«Wir haben jetzt jeden Tag Fasnacht»

Diesen Sonntag schliesst das spanische Restaurant Tapas del Mar am Spalenberg für immer seine Tore. Besitzerin Pia Elia ist überwältigt von der Wertschätzung, die ihr nun entgegengebracht wird.

Tapas del Mar Pia Elia
Pia Elia schliesst ihr Restaurant mit einem lachenden und einem weinenden Auge. (Bild: Valerie Wendenburg)

Pia Elia, der Samstag, 22.6.24 ist der letzte offizielle Tag im Tapas del Mar. Warum schliessen Sie Ihr Restaurant?

Ich habe mir immer geschworen, aufzuhören, wenn ich noch fit bin und wenn alles noch gut läuft. Ich habe nicht vor, am Rollator ins Restaurant zu gehen. Es hat mich aber wahnsinnig viel Überwindung und viele schlaflose Nächte gekostet, zu sagen: Jetzt ist Schluss. 

Meinen Sie emotional?

Nicht nur emotional. Ich werde jetzt nochmal so richtig herausgefordert. Wir arbeiten in diesen Tagen alle bis an die maximale Belastungsgrenze. Aufzuhören erfordert genauso viel Kraft und Energie wie anzufangen. Aber es ist ja auch wunderschön, dass nun noch so viele Gäste kommen und sich verabschieden möchten.

Sind jetzt mehr Besucher*innen im Tapas del Mar als sonst?

Das Tapas del Mar ist immer gut besucht. Aber im Moment ist der Zulauf wahnsinnig gross. Unsere lieben Basler Gäste kommen alle nochmals, teilweise sogar mehrmals. Aber auch Leute aus Zürich, Bern oder Biel. Viele Menschen haben Erinnerungen an diesen Ort, wie ein Pärchen, das sich hier vor Jahren kennengelernt hat oder andere, die bei uns immer ihren Geburtstag feierten. Die Wertschätzung, die uns nun entgegengebracht wird, ist enorm. 

Also sind Sie an Ihren letzten Tagen gut ausgelastet?

Am Samstag haben wir die vierfache Menge an Tapas vorbereitet und waren um halb 10 Uhr abends trotzdem ausgeschossen. Ein Ansturm wie an der Fasnacht, aber alles mit vollem Angebot. Man könnte sagen, wir haben jetzt praktisch jeden Tag Fasnacht bei uns. Dieses unglaubliche Feedback habe ich in dieser Form nicht erwartet.

Tapas del Mar Pia Elia
Zur Person

Bevor Pia Elia das Tapas del Mar im Jahr 2002 eröffnet hat, war sie unter anderem drei Jahre lang Pächterin des Restaurants im Tennis Club Old Boys in Basel. Sie war ferner in mehreren 4-Sterne-Hotels in leitender Stellung tätig. Pia Elia hat Supervisionen für weitere Gastrobetriebe und Gastrokonzepte entwickelt und administrative Reorganisation und Buchführung durchgeführt. Sie hat das Green-Franchise-Projekt Tapas del Mar gegründet und bietet Kochkurse an. Pia Elia ist Mutter von zwei erwachsenen Kindern und lebt in Basel-Stadt.

Es passt aber, Sie haben das Restaurant ja auch während der Fasnacht 2002 eröffnet.

Das stimmt. Wir haben vor 22 Jahren am Morgestraich eröffnet und das war rückblickend total verrückt. Ich war vorher noch nie an einem Morgestraich. Wir hatten noch kein eingespieltes Team. Die letzten Umbaudetails waren wenige Stunden vorher erst fertig geworden und ich habe gedacht: Jetzt oder nie. Und es hat trotz Chaos funktioniert. Ich habe aber nicht gewusst, dass ich die Fenster abgedunkelt lassen muss, bis es hell wird. Daher hatte ich nach dem Morgestraich das Fasnachtscomité im Restaurant, das mir dann fasnächtlich humorvoll aber bestimmt die Leviten gelesen hat. Aber der Einstieg war dennoch gelungen und das Tapas del Mar kam gut ins Laufen. 

