Die Baselbieter*innen vertrauen Toni Lauber
Selbst die Bürgerlichen sind über das Abstimmungsresultat im Baselbiet überrascht: Der Kanton nimmt die Vermögenssteuerreform an. Doch das ist erst der Anfang des finanzpolitischen Umbaus.
Zuerst die Kürzung der Sozialhilfe, jetzt das Steuergeschenk für die Reichen, mitten in Zeiten von Inflation, Energiekrise und bei 6 Prozent armutbetroffenen Baselbieter*innen: Mit 62 Prozent wurde die Vorlage, die besonders vermögende Baselbieter*innen steuerlich entlasten soll, angenommen. So klar, dass selbst Bürgerliche überrascht sind. «Dabei haben es Steuervorlagen eigentlich immer schwer», sagt der hörbar erleichterte Markus Dätwyler, Direktor der mächtigen Handelskammer beider Basel und FDP-Landrat. Und dann auch noch eine trockene Steuervorlage, von der ein Grossteil der Baselbieter*innen nicht mal betroffen ist: Nur 30 Prozent zahlen Vermögenssteuern.
Insgesamt profitieren 50.000 Haushalte von der Steuersenkung, auch durch die Erhöhung von Freibeträgen. Im Wahlkampf wurde allerdings viel über eine Minderheit von 331 Personen gesprochen, die «Multimillionär*innen» im Kanton. Sie machen gerade mal 0,2 Prozent der Steuerzahlenden aus, tragen aber zu 36 Prozent der Vermögenssteuereinnahmen des Kantons bei – und gerade sie sollen jetzt eben entlastet werden.
Eine «moderne und mildere Besteuerung von Vermögen» ist das Ziel der Regierung. Die Strategie sieht eine etappenweise Anpassung der Vermögenssteuer vor, bei der zunächst die Deklaration von Wertpapieren vereinfacht werden soll und in weiteren Schritten die Steuern für Vermögende gesenkt werden, um national wettbewerbsfähiger zu werden. Wie hoch die Einsparungen sind, bemisst sich an der Höhe des Vermögens und der Zusammensetzung des Haushalts.
Kanton und Gemeinden gehen dadurch jährlich 42 Millionen Franken verloren, 15 davon den Gemeinden. Die Regierung will allerdings die Gemeinden nicht auf den Kosten sitzen lassen und übernimmt daher 10 Millionen der Ausfälle. Insgesamt fehlen dem Kanton damit ab 2023, wenn die Reform inkrafttritt 36 Millionen Franken.
Denn ohne dieses Steuergeschenk, so das Argument, würden die Reichen abwandern. Und wenn man im Steuerwettbewerb gut dastehe, würden potenziell neue Wohlhabende in den Kanton ziehen, was sich wieder positiv auf die Staatseinnahmen auswirkt – ein klassischer Fall von trickle-down-economics. Empirische Nachweise, dass niedrige Vermögenssteuern den Staatshaltshalt verbessern, gebe es nicht, finden Kritiker*innen wie die SP-Nationalrätin Samira Marti. «Das ist keine exakte Wissenschaft», sagt auch Dätwyler, «aber wir wissen aus Analysen, dass Steuermobilität existiere. Es geht nicht darum, ein Billigstandort zu werden, sondern sich im interkantonalen Mittelfeld zu positionieren.»
«Wir konnten der Bevölkerung glaubwürdig aufzeigen, dass es den Steuerwettbewerb braucht», sagt FDP-Landrat Stefan Degen, FDP-Landrat. «Authentisch und ehrlich» sei die Kampagne gewesen und deshalb habe die Kommunikation von Regierung und dem bürgerlichen Ja-Komitee sicher 20 Prozent zum Resultat beigetragen, ist Degen überzeugt.
Kanton zugepflastert mit «Behördenpropaganda»
Die Ja-Plakate waren zahlreich, der Kanton sei «zugepflastert» gewesen, findet Samira Marti und spricht von «Behördenpropaganda.» Ihre Partei konnte mit der Nein-Kampagne die Abstimmung gegen Regierung und Bürgerliche nicht drehen. Marti verweist auf die niedrige Stimmbeteiligung von 32 Prozent. «Niemand kann bei so einer Stimmbeteiligung richtig glücklich sein. Bei Steuervorlagen braucht es eine breite öffentliche Debatte und die hat gefehlt.»
