«Wir investieren mit unserem Ansatz in Firmen, über die sich diskutieren lässt»
Pensionskassen stehen vor einem Dilemma: Sie sollen gewinnbringend investieren, aber angesichts der Klimakrise auf Nachhaltigkeit achten. Die Basellandschaftliche Pensionskasse macht als erste öffentlich-rechtliche Pensionskasse der Schweiz ihre Investitionen frei zugänglich auf ihrer Webseite publik.
Die Klimakrise stellt Pensionskassen vor einen Widerspruch: Sie müssen die Gelder ihrer Versicherten gewinnbringend und gleichzeitig nachhaltig anlegen, damit ihre Versicherten zur Pension noch eine Welt vorfinden, in der sich diese geniessen lässt.
Die Basellandschaftliche Pensionskasse (BLPK) geht nun in die Offensive: Als erste öffentlich-rechtliche Pensionskasse der Schweiz veröffentlicht sie – aufgrund Recherchen des WAV Recherchekollektiv und von CORRECTIV in der Schweiz – alle ihre Investitionen auf ihrer Webseite.
Im Interview mit Olivier Christe vom WAV Recherchekollektiv, erklärt die BLPK, wieso sie will, dass alle Versicherten selbst überprüfen können, wohin ihre Gelder fliessen. Die Fragen haben BLPK-Geschäftsführer Stephan Wetterwald und BLPK-Nachhaltigkeitsspezialist Fabrizio di Bauda beantwortet.
Dieser Text ist Teil des Projekts «Tausend Milliarden Verantwortung». Während die AHV laufend Geld von der arbeitenden Bevölkerung an jene im Ruhestand verschiebt, sparen alle in der zweiten Säule ein Berufsleben lang für sich selbst.
Entsprechend hoch türmt sich das Geld bei den Schweizer Pensionskassen: mehr als 1200 Milliarden verwalteten sie Ende letztes Jahr. Das entspricht rund einem Viertel Prozent des gesamten Geldes auf der Welt. Wie Schweizer Pensionskassen diese Altersguthaben ihrer Versicherten aber anlegen, ist eine Black Box.
Auf Grundlage des Öffentlichkeitsgesetzes hat das WAV Recherchekollektiv gemeinsam mit CORRECTIV in der Schweiz Einsicht in die Investitionen von sämtlichen öffentlich-rechtlichen Pensionskassen der Schweiz verlangt.
Die Basellandschaftliche Pensionskasse BLPK ist die erste, die ihre Investitionen aufgrund unserer Anfrage auf ihrer Webseite veröffentlicht. Dies liess eine erstmalige Überprüfung ihrer Klimaversprechen zu. Die Ergebnisse publizieren die beiden Rechercheorganisationen gemeinsam mit Lokalmedien. Bajour hat die Recherche finanziell unterstützt und veröffentlicht daher die Recherche und das Interview mit der BLPK.
Mehrere Pensionskassen weigern sich, ihre Investitionen offenzulegen. Die BLPK hat entschieden, diese auf der Webseite zu veröffentlichen. Warum?
Wir sehen einen strategischen Wert in Transparenz. Als öffentlich-rechtliche Pensionskasse sind wir eine Non-Profit-Organisation. Wollen wir beispielsweise Ende Jahr überschüssige Verwaltungskosten zurückerstatten, sind transparente Geldflüsse zentral. Da haben wir uns gesagt: Wenn wir uns schon Transparenz auf die Fahne schreiben, veröffentlichen wir auch unsere Investitionen.
Weshalb erst jetzt?
Angefangen hat das vor über einem Jahr mit Ihrer Anfrage. Ohne die hätten wir das nicht getan – oder zumindest nicht jetzt. Wir tauschten uns auch mit anderen öffentlich-rechtlichen Pensionskassen aus. Wir müssen gestehen: Es besteht eine gewisse Zurückhaltung in der Branche. Es gab auch intern sehr angeregte und kontroverse Diskussionen. Anschliessend haben wir die gesetzlichen und vertraglichen Rahmenbedingungen geprüft, ob wir das überhaupt dürfen. Das war ein sehr langer Prozess. Es folgten Diskussionen mit vielen Playern: dem Verwaltungsrat als oberstes Organ, dem Regierungsrat und den Vermögensverwaltern.