Wie ging es Ihnen während der Corona-Pandemie?

Das Restaurant war bis zum letzten Tag vor der Schliessung, was aufgrund der Einschränkungen möglich war, gut besucht und auch nachher kam rasch wieder Kundschaft. Die Leute wollten wieder raus und Essen gehen. 

Wie steht es um das Personal? In der Branche wird beklagt, dass es seit Corona schwierig sei, Personal zu finden.

Einige der Studentinnen, die ich beschäftigt habe, haben sich eine neue Stelle gesucht. Das stimmt. Wir hatten eine Durststrecke von etwa fünf Monaten, bis wir neue Leute finden und einstellen konnten. Da der Betrieb aber rasch wieder anlief, mussten wir anfangs mit weniger Personal voll durchstarten. Ab Herbst aber hatten wir das Team wieder beisammen. 

Was passiert nun mit Ihrem Team?

Meine Angestellten suchen sich neue Jobs im Service- und Küchenbereich. Ich mache mir um sie aber keine Sorgen. Es gibt freie Stellen in der Branche, der Markt ist nicht ausgetrocknet. Teilweise wurden sie schon von anderen Betrieben angefragt. Die Köchinnen sind noch auf der Suche nach einem geeigneten Job, eine von ihnen möchte wechseln und in einem Spital, einem Personalrestaurant oder in einer Kita arbeiten.

Tapas del Mar
Das Restaurant am Spalenberg schliesst am Sonntag seine Tore. (Bild: Valerie Wendenburg)

Eine ihrer Mitarbeiterinnen wollte das Restaurant gerne übernehmen. Warum hat das nicht funktioniert?

Nachdem ich meinen Vertrag gekündigt habe, hat sich eine langjährige Mitarbeiterin im März an die Verwaltung gewendet. Sie hätte das Restaurant gerne weitergeführt und wäre aufgrund ihres Hintergrunds auch in der Lage dazu gewesen. Die Kommunikation mit der Verwaltung war aber sehr harzig, sie hat keine konkreten Antworten auf ihr Konzept und ihre Anfrage erhalten. Schliesslich kam Ende Mai ein Angebot, das aus meiner Sicht unrealistisch ist. Der Mietzins lag um rund 60 Prozent höher als heute. Mit steigendem Umsatz aufgrund der Umsatzmiete bis doppelt so hoch*. Der Wunsch, das Tapas del Mar nahtlos mit dem gleichen Team weiterführen zu können, ist so gestorben. Der Wunsch meiner Mitarbeiterin, ein Tapas del Mar anderswo zu eröffnen, bleibt jedoch bestehen. Ich selber habe keine Ahnung, was nun mit den Räumlichkeiten geschieht. Laut Verwalter gibt es Interessenten.

Das heisst, das Tapas del Mar ist ab Sonntag Geschichte.

Ja und Nein. Ich habe ein Franchise-Konzept entwickelt, das man erwerben kann. Das Konzept enthält alle Rezepte, alle Geschäftskoordinaten – es ist ein fixfertiges Handbuch für ein Tapas del Mar. Es würde mich freuen, wenn sich Leute finden, die neue Tapas del Mar-Restaurants in der Schweiz eröffnen. 

* Die Immobilienverwaltung hat auf Rückfrage von Bajour darauf verzichtet, öffentlich Stellung zu nehmen.

Was passiert mit dem Inventar?

Vieles ist schon verkauft oder verschenkt, das Interesse ist gross. Andere Restaurants haben sich an mich gewendet und auch Zwischennutzungen haben profitiert und Sachen übernommen. Am Sonntag veranstalten wir noch einen Rampenverkauf, da kann alles erworben werden, was noch nicht vergeben wurde. Man kann da auch noch Getränke und Tapas bestellen, allerdings nicht mehr die komplette Karte. Und am nächsten Montag ist das Finale mit «Ustrinket» im Kreis der Familie, den ehemaligen und jetzigen Mitarbeitenden, den Handwerkern, Lieferanten und Freunden. Wir stossen auf das Tapas del Mar an, auf die lebendige und schöne Zeit, die wir dort verbringen konnten. 

