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Q&A

Wie nehme ich meinem Kind die Angst vor dem Schulstart?

Für viele Kinder geht am Montag die Schule wieder los. Gaby Hintermann, Leiterin Primarstufe Basel, hat sich den Sorgen und Fragen der Eltern gestellt.

08/15/22, 06:34 AM

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Für Kinder ist der Schuleintritt ein Meilenstein.

Für Kinder ist der Schuleintritt ein Meilenstein. (Foto: Pixabay)

Findet mein Kind Freund*innen? Wird es gut in der Schule sein? Was mache ich, wenn der Lehrer oder die Lehrerin zu streng ist? Für viele Eltern sind das allzu bekannte Sorgen. Ganz besonders wenn das eigene Kind frisch eingeschult wird.

Gaby Hintermann, Leiterin der Primarstufe Basel, gibt Tipps, wie Eltern sich entspannt auf den Schulstart vorbereiten können.

Gaby Hintermann Portrait

Zur Person

Gaby Hintermann war bis 2019 Präsidentin der Kantonalen Schulkonferenz. Heute leitet sie bei den Volksschulen der Stadt Basel die Primarstufe.

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Wie kann ich mein Kind am besten unterstützen und ihm*ihr die Angst vor dem Schulstart nehmen?

Einem Kind kann es sehr helfen, wenn es die neue Umgebung schon kennt. Sie können in den Ferien den Schulweg zusammen ablaufen oder die Schule besuchen gehen. Es gibt Ihnen und Ihrem Kind Vertrauen. Auch hilft es, wenn ein Treffen mit anderen Kindern organisiert wird, damit am ersten Schultag nicht alles neu ist. Ein speziell dafür ausgesuchtes Kleidungsstück oder der neue Schulsack, der endlich zum Einsatz kommt, kann die Besonderheit des ersten Schultages unterstreichen und Vorfreude auslösen. Manchmal hilft es auch, wenn ein vertrautes Stofftier oder ein anderer Glücksbringer im Rucksack still und heimlich mitdarf. Das Wichtigste aber ist: reden Sie mit Ihrem Kind. Fragen Sie. Zeigen Sie Interesse. Das unterstützt es am meisten.

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Was kann ich tun, wenn mein Kind keine Freund*innen findet?

Als Erstes können Sie für das Kind da sein, es ernst nehmen, Interesse zeigen und herausfinden, was genau los ist. Mit dem Kind darüber reden, was Freundschaft bedeutet. Also zum Beispiel wie man sich bei einem Streit verhalten kann, oder was es für die Entstehung einer Freundschaft braucht, was man selber mag und was nicht. Auch hilft es sicher, wenn man sich mit anderen Eltern verbindet und vielleicht eine gemeinsame Verabredung zum Spielen oder Sport organisiert. Wichtig ist, eine Freundschaft kann nicht erzwungen werden und manchmal findet man sie nicht in der Schule. Gibt man dem Kind etwas Raum und Zeit, ergibt sich vieles. Auch eine Freundschaft.

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Wie merke ich, ob mein Kind akzeptiert wird von den anderen?

Hören Sie zu, wie und was das Kind zuhause erzählt. So erfährt man am meisten. Kann es ruhig schlafen? Will es zur Schule gehen? Auch an solchen Dingen kann man als Eltern viel erkennen. Dazu ist es möglich, in Absprache mit den Lehrpersonen, einen Schulbesuch zu vereinbaren. So kann man Interesse signalisieren und sich selber ein Bild machen, denn nicht alles, was das Kind erzählt, kann als bare Münze genommen werden, sondern ist seine Wahrnehmung. Auch im Dialog mit der Schule stehen, ist sehr zentral. Nehmen Sie Kontakt auf, wenn Sie Fragen oder ein ungutes Gefühl haben und teilen Sie Ihre Beobachtungen mit den Lehrpersonen. 

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Was mache ich, wenn mein Kind gemobbt wird?

Wenn der Verdacht besteht, dass das Kind gemobbt wird, sollten schnell die Lehrer*innen kontaktiert werden. Auch die Schulsozialarbeit, mit speziell dafür ausgebildeten Fachpersonen, hat mit solchen Situationen Erfahrung und kann helfen.