Das klingt nach ziemlich viel Aufwand. Ging es wirklich nur um Transparenz?
Im Grunde ja, wobei Transparenz hier etwas weitergeht. Die Umsetzung von Nachhaltigkeit ist für uns als Pensionskasse nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Diesen Konflikt möchten wir transparent machen. Das Gesetz schreibt uns als obersten Auftrag die Erzielung einer marktkonformen Rendite vor. An der werden wir gemessen – leider oft kurzfristig. Indem wir unsere Investitionen offenlegen, wollen wir zeigen, dass wir um Nachhaltigkeit bemüht sind. Aber wir wissen auch, dass wir mit unserem Ansatz in Firmen investieren, über die sich diskutieren lässt.
«Wir schauen nicht, wie viel CO₂ ein Unternehmen ausstösst oder welche Erwärmung es aktuell unterstützt, sondern folgen einer anderen Methodik.»
In der Tat müssen wir über einige Investitionen sprechen. Unsere Auswertung zeigt, die BLPK investiert rund zehn Millionen Franken in Aktien einer der grössten Ölkonzerne weltweit, Exxon Mobil. Dieser unterstützt gemäss dem führenden Börsendienstleister MSCI eine globale Erwärmung von 3.2 Grad. Ähnliches gilt für andere Unternehmen, in die Sie Millionen investieren. Betreibt die BLPK Greenwashing?
Nein. Wir machen keine Versprechen, die wir nicht einhalten. Auch investieren wir anhand einer klaren Methodik in Energieunternehmen. Statt den ganzen fossilen Energiesektor auszuschliessen, beobachten wir, wo die schlimmsten Auswirkungen auf die Umwelt stattfinden. In diese Unternehmen investieren wir nicht. So etwa bei Kohle oder unkonventioneller Öl- und Gasförderung wie Fracking. Bei konventionellen Fördermethoden hingegen haben wir die Faktoren analysiert, mit denen die Umweltauswirkungen eines Unternehmens am besten beurteilt werden können. Uns ist aufgefallen, dass vor allem der sogenannte Governance-Score, also die Qualität der Unternehmensführung, matchentscheidend ist. Schliesst ein Unternehmen in diesem Bereich gut ab, führt das eher zu nachhaltigen Unternehmens-Strategien. Wir schauen also nicht, wie viel CO₂ ein Unternehmen ausstösst oder welche Erwärmung es aktuell unterstützt, sondern folgen einer anderen Methodik.
Wenn wir diesen Ansatz an konkreten Investitionen prüfen, scheint das nicht zu funktionieren. Exxon Mobil ist nicht nur das viertgrösste Fracking-Unternehmen der Erde – eine Technologie, die die BLPK eigentlich ausschliessen will – sondern nachweislich auf einem extrem klimaschädlichen Pfad.
In ein Unternehmen zu investieren, sehen wir erst dann als Problem, wenn wir untätig bleiben. Wir versuchen, mit unserem Stimmrecht sowie in direkten Gesprächen Druck auszuüben. Aber das ist Knochenarbeit und geht nicht von heute auf morgen. Man muss Kontakte pflegen und die richtige Plattform finden. Wir haben diese Arbeit an den Schweizerischen Verein für verantwortungsvolle Kapitalanlagen (SVVK) ausgelagert. Im Auftrag der BLPK und zehn weiteren grossen Investoren wie der Suva oder der Pensionskasse des Bundes führt der SVVK Gespräche mit den Firmen. Werden die Ziele nicht erreicht, wird eine Ausschluss-Empfehlung ausgesprochen.
Allerdings empfiehlt der SVVK gerade mal 36 Unternehmen zum Ausschluss, ein einziges aus dem Öl- und Gassektor. Die BLPK geht mit über 800 ausgeschlossenen Unternehmen weit darüber hinaus. Ist dieser Verein wirklich der richtige Hauptpartner, um Druck auf Unternehmen auszuüben?