Hat die Gastronomiebranche in Basel allgemein ein Problem?

Ich kann nicht so viel dazu sagen, weil das Tapas del Mar immer gut lief. Natürlich gibt es Leute aus der Branche, die klagen, andere wieder haben grossen Erfolg. Das Potenzial ist da: Basler und Baslerinnen gehen gerne auswärts essen. Natürlich muss man ihnen etwas anderes bieten, was sie sich nicht selbst zu Hause kochen. Auch Ambiente, Qualität und Service müssen stimmen. 

Gilt das auch fürs Personal?

Wenn man die richtigen Anreize schafft, findet man auch gute Leute. Dazu gehören gute Entlohnung sowie Planung: Ich mache die Arbeitspläne jeweils zwei Monate im Voraus, damit meine Mitarbeitenden planen können. Das ist gerade für Frauen mit Familie sehr wichtig. Ich habe auch Mütter eingestellt, die gerne abends arbeiten, wenn der Mann sich um die Kinder kümmert. Eine verlässliche Zeitplanung ist da unabdingbar, das weiss ich aus eigener Erfahrung und ich lege daher grossen Wert darauf. Wir sind ein Team, das gut eingespielt ist und das mit in die Verantwortung genommen wird. Ich bin zum Beispiel immer in die Ferien gefahren und habe die Verantwortung bewusst ans Team abgegeben. Das ist für alle Beteiligten motivierend. Ich bin nicht perfekt, aber mein Konzept hat offensichtlich funktioniert.

Tapas del Mar
Das Tapas del Mar am Spalenberg ist bald Geschichte. (Bild: Valerie Wendenburg)

Haben die Kund*innen Sie dann nicht vermisst?

Ich habe mich nie in den Vordergrund gestellt. Ich sage immer, ich bin eine kleine Mrs. Monk, denn ich bin sehr organisiert und strukturiert und wirke lieber im Hintergrund als an der Front. Ich führe ein Betriebshandbuch, in dem alles festgelegt ist. Alle Abläufe sind genau notiert, das ist sehr wertvoll. Ich bin keine Gastronomin, die die Hände schüttelt und von Tisch zu Tisch geht oder mit den Leuten anstösst. Ich wollte nie der Mittelpunkt sein. Die Gäste sollen nicht meinetwegen kommen, sondern wegen der Küche, wegen der Stimmung und unserer Philosophie. Viele Gäste wissen heute oft nicht mehr, wer genau die Chefin des Tapas del Mar ist, da ich immer mehr Front-Verantwortung ans Team delegiert habe.  

Freuen Sie sich auf die Zeit danach?

Ja, ich bin froh, nicht mehr so viel planen zu müssen. Mein Leben ist jetzt total durchgetaktet. Ich habe Kinder und Enkelkinder, ich freue mich darauf, mehr Zeit mit Ihnen zu verbringen. Ausserdem freue ich mich aufs Reisen und Lesen und darauf, den Kopf frei zu haben. Vielleicht mache ich künftig bei der Weinmesse mit, gebe weiterhin Kochkurse oder schreibe. Und sollte ich mich in Zukunft doch mal langweilen, wird mir sicher etwas einfallen. 

__________

Damit die Geschichte des Tapas del Mar nicht in Vergessenheit gerät, hat Pia Elia das Buch «Spalenburg. Tapas mit Herz» geschrieben. Darin finden sich Rezepte, Tipps und persönliche Weinempfehlungen. Die Auflage ist auf 220 Exemplare limitiert, der Preis pro Buch liegt bei 29 Franken. Bestellungen können an Pia Elia gerichtet werden.

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazins tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Senior-Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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