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Gundelianerin will die Bäume an der Güterstrasse schmücken, darf aber nicht

Katja Müggler wollte ein bisschen Weihnachtsbeleuchtung in ihr Quartier zaubern. Doch die «ganze verwalterische Härte» des Staates holte sie auf den kalten Boden der Tatsachen zurück. O Tannenbaum.

12/23/21, 04:15 PM

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Velos abstellen und Weihnachtsdeko aufhängen verboten.

Velos abstellen und Weihnachtsdeko aufhängen verboten. (Foto: Alexander Vögeli)

Ist dir aufgefallen, dass es im grössten Quartier der Schweiz, dem Gundeli, kaum Weihnachtsbeleuchtung gibt? Mir auch nicht. Aber jetzt weiss ich es, dank Katja Müggler.

«Wir sind hier im Boulevard Güterstrasse», empfängt die Gundeli-Bewohnerin mich und fragt: «An was denken Sie, wenn Sie Boulevard hören?» Müggler denkt «an Paris – an Leben und Licht». 

Leben ist, wie es scheint, vorhanden, gehört der Tellplatz doch zur einer der meistbefahrenen Kreuzungen der Stadt. Und dank der neuen Lokale und Lädeli auch zu einem beliebten Ort für Feierabendbier und mehr oder weniger politische Gespräche

Doch: Katja Müggler fehlt es an Licht und Weihnachtsstimmung. Tatsächlich, zwischen Margarethenstrasse und Dreispitz spürt man wenig vom Advent. Nur einzelne Schaufenster sind dekoriert und auf dem Tellplatz prangt ein einsamer Stern.

Es leuchtet nur ein Stern

Nun darf dieser Stern auf keinen Fall unterschätzt werden, dieser Stern zeigt Durchhaltewillen: Die Gundeldingerzeitung nannte ihn nicht umsonst: «letzter Mohikaner der einstigen Weihnachts-Herrlichkeit». Dieser Stern ist das tapfere Überbleibsel einer einst grosszügigen Weihnachtsbeleuchtung im Gundeli.

Bis 2009 zierten viele metallene Weihnachtsbäumchen das Quartier – ein Werk der Interessengemeinschaft Gundeldingen, kurz IGG. Doch davon übrig geblieben ist nur noch der Stern. Dessen Kosten von 5000 Franken finanziert bis heute die IGG (Spenden sind willkommen).

Nichts also gegen den Stern. Aber er reicht Katja Müggler nicht.

Sie weiss, dass Bemühungen zuvor gescheitert sind und will eine Woche vor Weihnachten eine Blitzaktion initiieren. Also beschloss die Macherin kurzerhand, selbst tätig zu werden. Als Erstes machte sie Inventur vor Ort – mit Bestehendem zu arbeiten ist meist günstiger, als in etwas komplett Neues zu investieren: «Die Bäumchen entlang der Güterstrasse gefallen mir zum Beispiel gut, aber sonst macht einen nichts wirklich an, durch die Strasse zu flanieren», beschreibt sie die Analyse rückwirkend.

Ihr Plan war einfach: Rahmenbedingungen abklären und dann «Komplizinnen und Komplizen ins Boot holen». Wie das hätte aussehen können? Zum Beispiel mit aufgehängten Weihnachtskugeln an den Ästen oder einem Goldband, um den Stamm gewickelt.

Doch sie darf nicht. Müggler scheiterte – wie viele Leute mit Ideen – am Staat. Für die Dekoration der Bäume auf der Allmend braucht es ein Konzept und anschliessend eine Bewilligung mit drei Unterschriften, teilt ihr die Stadtgärtnerei mit. Dafür hat die Initiantin nur bedingt Verständnis: «Wenn man spürt, dass keine Bereitschaft besteht, Spielräume für eine kleine Aktion zu suchen, raubt dies den Elan und die Kreativität.» Sie sei nach dem Telefonat mit der Behörde ernüchtert gewesen. «Wir leben doch momentan in einer Zeit, in der wir wieder Lebendigkeit in den Alltag bringen sollten und genau solche kleinen Initiativen machen die Gesellschaft aus.»

Hüterin der Bäume 

Ein Anruf bei der Stadtgärtnerei zeigt: Die Menschen dort sind durchaus für das gute Leben. Aber: Auch Bäume wollen leben. So sagt Yvonne Aellen, Leiterin Grünflächenunterhalt: «Grundsätzlich sind wir offen, solche Sachen zu machen, aber wir müssen die Gesundheit gerade der langlebigen Bäume schützen.»

Es gebe dafür klare Richtlinien wie, wo und was montiert werden dürfe. «Ausserdem müssen solche Projekte durchgeplant und allfällige offene Fragen geklärt sein», setzt Aellen den Rahmen fest und fügt an: «Man kann es vielleicht bürokratisch nennen, aber für uns sind das notwendige Massnahmen zur Sicherheit der Bevölkerung und der Bäume.» 

«Wenn man die Grenzen des Regelwerks erkennt, dann muss man versuchen, der Fantasie freien Lauf zu lassen, ansonsten wird man kleinlich und eingeengt.»

Katja Müggler, Gundelianerin und Weihnachtsdeko-Enthusiastin

Nicht naiv, kreativ! 

Diese Absicherung ist nun wahrlich keine Überraschung: Wer hin und wieder die Zeitung liest, weiss, in welchen Zwängen unsere Staatsangestellten stecken. Und auch unsere Bäume – hallo Klimawandel. Stellt sich die Frage: War Katja Müggler nicht etwas naiv, von der Verwaltung kreativen Freiraum zu erwarten? «Mein Ansatz war nicht naiv, sondern visionär», findet sie. «Wenn man die Grenzen des Regelwerks erkennt, dann muss man versuchen, der Fantasie freien Lauf zu lassen, ansonsten wird man kleinlich und eingeengt.» 

Auch wenn sie den Entscheid der Stadtgärtnerei respektiert, erhofft sie sich fürs nächste Jahr, dass im Gundeli durch weitere Beleuchtungen und Dekorationen die Vorweihnachtszeit der Anwohner*innen verschönert wird und ein Platz für Kreatives geschaffen werden kann.

So oder so hat es die Weihnachtsbeleuchtung in Basel nicht einfach. Die Lädelibesitzer*innen in der Innenstadt wissen es nur zu gut: Financiers sind etwa so einfach zu finden, wie eine Unterkunft für die Niederkunft Mariae. In der Freien Strasse etwa hängen zwar auch dieses Jahr wieder die schönen Lichterbögen. Aber die kommen Jahr für Jahr in Bedrängnis: Finanziert werden sie nämlich von Basler Geschäften, mit Unterstützung vom Kanton. Das Problem: Viele der internationalen Ketten, welche die einheimischen Geschäfte verdrängen, zahlen nicht mit. 

Die Lichterbögen der Innenstadt und der Stern vom Gundeli sind also nicht nur Vorboten der Heiligen Nacht, nein, sie sind kleine Trutzburgen wider die Apple- und Zaraisierung unserer Stadt. Gesegnet seien sie. Und die Bäume dazu.

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