Marcel Colomb: «Die Kommunikation von Seiten Regierung ging gründlich schief»

Die Clubs machen reihenweise dicht. Kulturstadt Jetzt nimmt die Regierung in die Pflicht und kritisiert ihre Kommunikation.

Marcel Colomb sagt, die Kulturbranche hätte von der Regierung früher in die Entscheidungen über neue Corona-Verordnungen miteinbezogen werden müssen.

Marcel Colomb ist Gitarrist der Band Bitch Queens und kandidiert aktuell auf der Liste der SP für einen Sitz im Grossen Rat. Er ist Mitglied der überparteilichen Lobby Kulturstadt Jetzt und hat in den letzten Wochen mit Basler Kulturschaffenden über ihren Umgang mit der Corona-Krise gesprochen. Die Gespräche hat er aufgezeichnet, die Videos findest du hier.

Das Interview wurde am Dienstag geführt. Ein Tag, nachdem der Club Nordstern bekannt gab, er müsse aufgrund der neuen Corona-Verordnungen die Tore schliessen. Mittlerweile sind zahlreiche weitere Basler Clubs dem Vorbild gefolgt.

Viele Posts haben einen gemeinsamen Nenner: Die Clubs wurden vor vollendete Tatsachen gestellt, die Kommunikation von Seiten der Behörden habe versagt. Wir haben Regierungspräsidentin Elisabeth Ackermann und ihr Präsidialdepartement mit den Vorwürfen, die auch Marcel Colomb artikuliert, konfrontiert. Was die Behörden dazu sagen, kannst du hier lesen.

Ein Flagschiff taucht ab: Was bedeutet die vorübergehende Schliessung des Nordsterns für die Basler Clubszene?

Marcel Colomb: Das zeigt vor allem, dass die neuen Massnahmen, wonach nur noch im Sitzen konsumiert werden darf und sich Clubs in Sektoren à 100 Personen aufteilen müssen, dass diese Massnahmen eine praktische Schliessung bedeuten. Wenn es ein grosser Club wie der Nordstern nicht schafft, mit diesen Massnahmen zu wirtschaften, dann schaffen das Lokale mit kleinerer Fläche erst recht nicht. 

Der Club beklagt in einem offenen Brief, dass die Behörden «wiederholt nicht Gespräche mit der Branche oder deren Vertretern gesucht haben, um gemeinsame wirksame Konzepte zu entwickeln». Was lief da falsch? Hat die Taskforce Nachtkultur versagt?

Die Taskforce hat sich noch am Montag, den 12. Oktober, zu einer Sitzung getroffen. Von Seiten der Verwaltung kam in dieser Sitzung kein Signal, dass derart schnelle, drastische Massnahmen zu erwarten seien. *Es wurden keine verschiedenen Szenarien als mögliche Reaktionen auf die bevorstehenden Entscheide des Bundesrates vorgeschlagen, da kam einfach nichts.* Aus meiner Sicht ist die Kommunikation, und damit ein Kernanliegen dieser Taskforce, gründlich schief gelaufen. 

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Auszug aus dem Statement des Clubs Nordstern, in dem die Schliessung kommuniziert wurde.

Die neuen Massnahmen des Bundes wurden erst am Freitag, den 16. Oktober, bekannt. Die Vertreter*innen der Verwaltung waren möglicherweise auch überrumpelt.

Das ist der zentrale Punkt, den wir von Seiten Kulturstadt Jetzt anprangern. Im Frühling waren wir alle überrumpelt, ja, aber jetzt musste doch allen klar sein, dass eine zweite Welle kommt. Es muss einen Plan geben und Abfederungsmassnahmen, von beidem habe ich in den vergangenen Tagen nichts gehört. Die Veranstalter sind am Anschlag. Es ist ja nicht so, dass sie einen normalen Sommer hatten. Sie mussten Investitionen vornehmen, um auf die Auflagen zu reagieren und haben weniger verdient. Wenn jetzt wieder diese Planungsunsicherheit dazukommt und man sich in Sachen Kommunikation nicht auf die Stadt verlassen kann, dann wird es für viele unmöglich, einen Betrieb aufrecht zu erhalten. 

Wer ist konkret in der Verantwortung, auf das drohende Dahinsiechen der Nachtkultur zu reagieren?

Die Regierung. Sie ist gefordert, Sofortmassnahmen einzuleiten damit Konkurse abgewendet werden können. 

Was sind die drei dringlichsten Forderungen aus Sicht der Kulturschaffenden

Finanzielle Soforthilfe für Ausfallsentschädigungen. Die frühere Unterstützung war nur bis zum September gültig und muss verlängert werden. Die Drittellösung für Mieten muss wieder eingeführt werden und bis Ende Jahr gelten. Es muss schnell eine klare Kommunikation von Seiten der Verwaltung und Regierung geben, welche Massnahmen ergriffen werden und womit die Veranstalter*innen rechnen können. 

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Die Band von Marcel Colomb, die Bitch Queens, spielt zwar heavy Punk Rock mit Lederkutte und allem drum und dran. Sie hat aber trotz der gefährlichen Attitüde auch eine sehr verantwortungsvolle Ader. Wie dieses musikalische Intermezzo zeigt, das im März 2020 pünktlich zum ersten Lockdown veröffentlich wurde:

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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