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Erneuerbare Energie

Kommt jetzt der Aufwind?

Muttenz wird erneut über das Windrad-Projekt abstimmen. Im Kanton galt Windenergie lange als nicht mehrheitsfähig. Ob jetzt die Trendwende kommt, wollen die Investor*innen beobachten.

09/16/22, 03:00 AM

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Das Windrad würde in Sichtweite des Muttenzer Personenbahnhofs drehen.

Das Windrad würde in Sichtweite des Muttenzer Personenbahnhofs drehen. (Foto: Visualisierung Ingenieurbüro Basler & Hofmann AG)

Windrad ja oder nein? In Muttenz wird diese Frage im Dezember zur Debatte stehen – zum zweiten Mal innerhalb von anderthalb Jahren. Wie Bajour berichtete, hat eine Schüler*innenpetition nun dafür gesorgt, dass das für politisch tot erklärte Projekt wiederbelebt wird.

Wenn die Gemeinde der Umzonung des Geländes diesmal zustimmt, könnte tatsächlich gebaut werden. Denn die Investorin des Projekts, die Energieversorgerin Primeo, ist weiterhin an dem Windrad in Muttenz interessiert, wie Pressesprecher Joachim Krebs gegenüber Bajour bestätigt.

Es wäre das erste Windrad, das im Baselbiet dreht. Das erste von vielen? Es gibt einige Windpark-Projekte, die in den vergangenen zehn Jahren in den Raum gestellt und geplant wurden, manche wurden konkreter als andere, im Endeffekt versandeten oder scheiterten die meisten. Könnten auch diese wiederbelebt werden?

Planung in Liesberg auf Standby

Primeo selbst musste 2018 die Planung eines Windparks bei Liesberg abbrechen. Das Projekt hatte sich bei Windmessungen als nicht wirtschaftlich erwiesen. Schon damals hielt sich Primeo, wie Telebasel berichtete, ein Hintertürchen offen: Man könne das Projekt wiederaufnehmen, wenn die Wirtschaftlichkeit gegeben wäre. Wenn man also mit modernen Turbinen aus weniger Wind mehr Strom ziehen könnte.

Das ist auch heute noch so. Aber: «Die Planung ist hier auf Standby, es gab seitdem keine weiteren Projektabklärungen unsererseits», sagt Sprecher Joachim Krebs. «So fortgeschritten wie das Projekt in Muttenz waren andere Planungen für Windparks im Baselbiet bislang nicht. Würde andernorts die Windpark-Planung von einst wiederaufgenommen werden, müssten wir dort quasi von Null anfangen. Denn seit der damaligen Planung hat sich einiges getan, insbesondere im technischen Bereich.»

Einem, dem das zu langsam geht, ist Ruedi Rechsteiner. «Es gibt grosses Windpotenzial in der Schweiz, das aber nicht genutzt wird», sagt der alt Nationalrat (SP) aus Basel. «Die Windparkprojekte auf dem Gotthard und in Sainte-Croix haben 19 und 23 Jahre vom Beginn bis zur Umsetzung gebraucht.»

Energiewende ist nicht unsichtbar: Das Windrad wäre prägend für das Landschaftsbild.

Energiewende ist nicht unsichtbar: Das Windrad wäre prägend für das Landschaftsbild. (Foto: Visualisierung Ingenieurbüro Basler & Hofmann AG)

Im Baselbiet könnten 20 bis 30 Prozent des Stroms aus Wind geholt werden, so Rechsteiner – wenn man eben Windräder auf den Jurahöhen in Kauf nehmen würde. «Wir müssen aufhören, die Energiewende zu verstecken. Uns muss klar sein: Solche Anlagen brauchen Fläche und sie müssen bei der Windkraft wirklich hoch sein, damit sie einen echten Stromertrag abwerfen. Das hat visuell schon eine ähnliche Wirkung wie ein Roche-Turm.»

Dass das Baselbiet bald vollsteht mit Windrädern, sieht er aber als unrealistisch an. «Ein Windrad in Muttenz wäre ein wichtiger Anfang, um eine jahrelange Blockierung zu durchbrechen. Wenn dort ein Windrad Platz hat, dann haben vielleicht auch zwei oder drei Platz – aber sicher keine 20.»

Ruedi Rechsteiner, Trinationaler Atomschutzverband (TRAS) fordert im Namen verschiedener Umweltschutz-Organisationen die sofortige Abstellung der AKW`s Beznau I und II am Donnerstag, 20. August 2015, in Bern. (KEYSTONE/Lukas Lehmann)

«Energiewende im Wartesaal» ist der Titel seines neusten Buchs: Ruedi Rechsteiner. (Foto: Keystone / Lukas Lehmann)

Rechsteiner ist Verwaltungsrat der Industriellen Werke Basel (IWB). Auch die IWB verfolgen derzeit ein Windrad-Projekt im Baselbiet: Auf der Challhöhe unweit der französischen Grenze zwischen den Gemeinden Burg im Leimental, Röschenz und Kleinlützel (SO). Laut IWB-Mediensprecher Erik Rummer sei das Gebiet gut für Windkraft geeignet: «Die Abklärungen zu den Rahmenbedingungen für das Projekt kommen voran. Aus den beteiligten Gemeinden erhalten wir überwiegend Zustimmung.»

Das «überwiegend» ist hier entscheidend. Denn die Gegner*innenschaft ist sehr engagiert. In Kleinlützel will man mit einer Umzonung ein Windrad auf Gemeindegebiet verhindern, wie die bz berichtete. Das dortige Aktionskommittee erhält kräftig Unterstützung vom Verein Wind-Still, der in der gesamten Nordwestschweiz don-quijote-gleich gegen Windmühlen ins Feld zieht. Auch in Muttenz bot man Fachwissen an.

Gegenwind ist vorprogrammiert

Dass dort nun das Windrad nochmal debattiert wird, ist für Vorstandsmitglied Christoph Keigel problematisch: «Man nutzt dafür die Energiekrise als Stimmungslage aus. Wenn es wenigstens um erhebliche Energiemengen gehen würde, wäre das nachvollziehbar. Aber in Muttenz reden wir über keine nennenswerte Leistungsfähigkeit, die dieses eine Windrad produzieren würde.»

Von der Rede war im Abstimmungskampf, dass 800 Haushalte mit Strom versorgt werden könnten. Ob das rentabel ist, obliegt der Wirtschaftlichkeitsrechnung der Investorin Primeo. Diese ist jedenfalls offen, auch weitere Kraftwerke zur erneuerbaren Energieerzeugung zu bauen.

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