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Wie sollte ich auf das erste Zeugnis meines Kindes reagieren? Was, wenn es nicht gut in der Schule ist?

Von Belohnungen für gute und Strafen für schlechte Zeugnisse halte ich gar nichts. In der Unterstufe der Primarschule steht die Benotung und Selektion so oder so noch nicht im Zentrum. Die Kinder werden nach und nach an eine Beurteilung herangeführt, die zum Lernprozess dazugehört. Auch der Umgang mit den eigenen Erwartungen ist sehr wichtig. Der Druck von zuhause sollte nicht zu gross sein. Das Kind muss sich auch trauen, etwas auszuprobieren und dabei Fehler zu machen. Wenn das Kind ein schlechtes Zeugnis nach Hause bringt, sollte es nicht beschämt, sondern unterstützt werden. Es ist wichtig, dass das Kind weiss und spürt, dass es mehr ist als die Summe seiner Noten. Auch Loben sollte sehr bewusst eingesetzt werden. Nicht alles ist lobenswert. Es muss noch eine Bedeutung haben und einem Ziel dienen.

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Braucht das Kind schon in der ersten Primarklasse ein eigenes Pult zuhause?

Für ein Kind ist es gut, wenn es einen definierten Arbeitsort hat, wenn es nicht jedes Mal die Spielsachen wegräumen muss, um Hausaufgaben zu machen und einen Ort hat, an dem es sich konzentrieren kann. Das ist aber auch immer eine Platzfrage und nicht in jedem Haushalt möglich.

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Wie wird mein verspieltes, verträumtes und unkonzentriertes Kind den Schulstart meistern?

Schulen funktionieren nicht mehr so wie früher. Stillsitzen ist nicht mehr so zentral. Heute ist der Schulunterricht viel interaktiver und verspielter. Aber es ist schon eine Herausforderung, die viele Energie eines Kindes in eine Richtung zu kanalisieren. Aber genau dafür sind die Lehrpersonen Profis. Sie führen die Kinder daran heran, dass sich in einer Klassengemeinschaft alle wohl fühlen und etwas lernen können. Das braucht Zeit. Mit der richtigen Unterstützung schaffen die meisten Kinder diese Herausforderung. Es sollte auch nicht vergessen werden, dass die Schule einer der wenigen Orte ist, wo Kinder in der Überzahl sind und sich darum auch anders verhalten. Und das ist auch gut so.

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Wie weiss ich, ob mein Kind sich traut, die Lehrperson bei Fragen oder Problemen anzusprechen?

Als Eltern kennt man das eigene Kind. Und wenn es sich nicht auf einen Schlag stark verändert, dann muss man sich auch keine Sorgen machen. Oder anders gesagt: Man sollte nicht nach Problemen suchen, die es gar nicht gibt. Wichtig ist dem Kind zu vermitteln, dass Sie Vertrauen in die Schule haben und die Lehrer*innen für es da sind. Wenn etwas nicht stimmt, kann es jederzeit Hilfe holen oder eine Lehrperson ins Vertrauen ziehen. Und wenn Sie sich unsicher sind, können Sie auch immer das Gespräch mit den Lehrpersonen suchen.

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Kann ich mich auf die alten Kindergartenfreundschaften meines Kindes in der neuen Schulumgebung verlassen?

Das ist sehr unterschiedlich. Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Für Kinder in diesem Alter sind die sechs Wochen Sommerferien schon sehr lang. In dieser Zeit können neue Freundschaften entstehen oder alte abkühlen. Bei Kindern funktionieren Freundschaften noch etwas anders als bei Erwachsenen. Sie probieren aus, sind manchmal auch sprunghaft – andere sind äusserst treu und schenken nur zögerlich Vertrauen. Bevor die Klassen gebildet werden, können natürlich auch Wünsche geäussert werden, damit der beste Freund oder die beste Freundin in die gleiche Klasse kommt. Diese Wünsche sind aber nicht immer umsetzbar.