Wir sind sehr zufrieden mit dem SVVK. Diese Mitgliedschaft ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Zur Ausschlussliste des SVVK ist zu sagen, dass dieser vor allem verbotene Waffen ausschliesst, und es Absicht ist, diese Liste klein zu halten. Dadurch wird die Individualität der Mitglieder nicht zu sehr beschnitten.
«Einige unserer Stakeholder priorisieren Nachhaltigkeit, andere Rendite. Wir müssen aufpassen, dass wir das eine nicht gegen das andere ausspielen.»
Ein anderes Beispiel für ein Unternehmen, das folglich beeinflusst werden soll: Die BLPK hat letzten August und September Schuldscheine von BP im Wert von fast drei Millionen Franken gekauft. Zu diesem Zeitpunkt versprach der britische Öl-Multi seine CO₂-Emissionen bis 2030 um 25 Prozent zu senken. Nur wenige Wochen später hat das Unternehmen seine Klima-Ambitionen weitgehend aufgegeben. Ist die BLPK dem Konzern auf den Leim gegangen?
Das würden wir nicht sagen. Wir investieren ja nicht aufgrund von einzelnen Unternehmensstrategien, die ausgesprochen werden und ein halbes Jahr später angepasst werden. Entscheidend ist für uns die Methodologie des Ausschlusses. Und da ist BP nach wie vor investierbar. Aber natürlich schauen wir uns diesen Fall nun genauer an. Wenn sich ein Unternehmen nicht in die gewünschte Richtung bewegt, müssen wir uns schon fragen: Ist unser Set-up richtig oder müssen wir Korrekturen vornehmen? Irgendwann ist auch der Punkt erreicht zu sagen, dass es erfolglos ist. Nächstes Jahr überarbeiten wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie und wir prüfen aktuell verschiedene Möglichkeiten. Etwa, ob wir die unterstützte globale Erwärmung von Unternehmen ins Zentrum rücken sollen.
Die Pensionskasse des Kantons Genf verlangt von Energieunternehmen, dass sie eine globale Erhitzung von maximal zwei Grad unterstützen. Andernfalls verkauft sie deren Aktien und Schuldpapiere. Konkret führt das aktuell dazu, dass die Genfer Pensionskasse in keine Öl-, Gas- und Kohleunternehmen investiert. Wäre das für Sie auch eine Option?
Dieser Ansatz ist nicht verkehrt und wir müssten ihn prüfen. Dabei gilt es sicher, unsere Stakeholder im Auge zu behalten. Einige priorisieren Nachhaltigkeit, andere Rendite. Wir müssen aufpassen, dass wir das eine nicht gegen das andere ausspielen.
Doch die Klima-Erhitzung gefährdet ja nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Systeme.
Der gesetzliche Auftrag ist klar: Wir müssen für unsere Versicherten eine marktkonforme Rendite erzielen. Aber weil Schweizer Pensionskassen so viel Geld verwalten, haben sie durchaus eine gesellschaftliche Verantwortung. Diese beschränkt sich aber nicht auf Nachhaltigkeit. Wir müssen auch Renten auszahlen, was zum Kernauftrag einer Pensionskasse gehört. Wir werden immer älter, die Renten müssen länger ausbezahlt werden, aber niemand will mehr einzahlen. Im Sinne der Generationengerechtigkeit haben wir hier ein Problem für die Zukunft. Die Frage stellt sich: Machen wir den nächsten Generationen einen Gefallen, wenn wir so weiterfahren?
Was genauso für die Klimakrise gilt. Aktuell befinden wir uns global auf einem Drei-Grad-Pfad. Die Folgen einer solchen Erhitzung wären katastrophal und würden nicht zuletzt unsere Renten gefährden.
Genau deshalb entwickeln wir unsere Nachhaltigkeitsstrategie weiter und machen die Herausforderungen transparent.