#BaselNazifrei: Der Graue Block will zur Polizei - und die macht den Laden dicht

Am Freitagabend wollten rund 60 Demonstrant*innen deklarieren, sie hätten ein Jahr zuvor an der unbewilligten #Nazifrei-Demo teilgenommen. Nach einem konstruktiven Gespräch liess die Polizei sie dann doch noch rein.

Der Graue Block hat extra noch das #Nazifrei-Transparent vom letzten Jahr mitgenommen.

Da bringt der Graue Block extra noch das #Nazifrei-Transparent vom letzten Jahr mit, um die wenigen Meter vom Messeplatz zum Claraposten zu marschieren. Und dann sind beim Polizeiposten die Storen unten. Davor stehen drei Polizist*innen, zwei in Zivil und einer in Uniform. «Lassen Sie uns nicht rein?», fragt eine Demonstrantin, graues Haar, ungefähr 60 Jahre alt. «Wir wollen deklarieren, dass wir vor einem Jahr an der unbewilligten #Nazifrei-Demo teilgenommen haben», sagt ihr Kollege, ebenfalls graubehaart. «Sie hätten vorher eine Bewilligung einholen sollen», sagt die diensthabende Polizistin vor dem Posten.

Etwa 60 Personen zwischen 40 und 60 Jahren wollen diesen Abend zur Polizei. Sie nennen sich der «graue Block» und solidarisieren sich so mit ungefähr 60 jungen Demonstrant*innen, die genau vor einem Jahr ebenfalls an der #Nazifrei-Demonstration teilnahmen und gegen die nun die Staatsanwaltschaft ermittelt, unter anderem mithilfe von Fahndungsbildern im Internet. Dieser «Pranger» sei unverhältnismässig, die Behörden versuchten, junge, engagierte Leute einzuschüchtern, kritisierten Mitglieder des grauen Blocks vor der Demo.

«Warum haben Sie keine Bewilligung eingeholt?»

Nun stehen sie hier vor einem geschlossenen Claraposten. «Warum haben Sie keine Bewilligung eingeholt?», fragt die Zivilpolizistin die Demonstrant*innen. Die Polizei habe zwar aus den Medien erfahren, dass der graue Block heute auftauchen würde. «Aber wir haben nicht die Kapazitäten, die Namen von 60 Personen aufzunehmen.»

Die Demonstrant*innen geben nicht nach: «Wir haben doch das Recht als Bürger*innen, zur Polizei zu kommen», sagt eine Frau um die 60 Jahre. Und ihr Kollege ergänzt: «Bitte lassen Sie uns rein.» Die Polizistin gibt nach: «Sie dürfen rein. Aber bitte kommen Sie in Zweiergruppen.» Der Rolladen geht auf und die Demonstrant*innen stellen sich der Reihe nach auf. Die Polizisten stehen am Eingang und lassen immer zwei rein und raus. Nach etwa 30 Minuten haben alle etwa 60 Leute ihre Personalien abgegeben. Da tritt der Postenchef nach draussen und gibt allen Anwesenden ein Schöggeli.

«Dann stehst du als Polizistin da und plötzlich fliegen dir Steine entgegen»

Eine der Polizistinnen erklärt Bajour: «Wir wussten nicht, was uns heute Abend erwartet. Wir konnten ja nicht wissen, ob die Demonstrant*innen Nebelpetarden reinwerfen.» Deshalb hätten sie draussen gewartet, um erst die Situation zu analysieren. Als klar war, wie friedlich die Leute seien, hätten sie sich entschieden, sie reinzulassen. Alles eine Frage der Kommunikation. Und der Sicherheit. Allerdings: So richtig mit Nebelpetarden gerechnet hat sie nicht. «Sonst stände ich nicht in zivil hier.»

Die Polizistin war selbst an der unbewilligten #Nazifrei-Demonstration vor einem Jahr im Einsatz. Sie hat Verständnis für die Demonstrant*innen: «Ich finde die Partei national orientierter Schweizer (Pnos) auch nicht toll, und die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen auch nicht.» Sie hätte sich aber gewünscht, die Demonstrant*innen hätten die Pnos mit Trillerpfeifen ausgepfiffen. «Das wäre viel effektiver gewesen, als sie einzukesseln.» Was sie aber stört, ist die Gewalt einiger Demonstrant*innen – und die öffentliche Kritik an der Polizei. Sie sagt: «Wenn es eine Demo gibt, wirst du als Polizistin dort eingeteilt, um für die öffentliche Sicherheit zu sorgen. Dann stehst du also da und plötzlich fliegen dir Steine und Bierflaschen entgegen. Und nachher heisst es noch, die Polizei habe übertrieben? Das verstehe ich nicht.»

Falls es zu Anzeigen kommt, gibt's einen Schauprozess

Gewalt gegen die Polizei, das findet auch #Nazifrei-Demonstrant Stefan daneben. Trotzdem hat er sich an diesem Abend mit den jungen Leuten solidarisiert, gegen welche die Polizei ermittelt. Der Grund: Er glaubt nicht, dass die Staatsanwaltschaft wirklich nur gegen Personen ermittelt hat, die gewalttätig waren. Unter den Delikten, die die Staatsanwaltschaft aufzählte, waren nicht nur Gewalt und Drohung gegen Beamte. Ermittelt wird auch wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Nötigung und Störung des öffentlichen Verkehrs.

Die Polizei leitet die Namen der 60 Demonstrant*innen an die Staatsanwaltschaft weiter. Diese muss entscheiden, ob sie die Leute anzeigt oder nicht. Der graue Block hat die nächsten Schritte bereits geplant. «Wenn die Staatsanwaltschaft uns anzeigt, machen wir einen Schauprozess», sagte eine der Demonstrant*innen im Vorfeld zu Bajour. «Und wenn sie es nicht tut, zeigt das nur, wie absurd die Verfahren gegen die bereits angezeigten jungen Demonstrant*innen sind.»

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Foto Pino Covino

Bei Bajour als: Journalistin.

Hier weil: Das Hobby meines Mannes finanziert sich nicht von alleine.

Davor: Chefredaktorin im Lokalmedium meines ❤️-ens (Bajour), TagesWoche (selig), Gesundheitstipp und Basler Zeitung

Kann: alles in Frage stellen

Kann nicht: es bleiben lassen

Liebt an Basel: Mit der Familie am Birsköpfli rumhängen und von rechts mit Reggaeton und von links mit Techno beschallt zu werden. Schnitzelbängg im SRF-Regionaljournal nachhören. In der Migros mit fremden Leuten quatschen. Das Bücherbrocki. Die Menschen, die von überall kommen.

Vermisst in Basel: Klartext, eine gepflegte Fluchkultur und Berge.

Interessensbindungen:

  • Vorstand Gönnerverein des Presserats
  • War während der Jugend mal für die JUSO im Churer Gemeindeparlament. Bin aber ausgetreten, als es mit dem Journalismus und mir ernst wurde.

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