«Das ist voll der Hammer!»
Der Bajour-Community ist es gelungen, Kinderaugen zum Leuchten zu bringen. In nur wenigen Tagen wurden 12’000 Franken gespendet – genug, um 150 armutsbetroffenen Familien den Mäss-Besuch zu versüssen.
«Die Herbstmesse ist eine freudige Sache. Nur nicht für Familien mit knappem Budget. Für sie sind leuchtende Bahnen, duftende Mandeln und der Ballonverkäufer wie eine Ohrfeige. Das alles können sich andere leisten, du nicht.»
Das schrieben wir vergangenen Freitag im Basel-Briefing – und riefen die Leser*innen zur Spende auf. Und die Rückmeldung war fantastisch! Innerhalb weniger Tage sind 12'000 Franken zusammengekommen. Damit konnten die freiwilligen Helfer*innen der «Gärngschee»-Community Mäss-Päggli à 80 Franken für 150 armutsbetroffene Familien packen.
In den Papiertüten findet sich so allerlei, auch Gutscheine für eine grosse Zuckerwatte sowie zwei Würste nach Wahl, verschiedene Jetons für Bahnen und Bargeld, also «en Mäss-Batze zem Verbutze». Oder in Zahlen insgesamt: 30 Kilogramm gebrannte Mandeln, 15 Kilogramm Raamdääfeli, 37,5 Kilogramm Maagebroot und 300 Mässmogge.
Gärngschee-Heldinnen Sandie und Tijana waren von Mässstand zu Mässstand gezogen, um den Inhalt für die Päggli zu sammeln. Die Idee ist bei den Schausteller*innen so gut angekommen, dass sie von sich aus Rabatte anboten und teilweise nur den halben Preis für die Bahnen-Jetons und für Mässsüssigkeiten verlangten. Und das obwohl gerade die Standbetreiber*innen auch keine einfache Zeit hinter sich haben. Vielen Dank dafür!
Das Ziel ist erreicht: Als am Mittwoch um 16 Uhr die Türen des Bajour-Büros öffnen, um die Ware unter die Leute zu bringen, leuchten die Kinderaugen um die Wette. Der Ansturm ist enorm, vor dem Büro hat sich eine lange Schlange gebildet. «Von aussen sah das Päckli nach nichts aus, deswegen haben viele am Anfang nicht reagiert», erzählt Gärngschee-Tätschmeisterin Sandie. Die Freude war dann später umso grösser: «Die meisten haben hinterher angerufen oder geschrieben. Eine hat angerufen und geweint.» Viele können nicht fassen, so ein grosszügiges Geschenk für sich und ihre Familie zu bekommen.
Damit nur die beschenkt werden, die es sehr schwer haben und sich einen Mäss-Besuch ansonsten nicht leisten könnten, zeigten die Familien eine Caritas- oder Familienpass-plus-Karte vor.
«Wie sagt man?», fragt eine Mutter ihre Kids, die vor Neugierde fast in den Papiertüten zu verschwinden drohen. «Danke!», ertönt es freudig, bevor sie wieder hinaus in die Herbstsonne hüpfen.
Sandra bricht es fast das Herz, wenn ihr Sohn klagt, alle anderen Kinder dürften zur Messe, nur er nicht.
Sabrina (25), die mit ihrer Tochter Kenza (7) in der Schlange steht, erzählt, wie schwierig es für sie sei, ihren Kindern mit einem kleinen Einkommen einen Messebesuch zu ermöglichen: «Für die Kinder ist die Herbstmesse ein grosser Event!». Die Kleine dreht ihre braunen Locken zurecht. Auf was sie sich am meisten freut? «Die Zuckerwatte», sagt sie wie aus der Pistole geschossen.
Auch Sandra bricht es fast das Herz, wenn ihr zehnjähriger Sohn Samuel von der Schule nach Hause kommt und klagt, alle anderen Kinder dürften zur Messe, nur er nicht. Sie zieht sich ihre Maske weit über die Nase, ihre Augen werden glasig. Sie habe mit ihm dann am Abend, da die Lichter so schön funkelten, eine kleine Runde gemacht, die Getränke aber von zu Hause mitgenommen. Nun steht den beiden ein richtiger Messebesuch bevor, mit allem drum und dran.
Fabienne, die derzeit von der Sozialhilfe unterstützt wird, wünschte sich, dass auch ihr Sohn wieder einmal etwas Schönes erleben dürfe.
Ähnlich geht es Fabienne. Die 42-Jährige erzählt, sie habe kürzlich aus dem Küchenfenster geschaut, als die Nachbarskinder mit Messe-Ballons nach Hause gekommen seien. Sie, die derzeit von der Sozialhilfe unterstützt wird, wünschte sich, dass auch ihr siebenjähriger Sohn Joshua wieder einmal etwas Schönes erleben dürfe.
Und das darf er an diesem Oktobertag: Nach der Übergabe des Mäss-Pägglis begleiten wir die beiden auf das Kasernenareal. In der Luft liegt eine Mischung aus Zuckerwatte und geschmolzenem Käse. Joshua zupft seine Mama aufgeregt an der Daunen-Jacke. Jede Zelle seines Körpers ist vorfreudig, so scheint es.
Joshua möchte Büchsen werfen, denn darin sei er besonders gut. Am Ende gibt es einen Trostpreis, immerhin. Auf dem Flying Clown kreischt der Kleine, was das Zeug hält – «wie ein Mädchen», sagt die Mama. Und er verteidigt sich: «Ich habe halt auch Angst.» Die Freude überwiegt, nur leider viel zu kurz. Drei Runden später kommt das Tatzelwurm-ähnliche Gefährt auch schon wieder zum Halten.
Nach dem anschliessenden Hindernislauf im Crazy Hotel ist Joshua ausser sich: «Das ist voll der Hammer!»
Die Zeit rennt, die Jetons schwinden. Dem Siebenjährigen ist die Freude immer noch ins Gesicht geschrieben. Diesen Mäss-Besuch wird er wohl nicht so schnell vergessen. Und seine Mutter auch nicht.
Zurück im Bajour-Büro. Die Schlange hat sich aufgelöst, die Päggli sind verteilt. Die Helfer*innen rauchen verdient ihre Feierabend-Zigarette, als eine Mutter nochmals zurückkommt. Auf dem Arm hält sie ihre aufgelöste Tochter. Ob ein Schnuller gefunden worden sei, möchte sie wissen. Leider nein.
Ein neuer muss her, unbedingt, sofort! So gibt es statt Magenbrot halt einen neuen Nuggi, dem «Mäss-Batze zum Verbutze» sei Dank.