Die Mobilisierung hatte aber auch strukturell schwierige Voraussetzungen: Kantonale Abstimmungen haben tiefere Wahlbeteiligungen und profitieren, wenn gleichzeitig nationale Wahlen stattfinden. Eine einzige kantonale Vorlage - und dann noch ein abstraktes Steuerthema, das hat weniger Ziehkraft. Und der harte Kern, der dann abstimmen geht, sei eben tendenziell wohlhabend, so Marti – deshalb das deutliche Ergebnis.
Die Analyse geht aber auch noch simpler: «Baselland ist ein bürgerlicher Kanton», sagt SVP-Fraktionspräsident Peter Riebli. Er betont die funktionierende Zusammenarbeit der bürgerlichen Parteien von SVP über FDP bis zur Mitte: «Wenn die Bürgerlichen gemeinsam an einem Strick ziehen, können wir jede Abstimmung gewinnen. Die bürgerlichen Parteien stehen sich im Baselbiet in vielen Themen nahe, was die Zusammenarbeit vereinfacht. Leider scheint das in Basel-Stadt schwieriger zu sein.» Stefan Degen ergänzt, dass die Vorlage mit Zustimmung der EVP bis hin zu Mitte-Links-Parteien Anklang fand.
«Faktor Toni Lauber»
Degen und Riebli schätzen auch den «Faktor Toni Lauber» als nicht unerheblich ein. Der Finanzvorsteher von der Mitte wird gelobt für sein Charisma und sein Talent, das zahlenintensive Thema einfach zu erklären. Bei der letzten Gesamterneuerungswahl 2019 holte Lauber das beste Ergebnis der Regierungsrät*innen. Und auch das Abstimmungsresultat, das eng mit seiner Person verknüpft ist, lässt sich wie ein hoher Zustimmungswert lesen: Die Menschen vertrauen Lauber.
Auch bei der Pressekonferenz im Landratssaal des Regierungsgebäudes erscheint er mit einem Wahlkampfplakat-Lächeln und druckreifen Parolen: «Stillstand ist nichts für’s Baselbiet», sagt er sichtlich beseelt. Klar, die Vermögenssteuerreform ist sein Baby. Beim Hintergrundgespräch erklärt er den Handlungsbedarf, das Baselbiet steuerlich attraktiver für Vermögende zu machen, verweist auf Studien von UBS und CS, welche die Unattraktivität belegen.
What's next? Steuererhöhung für den Mittelstand
Während er an seiner Armbanduhr rumspielt, erklärt er die finanztechnischen Details der Vorlage – dass die Reform eben auf die für das Baselbiet spezifischen Steuerwerte auf Wertpapiere abziele. «Aber mir ist es wichtig, immer mehrheitsfähige und ausgewogene Vorlagen zu erarbeiten.» Und weil die Reform bei den Wertpapieren zu einer indirekten Mehrbelastung der Vermögenden führen würde, kam noch die Steuersenkung hinzu. Diese positioniere den Kanton Basel-Landschaft im interkantonalen Mittelfeld im Vergleich zu heute unattraktiven hinteren Plätzen.
Wer Lauber zuhört, merkt, dass er finanzpolitisch noch einiges vor hat im Baselbiet. Die Vermögenssteuerreform II ab 2027 hat er bereits mit der jetzigen Vorlage angekündigt. Und auch eine Erhöhung der Einkommenssteuer geistert bereits durch die Debatte. In der Kantonskasse fehlen mit der Annahme der Steuersenkung für Reiche 36 Millionen Franken pro Jahr, 5,5 Millionen sind es bei den Gemeinden.
Zwar wurde an allen Ecken und Enden betont, dass sich der Kanton bei jahrelangen Überschüssen in den Rechnungen weniger Einnahmen leisten könne – ja gar müsse, so SVP-Fraktionspräsident Riebli. Doch die Steuererhöhung steht trotzdem vor der Tür. Das gibt auch Samira Marti zu bedenken: «Es kann nicht sein, dass die normalverdienende Bevölkerung die Steuerausfälle zugunsten der Multimillionäre ausbaden muss.» Die SP wolle sich dann «mit aller Kraft» engagieren. Die nächste Debatte lässt also nicht lange auf sich warten.
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