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Was mache ich, wenn mein Kind schüchtern ist?

Alle Kinder sind anders. Es gibt laute und ruhige. Nur weil Ihr Kind etwas schüchterner und zurückhaltender ist als andere, bedeutet das noch lange nicht, dass etwas nicht stimmt. In einer neuen Situation sind viele Kinder etwas stiller. Sobald sie sich etwas wohler fühlen, kommen sie aus sich heraus. Als Eltern kann man die Entwicklung der Sozialkompetenz der eigenen Kinder unterstützen. Diese ganz bewusst fördern. Da spielen der Selbstwert und die Selbständigkeit eine grosse Rolle. Aber wenn man Gewissheit haben will, dass das eigene Kind nicht untergeht, sollte das Gespräch mit den Lehrpersonen gesucht werden. Tauschen Sie Ihre Eindrücke mit denen der Schule aus.

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Wie kann ich mein Kind darin unterstützen, selbstbewusster zu werden?

Das Kind in seiner ganzen Person wertschätzen. Sich Zwischenziele setzen. Loben wenn etwas gut gemacht wurde. Das ist sehr wichtig für das Selbstvertrauen des Kindes. Aber wie bereits gesagt, muss ein Lob auch noch was wert sein. Wenn Sie bei allem applaudieren, entwickelt sich auch eine Erwartungshaltung. Es ist wichtig, dass Sie dem Kind klarmachen, dass eine schlechte Erfahrung oder ein gescheiterter Versuch, nicht sie als Mensch definiert und ausmacht.

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Mein Kind ist noch sehr anhänglich. Wird es einen Schulvormittag durchhalten?

Diese Sorge machen sich viele Eltern. Ganz ehrlich, vielleicht hält es den ersten Vormittag in der Schule nur mit viel Mühe durch und ist danach sehr müde. Es sind so viele neue Eindrücke. Aber mit der Zeit ist das für die meisten Kinder kein Problem mehr. Für viele ist die Schule ein spannender Ort mit vielen neuen Erlebnissen. Das wollen die wenigsten Kinder verpassen. Und für den Fall, dass ein Kind auch nach einer gewissen Zeit noch grosse Mühe hat, kann vielleicht wieder das Lieblingsstofftier genau die richtige Unterstützung sein

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Was mache ich, wenn mein Kind eine strenge Lehrerin hat?

Das ist eine schwierige Frage. Jede*r definiert «streng» anders. Einem Kind muss klar werden, dass es nicht alleine in der Klasse ist. Also wenn es mal nicht nach den eigenen Wünschen geht und die Lehrperson etwas deutlicher wird, dann muss ein Kind das auch verstehen und akzeptieren können. Sind Sie aber wirklich davon überzeugt, dass die Lehrperson zu streng ist, sollten Sie das Gespräch mit ihr suchen. Die Schulleitung ist eine weitere mögliche Anlaufstelle.

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Ich bin neu im Kanton und kenne mich nicht aus. Wo finde ich Hilfe, wenn ich überfordert bin?

Bei schulischen Fragen kann man immer die Lehrpersonen oder Schulleitung kontaktieren, diese leiten Sie allenfalls weiter. Auch werden von den Schulen die nötigen Informationen an die Eltern kommuniziert.

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In unserer Schule treffen viele verschiedene Kulturen aufeinander. Was soll ich beachten?

Hier in Basel gibt es nur Quartierschulen. Man kann also sehr genau abschätzen, wie die Klassen zusammengesetzt sind. Für Kinder spielt das alles aber gar nicht so eine grosse Rolle. Wenn Kommunikation halbwegs möglich ist, werden sie sich beim Spielen arrangieren, sich kennenlernen und anfreunden. Kinder sind sehr neugierig. Etwas Neues kennenzulernen, kann für sie genau das Richtige sein. Für die Schulen ist der Umgang mit dieser Heterogenität Alltag. Sie schaffen differenzierte Angebote und sehen auch das Potenzial der Diversität. Und das Wichtigste zum Schluss: Einem Kind kann man vieles zutrauen – mehr als viele denken. Auch Offenheit.

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