmal täglich. Natürlich tragen wir Maske und versuchen uns, so gut es geht, an die Abstandsregeln zu halten. Aber wie soll man jemandem mit 1,5-Metern Abstand beim Anziehen helfen? Oder beim Duschen?
Wertschätzung, Lösungen von der Politik – die habe ich in den letzten Monaten nicht gespürt. Es geschieht ja auch nichts. Der Job muss attraktiver werden, wir brauchen dringend mehr Leute. Wir sind aktuell unterbezahlt. Ich würde mir aber vor allem wünschen, dass man in die Ausbildung investiert und die besser wird.»
Aufgezeichnet von: Adelina Gashi